Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Wir waren mit Fußballerherz dabei“
Keine Stadion-Atmosphäre, keine Gesänge von den Tribünen. Wie Fans die Spiele ganz unterschiedlich erleben.
DÜSSELDORF Wo sonst Fußball-Fans stehen und sitzen, für Choreos sorgen und singen, herrschte vergangenes Wochenende Leere – und so wird das auch noch eine ganze Weile bleiben. Fußball gespielt wird trotzdem. Die Erste und Zweite Bundesliga hat den Spielbetrieb nach der Corona-Zwangspause wieder aufgenommen. Doch die Fans im Stadion, normalerweise wichtiger Bestandteil des Fußballs, fehlen. Wie sich dieser Geisterspieltag für die Fans angefühlt hat und was sie für den Rest der Saison erwarten.
Der Dauerkarteninhaber Matthias Schmitz, 26, Dauerkarteninhaber bei der Fortuna: „Es war schon sehr komisch. Es war wie ein Testspiel. Man hat die Anweisungen, die Gespräche auf dem Platz gehört. Ich habe den Platz gesehen, an dem ich normalerweise immer stehe. Aber es war besser als nichts. Das Spiel hat aber auch nicht viel hergegeben. Ich weiß nicht, wie es sonst gewesen wäre. Ich habe den Fußball aber definitiv vermisst. Und ich bin bereit, dieses „Opfer“der Geisterspiele zu bringen. Aber schön ist es nicht. Vor allem bin ich es nicht gewohnt, alleine vor dem Fernseher Fußball zu gucken. Sonst bin ich immer im Stadion oder in der Kneipe. Zu Hause am Fernseher habe ich schon lange nicht mehr geschaut. Das war definitiv etwas anderes. Man hat sich zwar während des Spiels mit Freunden auf WhatsApp ausgetauscht, vielleicht skype ich das nächste Mal auch mit Freunden. Oder ich schau bei meinem Vater vorbei und gucke das Spiel mit ihm. Der freut sich.“
Der Gastronom Mustafa Cetin, 56, Betreiber der Kneipe “Endlich-Treff“in Mönchengladach: „Was traurig war, war die Anzahl der Gäste. Ich konnte längst nicht so viele Gäste reinlassen wie normalerweise. Da haben mindestens 15, 20 Leute gefehlt. Die Atmosphäre war aber fröhlich. Weil: Gladbach hat gewonnen, das Ergebnis war sehr gut. Geisterspiele sind wir ja schon fast gewohnt, gegen Köln hatten wir auch eins. Es ist natürlich trotzdem komisch, ohne die Fans im Stadion. Aber wir konnten wieder vorm Fernseher sitzen und mitfiebern. Wir waren mit Fußballerherz dabei. Das war schön.“
Der TV-Anhänger Günter Maluche, 71, Fortuna-Fan, lebt die meiste Zeit des Jahres in Marbella und schaut von dort alle Spiele der Fortuna: „Es ist höchst wichtig für den ganzen Fußball. Gutgeheißen habe ich das nicht. Aber natürlich habe ich das Spiel geschaut. Die Fortuna hat bisher mein gesamtes Leben bestimmt. Solange die Fußball spielen, schaue ich das. Obwohl ich viel davon verteufele, das ganze Geschäft drumherum. Das mit den fehlenden Fans sehe ich nüchterner. Ob die Fans rumtoben oder nicht, betrifft mich nicht so sehr. Das Spiel war ja auch so relativ emotionslos. Aber natürlich ist es anders, wenn keine Fans da sind. Ich werde weiter Geisterspiele schauen. Fußball gehört dazu.“
Der Schiedsrichter Felix Brych, 44, Bundesliga-Schiedsrichter, hat sein erstes Spiel nach der Corona-Pause so erlebt: „Angenehmer als vor der Pause.“Der Schiedsrichter hatte den Eindruck, dass alle im Stadion gut drauf waren, weil die Mannschaften nach mehreren Wochen Pause endlich wieder spielen dürfen. „Ich möchte die Situation noch nicht verallgemeinern, weil wir erst ein paar Wochen abwarten müssen, um uns ein gefestigtes Bild zu machen. Aber ich habe in kurzen Smalltalks beim Warmmachen schon gemerkt, dass sich alle Beteiligten auf das Spiel gefreut haben – wohl wissend, dass es ein Privileg ist, so schnell wieder Fußballspielen zu dürfen“, sagte Brych der „Sport Bild“. Er und die Spieler seien nett miteinander umgegangen. Brych hatte am Samstag das Spiel FC Augsburg gegen den VfL Wolfsburg gepfiffen.
Die Fan-Szene Die organsierte Fanszene hat die Geisterspiele im Vorfeld kritisiert. Die „Ultras Dissidenti“von Fortuna Düsseldorf schreiben auf ihrer Website in einer gemeinsamen Erklärung mit vier weiteren Fan-Gruppen der Fortuna, Geisterspiele seien keinesweg eine Rückkehr zur Normalität. Sie schreiben weiter, es sei „nicht in Ordnung, dass die Maschinerie Profifußball ums Erbrechen weitergeführt wird, während „Systemrelevante“sich teils unter unfairen Lohnbedingungen strecken müssen.“Außerdem zeigten die Geisterspiele, wie sehr sich der Fußball von seiner Basis mittlerweile entfernt habe. Während es für Amateurligen noch nicht ansatzweise ein Konzept gebe für eine Perspektive, werde im Profifußball weitergespielt. Dabei müsse es gerade jetzt auch im Fußball einen Zusammenhalt geben.