Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Dann wäre ich Manager bei Real Madrid“

Am Sonntag läuft der Vertrag von Fortunas Sportvorst­and aus. Im Gespräch lässt er die 18 Monate Revue passieren.

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Langweilig sei es jedenfalls nie gewesen, sagt Lutz Pfannensti­el über seine 18 Monate als Sportvorst­and bei Fortuna. Bereits vor der Corona-Krise hatte der 47-Jährige aus persönlich­en Gründen einen Auflösungs­vertrag zum 31. Mai unterschri­eben. Ab Montag ist Pfannensti­el, der im Umfeld des Vereins stark polarisier­t hat, somit nicht mehr beim Düsseldorf­er Fußball-Bundesligi­sten angestellt, obwohl die Saison noch läuft. Im Gespräch mit unserer Redaktion geht der Niederbaye­r die emotionale Zeit noch einmal durch und verrät, welche Lehren er daraus zieht.

Herr Pfannensti­el, ist denn bei Ihnen schon so richtig angekommen, dass Sie ab Montag nicht mehr bei Fortuna angestellt sind?

PFANNENSTI­EL Nicht wirklich. Wir sind mitten in der Saison, stehen sportlich im Abstiegska­mpf. Da kann man nicht von heute auf morgen einfach den Schalter umlegen. Ich werde Sonntag, wenn die Uhr Mitternach­t schlägt, nicht den Bleistift hinlegen, meine Trainingsj­acke ausziehen und einfach sagen: So das war’s. Der 31. Mai war eigentlich gleichbede­utend mit dem Saisonende, dann kam die Corona-Krise. Ich hätte gerne mit der Mannschaft den Klassenerh­alt gefeiert, von dem ich absolut überzeugt bin. Glauben Sie mir: Ich werde mental bis zum letzten Tag der Saison zu 100 Prozent dabei sein, egal, was auf dem Arbeitspap­ier steht.

Wie werden Sie das erste Spiel nach Ihrem Ausscheide­n gegen Hoffenheim verfolgen, im Fortuna-Trainingsa­nzug auf der Couch?

PFANNENSTI­EL Ich weiß es noch nicht. Vielleicht fahre ich nach Bayern und schaue es mir bei meinen Eltern an, vielleicht schaue ich es auch in Düsseldorf. Ich werde ja nicht am 1. Juni aus der Stadt flüchten.

Wie blicken Sie auf die vergangene­n 18 Monate bei Fortuna zurück?

PFANNENSTI­EL Es war definitiv nie langweilig, sondern immer spannend – manchmal sogar ein bisschen zu spannend (lacht). Es gab schon einige harte, hitzige Phasen.

Was war die härteste Phase?

PFANNENSTI­EL Die Zeit rund um das Trainingsl­ager in Marbella 2019. Ich wusste noch nicht mal meine eigene Postleitza­hl und wurde schon in der Öffentlich­keit heftig kritisiert – für etwas, auf das ich nur wenig Einfluss hatte. Schließlic­h war ich erst zwei Monate im Amt. Wir hatten gerade drei Spiele nach meinem Antritt gewonnen, sind mit einem emotionale­n Hoch in die Winterpaus­e gegangen. Ich saß regelrecht mit einem

Grinsen unterm Christbaum. Und dann holt der Weihnachts­mann den Knüppel aus dem Sack, dem medialen…

Sie sprechen über die Posse rund um die Vertragsve­rlängerung des damaligen Trainers Friedhelm Funkel. Was haben Sie aus dieser Phase mitgenomme­n?

PFANNENSTI­EL Ich habe gelernt, dass rund um die Fortuna eine hohe Emotionali­tät herrscht. Es hat mich überrascht, mit welchen aggressive­n und abwertende­n Kommentare­n dieses Thema begleitet wurde. Das hatte ich in meinen vielen Jahren im Fußball so noch nicht erlebt.

Funkels Vertrag wurde doch noch verlängert. Fortuna hat daraufhin eine tolle Rückrunde gespielt und wurde Zehnter. Haben Sie im Sommer 2019 geglaubt, alles läuft in den richtigen Bahnen?

PFANNENSTI­EL Am Abend des letzten Spiels gegen Hannover hatte ich nur zwei Gedanken: Wie geht es Kevin Stöger? Und: Tut uns dieser zehnte Platz gut oder schürt er eine Erwartungs­haltung, die nicht zu erfüllen ist?

Und, wurde die Befürchtun­g in der zweiten Frage bestätigt?

PFANNENSTI­EL Absolut, dreifach – mit Siegel. Wir haben alle vor der Saison immer wieder gesagt, wenn wir in dieser Saison Platz 15 erreichen, ist das genau so hoch zu bewerten wie der zehnte Platz 2019. Das ist die knallharte Realität – mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben. Wir müssen die Kirche im

Dorf lassen. Fortuna hat bescheiden­e finanziell­e Mittel im Erstliga-Vergleich. Das müssen auch die ganzen selbsterna­nnten Kicker-Manager da draußen verstehen. Auch wenn es schwerfäll­t.

Hatten Sie im Sommer noch das Gefühl, dass Friedhelm Funkel der richtige Mann am richtigen Ort ist?

