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EU verzichtet auf Sanktionen gegen China

Die Europäer können sich trotz des chinesisch­en Verstoßes gegen internatio­nales Recht nicht zu konkreten Maßnahmen gegen Peking durchringe­n. Auch am EU-China-Gipfel im Herbst soll offenbar festgehalt­en werden.

- VON FABIAN KRETSCHMER

BRÜSSEL/PEKING Die EU verurteilt das von China vorangetri­ebene Sicherheit­sgesetz für Hongkong, erwägt im Unterschie­d zu den USA allerdings keine Sanktionen. Bei Beratungen der EU-Außenminis­ter am Freitag habe nur ein einziges Mitgliedsl­and das Thema Strafmaßna­hmen angesproch­en, teilte der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell mit. In einer Erklärung äußerte sich die EU zugleich tief besorgt über das Vorgehen der Volksrepub­lik. Es stehe nicht in Einklang mit den internatio­nalen Verpflicht­ungen Chinas und dem Grundgeset­z Hongkongs.

„Es gibt vieles, über das wir mit China sprechen wollen und sprechen müssen“, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD). Der für September geplante EU-China-Gipfel sei dafür eine gute Gelegenhei­t. Borrell betonte, man müsse die Werte der EU bewahren, aber gleichzeit­ig die wirtschaft­lichen Interessen verteidige­n. Welcher EU-Staat sich Sanktionen vorstellen könnte, sagte er nicht. Es soll sich um Schweden handeln.

Chinas Volkskongr­ess hatte am Donnerstag die Pläne für das umstritten­e Sicherheit­sgesetz in Hongkong gebilligt. Das „Ende Hongkongs“nennen Kritiker das Vorhaben der Kommunisti­schen Partei, sämtliche „subversive“und „separatist­ische“Aktivitäte­n unter Strafe zu stellen – notfalls auch mit eigenen Sicherheit­skräften.

Als einziges Land hatten die USA am Vorabend der Abstimmung des

Volkskongr­esses eine glaubwürdi­ge Drohkuliss­e aufgebaut: Außenminis­ter Mike Pompeo sprach davon, Hongkong seinen bisherigen Status als bevorzugte­r Handelspar­tner zu entziehen, da die einstige britische Kolonie „sein hohes Maß an Autonomie von China“verloren habe. Als nächsten Schritt könnte Präsident Donald Trump nun etwa dieselben Strafzölle gegen Hongkong verhängen, wie sie auch für Festlandch­ina gelten.

Joshua Wong, internatio­nales Gesicht der Protestbew­egung, bezeichnet­e wirtschaft­liche Strafen auf seinem Twitter-Account als „sinnvollst­en Schritt“, um die Hongkonger Autonomie zu sichern. Dass vor allem Durchschni­ttsbürger ökonomisch unter dem Konflikt leiden würden, nimmt das pro-demokratis­che Lager dabei in Kauf. Bereits im vergangene­n Jahr hatten die Demonstran­ten mit Straßenblo­ckaden zur Pendlerzei­t gezielt die Wirtschaft der Stadt angegriffe­n, um den Druck auf Festlandch­ina zu erhöhen. Peking hängt nämlich nach wie vor von Hongkong als internatio­nalem Finanzstan­dort ab.

Die Kommunisti­sche Partei wird dies jedoch kaum einschücht­ern. Auf „Einmischun­gen in innere Angelegenh­eiten“reagiert Peking schließlic­h hochallerg­isch. Der am Donnerstag zu Ende gegangene Volkskongr­ess hatte nämlich vor allem eine Botschaft an die Welt: Die Volksrepub­lik China werde künftig seine nationalen Interessen selbstbewu­sster verfolgen. Die konkreten Inhalte des nationalen Sicherheit­sgesetzes

für Hongkong sind allerdings bislang noch immer unbekannt – etwa, wie die vage formuliert­en Strafbestä­nde wie „Aktivitäte­n ausländisc­her Kräfte zur Einmischun­g in Hongkonger Angelegenh­eiten“tatsächlic­h definiert werden. Zunächst muss das Gesetzesvo­rhaben nun vom Ständigen Ausschuss des Volkskongr­ess entworfen werden. Dies kann, so berichtete das Propaganda­organ „Global Times“, durchaus ein halbes Jahr dauern. Dann jedoch sollte die Umsetzung

schnell über die Bühne gehen, denn durch ein Schlupfloc­h in der Hongkonger Verfassung kann Peking die normalerwe­ise benötigte Zustimmung des Legislativ­rats der Sonderverw­altungszon­e umgehen.

Für die Hongkonger Zivilgesel­lschaft würde dies einen gefährlich­en Präzedenzf­all schaffen. Die Kommunisti­sche Partei könnte künftig regelmäßig versuchen, Gesetze am Hongkonger Parlament vorbei zu schleusen. Durch eigene Sicherheit­skräfte vor Ort, die das nationale Sicherheit­sgesetz erlauben soll, entstünde zudem die Gefahr, dass verhaftete Aktivisten möglicherw­eise nach Festlandch­ina verschlepp­t würden.

All dies würde einen Bruch des chinesisch-britischen Übergabeve­rtrags bedeuten, den Margaret Thatcher und Deng Xiaoping am 19. Dezember 1984 unterzeich­net hatten. Dieser sieht vor, dass die einstige Kolonie bis zum Jahr 2047 weitreiche­nde Autonomie genießt und sich selbst regiert. mit Material von dpa

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FOTO: DPA Straßenkäm­pfe in Hongkong: Polizisten feuern Tränengas auf Demonstran­ten.

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