Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Gladbachs X-Faktor
Marcus Thuram ist der entscheidende Mann im Angriff der Borussen. Gegen Union braucht er erneut einen guten Tag.
MÖNCHENGLADBACH Zweimal in Folge hatten die Eckfahnen bei Spielen von Borussia Mönchengladbach Ruhe. Marcus Thuram, Stürmer des Tabellenvierten der Bundesliga, schwenkt diese nach jedem Sieg, selbst bei den Geisterspielen. In Frankfurt schnappte er sich die Eckfahne nach dem 3:1-Erfolg, gegen Leverkusen (1:3) und in Bremen (0:0) war ihm jedoch nicht zum Feiern zumute. Entsprechend blieb die Eckfahne an ihrem Platz und Thuram verschwand mit finsterer Miene in der Kabine.
Ob Gladbach erfolgreich ist oder nicht, hat sehr viel mit der Leistung des 22-jährigen Franzosen zu tun. Gegen Leverkusen war er eine Halbzeit lang unwirksam, entsprechend ungefährlich war das Team von Marco Rose. Der Trainer stellte dann um, Thuram rückte von der linken Außenbahn ins Sturmzentrum und viele Dinge änderten sich. Er macht das 1:1, hatte die Großchance zum 2:1. Sein Handeln reichte aber nicht für einen Punktgewinn. In Bremen lief es dann über die gesamte Spieldauer schlecht für ihn. Beide Partien haben gezeigt: Thuram ist der X-Faktor bei Borussia. Spielt er schlecht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es für Gladbach nicht gut läuft.
Acht Tore hat der Sohn des französischen Weltmeisters von 1998, Lilian Thuram, in dieser Bundesliga-Saison schon getroffen, acht weitere Treffer hat er vorbereitet. Thuram ist jetzt schon sicher einer der Top-Transfers in der Liga, mit neun Millionen Euro war er dazu vergleichsweise sogar ein Schnäppchen. Sportdirektor Max Eberl hat mit seinem Team ganze Arbeit geleistet, den richtigen Spieler für Borussia und Trainer Rose geholt.
Thuram hat Star-Potenzial. Er kann eigentlich alles, er ist schnell, hat Power, eine gute Technik, ist kopfballstark, hat einen strammen Schuss, weiß, wie sich ein Stürmer bewegen soll. Das einzige Problem ist: Er kann das nicht immer umsetzen. Noch fehlt es etwas an Konstanz bei ihm, auch wenn er im gesamten eine tolle Saison spielt.
Die meisten guten Spiele hat er als Linksaußen gemacht. Sein bester Spielzug ist, wenn er auf einen gegnerischen Verteidiger zuläuft, ihn ausspielt und dann selbst abschließt oder auflegt. Wenn Thuram Tempo aufnimmt, ist er nur selten zu stoppen. Als Mittelstürmer kann er das nicht so gut, doch auch da funktioniert er, weil er Bälle behaupten oder mit tiefen Pässen geschickt werden kann. „Marcus ist sehr jung, er ist lernwillig und hat sich sehr gut entwickelt. Er hat noch Leistungsschwankungen, aber er will sich zu einem kompletten Stürmer entwickeln“, sagt sein Trainer Marco Rose. „Er hat schon sehr gut im Zentrum gespielt, aber wir wissen, dass er mit seinen Dribblings über die Außen schon viele Tore geschossen und vorbereitet hat.“
Weil Thuram, der in dieser Saison schon in elf Pflichtspielen am Treffer
zum 1:0 beteiligt war (fünf Tore, sechs Vorlagen), so wichtig für Borussia ist, wird es für Rose nicht die Frage sein, ob der 1,92-Meter-Mann am Sonntag gegen Union Berlin (Anstoß um 15.30 Uhr) zur Startelf gehören wird, sondern in welcher Rolle er spielen wird. „Er hat das Potenzial, auf beiden Positionen gut zu spielen. Ich denke, wir sollten ihn auch weiter polyvalent entwickeln.“
Das bedeutet, dass Rose auch weiterhin immer nach den aktuellen Umständen entscheiden wird, ob Thuram über die Außen kommen wird oder im Zentrum spielt. In den vergangenen drei Halbzeiten war er der Mittelstürmer im 3-4-2-1-System, in den drei Teilabschnitten davor der Linksaußen im 4-2-3-1. In beiden Rollen hat er jeweils ein Tor geschossen und jeweils aber auch Aufs und Abs in seinem Spiel gehabt.
Rose betont: „Wenn wir unsere Art des Fußballs nicht zu 100 Prozent auf den Platz bringen, laufen wir gegen jeden Gegner Gefahr, Punkte zu verlieren.“Auch in Partien, in denen Gladbach der klare Favorit ist wie am Sonntag gegen Union. In solchen Partien setzten die Borussen meist auf das 4-2-3-1, das wird wohl auch am Sonntag so sein. Thuram würde dann einer von zwei Außenstürmern sein. So war es auch im Hinspiel, das die Berliner zu Hause mit 2:0 für sich entschieden. Da hatte Thuram wie zuletzt in Bremen einen seiner schwächeren Tage, was sich nicht nur im Ergebnis sondern auch in der Leistung der Offensive widerspiegelte. Thuram ist eben Gladbachs X-Faktor.