Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein Sechstel mehr Schüler in NRW bis 2033
DÜSSELDORF (chal) Die Zahl der Schüler an den Schulen in NRW wird in den nächsten 15 Jahren voraussichtlich um 17,1 Prozent steigen. Dies zeigt eine neue Modellrechnung des Statistischen Landesamtes. Gründe dafür seien unter anderem steigende Geburtenraten und die seit dem Jahr 2015 wachsende Zahl der Zuwanderer.
Wie das Statistische Landesamt für alle Regionen in NRW ermittelt hat, wird demnach lediglich für den Märkischen Kreis eine niedrigere Schülerzahl (minus 3,6 Prozent auf 40.005) erwartet. In allen anderen Kreisen und kreisfreien Städten werde es im Schuljahr 2033/34 höhere Schülerzahlen geben. Den höchsten Anstieg erwarten die Statistiker für Düsseldorf: Hier werden in 15 Jahren mit voraussichtlich 79.135 jungen Menschen 38,3 Prozent mehr Schüler die Schulbank drücken als im aktuellen Schuljahr. Tendenziell falle die Zunahme in den eher ländlich geprägten Kreisen geringer aus als in den städtischen Regionen.
Im Abgangsjahr 2034 erwarten die Statistiker 6000 Schulabgänger mit einem Hauptschulabschluss, das sind 0,8 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Die Zahl der Abiturienten werde bis zum Jahr 2034 voraussichtlich um 15,9 Prozent auf 11.470 steigen.
Die regionalisierte Schüler-Modellrechnung ist eine Vorausberechnung der Schülerzahlen in den Bildungsstufen Primarbereich, Sekundarbereich I und Sekundarbereich II sowie der Schulabgänger für die kreisfreien Städte und Kreise für die Schuljahre von 2019/20 bis 2033/34. Die Ergebnisse basieren auf der Vorausberechnung der Bevölkerung in den kreisfreien Städten und Kreisen Nordrhein-Westfalens 2018 bis 2040/2060 sowie den amtlichen Schuldaten der Schuljahre 2016/17 bis 2018/19. vorhanden. Natürlich können Kinder auch Unterrichtsstoff aufholen. Manche Kinder sind ja auch mal sechs oder acht Wochen krank und bereiten nach der Gesundung die Dinge nach. Aber wir wissen, dass dies manchen schwerfällt. Alle für Schule Verantwortlichen müssen genau beobachten, ob durch diese Pandemie die Bildungsschere nicht vergrößert wird. Kinder, die zu Hause vielleicht nicht die richtige Unterstützung bekommen oder schlechte Lernbedingungen haben, brauchen sicherlich zusätzliche Unterstützung.
Wie kann die aussehen?
KARLICZEK Es gibt Überlegungen, Lehramtsstudierende zur Unterstützung heranzuziehen. Dies finde ich einen interessanten Ansatz, und die Hochschulen sind da sicher gesprächsbereit. In den Kliniken haben wir doch auch gute Erfahrungen mit Studierenden gemacht, die eingesprungen sind.
Wie bewerten Sie die aktuelle Debatte um Kritik an einflussreichen Virologen, die auch die Politik beraten?
KARLICZEK Wissenschaftler und Wissenschaft sind Teil unserer Gesellschaft. Gerade in der Krise zeigt sich, wie wichtig es ist, dass wir Wissenschaftler haben, die ihre Arbeit und ihre Erkenntnisse allgemeinverständlich erklären. So geben sie allen Bürgern die Möglichkeit, Wissenschaft, ihre Arbeit und Methodik besser zu verstehen. Dazu gehört auch, dass wissenschaftliche Erkenntnis immer einer gewissen Vorläufigkeit unterliegt und durch neues Wissen angepasst, manchmal sogar revidiert wird. Auch widerstreitende Positionen gehören zum Wesen von Wissenschaft. Natürlich müssen wissenschaftliche Ergebnisse auch hinterfragt und wissenschaftliche Positionen sachlich kritisiert werden können. Aber klar ist auch: Wer Wissenschaftler bedroht oder beschimpft, der greift uns alle als Gesellschaft an. Die Wissenschaftler haben die Öffentlichkeit in der Krise sehr engagiert an ihrem Wissen teilhaben lassen. Ich fürchte, dass bei einem Überschreiten der Grenzen der sachlichen Kritik sich Wissenschaftler wieder die Frage stellen, ob es nicht besser ist, sich wieder zurückzuziehen. Es wäre ein schwerer Verlust für uns alle.
In den vergangenen Jahren gab es stets mehr Stellen als Azubis. Nun fürchtet ein ganzer Jahrgang, keinen Ausbildungsplatz zu bekommen. Was sagen Sie diesen jungen Leuten?
KARLICZEK Im Moment kann man noch nicht abschätzen, ob und wie viele Ausbildungsplätze fehlen. Das lässt sich noch nicht beziffern. Zurzeit sieht es so aus, dass weniger
Ausbildungsplätze angeboten, aber auch die Nachfrage gesunken ist. In der Allianz für Aus- und Weiterbildung haben wir bereits beschlossen, dass es eine Prämie für Betriebe geben soll, die Auszubildende aus einem insolventen Betrieb übernehmen.
Können Sie die vielen Hilfen, die es für Unternehmen gibt, nicht mit der Bedingung verknüpfen, dass die Auszubildenden gehalten werden müssen?
KARLICZEK Ich habe die klare Erwartungshaltung, dass Betriebe, die staatliche Hilfen erhalten, auch ihre Auszubildenden weiter beschäftigen und auch neue Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Das kommunizieren wir auch sehr klar. Das ist im Übrigen auch wichtig für die Betriebe: Der Fachkräftemangel ist ja nicht vorbei.
Wie groß sind die Chancen, dass der Impfstoff gegen Corona in Deutschland gefunden wird?
KARLICZEK Verschiedene Firmen und Konsortien entwickeln zurzeit parallel unterschiedliche Impfstoffe. Dadurch, dass das Virus stabil zu sein scheint, sind die Chancen relativ gut, einen wirksamen und sicheren Impfstoff zu finden. Über die internationale Impfallianz CEPI, die auch durch die Bundesregierung unterstützt wird, werden zurzeit neun Impfstoff-Kandidaten gefördert – davon einer in Deutschland. Weltweit sind es über 100 Projekte. Entscheidend ist nicht so sehr die Frage, wer die Nase vorne hat, sondern ob wir weltweit ausreichend Produktionskapazitäten haben. Wir arbeiten gerade an den Grundlagen für ausreichende Kapazitäten in Deutschland, was nicht einfach ist. Wahrscheinlich wird es sogar mehrere Impfstoffe geben müssen, um zum Beispiel geeignete Kandidaten für verschiedene Bevölkerungsgruppen zu haben, aber auch um die vorhandenen Herstellungskapazitäten bestmöglich nutzen zu können. Nicht jeder Impfstoff kann überall hergestellt werden.
JAN DREBES UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.