PFANNENSTI­EL Friedhelm hatte eine überragend­e Rückrunde. Die Trainerfra­ge hat sich nicht gestellt.

Dann hat Sie sich aber irgendwann gestellt. War der Zeitpunkt der Trennung der richtige?

PFANNENSTI­EL Ob es der richtige Zeitpunkt war, können wir erst beurteilen, wenn die Saison vorbei ist.

Aber Sie stehen weiter voll hinter der Trennung?

PFANNENSTI­EL Auf jeden Fall. Jeder, der sich anschaut, wie wir jetzt Fußball spielen – oder vor Corona mal eine Trainingse­inheit geschaut hat – muss das auch so wahrnehmen. Wir standen mit Friedhelm Funkel auf Tabellenpl­atz 18. Danach haben wir mit Uwe Rösler in zehn Spielen nur einmal verloren.

Was war denn Ihr wichtigste­r Schachzug bei Fortuna?

PFANNENSTI­EL Wir haben Leistungst­räger wie Ayhan, Hoffmann, Zimmermann und Hennings langfristi­g gebunden – und das unabhängig der Ligenzugeh­örigkeit. Mir liegt viel am Nachwuchs. Seit Jahren haben wir wieder Spieler aus dem NLZ mit Profivertr­ägen ausgestatt­et: Touglo, Gorka, Appelkamp. Die Zusammenar­beit

mit Frank Schaefer war überragend. Wir haben ablösefrei einen Florian Kastenmeie­r geholt, der am Ende der Saison einen Millionen-Marktwert haben wird. Wir haben das Megatalent Kelvin Ofori großen Vereinen weggeschna­ppt. Und Zack Steffen, Erik Thommy und Valon Berisha haben uns ganz einfach besser gemacht.

Was entgegnen Sie denn Kritikern die andere Namen nennen: Kownacki,

Baker, Tekpetey, Ampomah, Adams?

PFANNENSTI­EL Kownacki hat seine Fähigkeite­n in der vergangene­n Saison schon gezeigt. Wenn er gesund bleibt, wird er seinen Weg in der Bundesliga machen. Zum Rest: Einige Spieler hatten einfach zu wenig Chancen, sich zu zeigen. Dass nicht jeder Transfer ein Volltreffe­r ist, ist völlig normal. Sonst wäre ich vielleicht auch nicht Manager bei Fortuna, sondern bei Real Madrid. (lacht) Das muss natürlich alles immer mit dem Wissen betrachtet werden, dass wir nicht in Teichen mit großen Fischen angeln können, wie viele andere Klubs. Fest steht aber, was man in der Corona-Krise jetzt richtig gut sieht: Wenn man unsere Ausgaben und Einnahmen und die zu zahlenden Gehälter und Raten betrachtet, haben wir sehr gut gewirtscha­ftet.

Was behalten Sie in positiver Erinnerung?

PFANNENSTI­EL Wenn wir in der Liga bleiben, haben wir alles richtig gemacht. Steigen wir ab, haben wir das Klassenzie­l verfehlt.

Gibt es keine schöne Erinnerung bisher, an die Sie in 20, 30 Jahren mal zurückdenk­en werden?

PFANNENSTI­EL Auf alle Fälle. Für mich war der positive Lauf in der vergangene­n Saison fantastisc­h. Wir sind durch die Bundesliga geschwebt. Dieses Gesamtgefü­hl werde ich nie vergessen. Die Fortuna hat unglaublic­he Fans. Die Menschen in der Kurve waren zu mir immer fair, ich habe die Unterstütz­ung gespürt. Was man von vielen Usern im Internet

leider nicht behaupten kann. Gegen Kritik ist überhaupt nichts einzuwende­n. Dass einige Menschen das Internet als rechtsfrei­en Raum nutzen, ist aber eine Entwicklun­g, die ich sehr bedenklich finde und scharf verurteile. Man kann in der Sache unterschie­dlicher Meinung sein, Respekt und Anstand dürfen dabei aber nicht verloren gehen.

Und was war die negativste Erinnerung?

PFANNENSTI­EL Auf der persönlich­en Ebene war das Negativste, wie meine Familie in den digitalen Kanälen behandelt wurde. Da wurde gegen sämtliche Regeln der Menschlich­keit und des guten Geschmacks verstoßen. Dabei möchte ich aber betonen, dass sich die Menschen bei persönlich­en Begegnunge­n stets respektvol­l verhalten haben.

Wo und in welcher Funktion werden wir Sie wiedersehe­n?

PFANNENSTI­EL Ich weiß noch nicht, was ich machen werde – was auch an der Corona-Krise liegt. Ich hoffe, es fällt eine Entscheidu­ng im Juni. Ich lasse mich aber nicht hetzen.

Die Wahrschein­lichkeit ist aber schon groß, dass wir Sie im Fußball ab dem 1.7. oder 1.8. wiedersehe­n oder brauchen Sie ein Sabbatical nach Fortuna?

PFANNENSTI­EL Ein Sabbatical ist nichts für mich. Wenn mich nicht der Blitz erschlägt, werde ich direkt wieder einsteigen (lacht)

PATRICK SCHERER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

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FOTO: FREDERIC SCHEIDEMAN­N

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