Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Neue Namen für elf Straßen
Die schwarz-grüne Ratsmehrheit folgt der Empfehlung des wissenschaftlichen Beirates, Straßen umzubenennen, die Namen von Kolonialisten oder Nazi-Sympathisanten tragen. Der Münchhausenweg soll aber bleiben.
DÜSSELDORF Der Kulturausschuss hatte 2018 die Mahn- und Gedenkstätte und das Stadtarchiv beauftragt, mit einem wissenschaftlichen Beirat die 99 der 645 Straßen- und Platzbenennungen zu untersuchen, deren Namensgeber nach 1870 gestorben sind und in die oben genannten Kategorien passen könnten. Zu 79 Straßennamen wurden Gutachten verfasst. Vorausgegangen war eine Diskussion über Straßennamen, die Menschen ehren, die heute niemand mehr geehrt sehen möchte: Männer, die in den früheren deutschen Kolonien schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben oder die ihren Hass gegen Juden deutlich äußerten. Einige Kommunen haben in den vergangenen Jahren solche Straßen bereits umbenannt.
Im Januar 2020 präsentierte die Kommission ihren Abschlussbericht. Bei 36 Straßennamen wird dem Statdrat empfohlen, aktiv zu werden, darunter die vorgeschlagenen zwölf Umbenennungen. Bei weiteren 24 Straßen, deren Namensgeber diskussionswürdig sind, sollten Zusatzschilder angebracht werden, die aufzeigen, dass die Person auch kritisch gesehen wird.
Warum der Münchhausenweg bleiben darf? „Viele denken beim Münchhausenweg an den Baron von Münchhausen, den so genannten Lügen-Baron, und nicht an seinen antisemitischen Nachfahren. Deswegen würden wir hier eine Umwidmung vorschlagen“, erläutert Norbert Czerwinski, Fraktionssprecher
der Grünen im Stadtrat. Wie schnell Schwarz-Grün eine Umwidmung in Angriff nimmt, hängt auch vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie ab.
CDU-Ratsherr Andreas Hartnigk ist mit Urdenbach für den Wahlbezirk zuständig, in dem vier umzubenennende Straßen liegen. Alleine dort lebten bis zu 700 Menschen, sagt er. 1937 hatten die Nationalsozialisten in einer Siedlung nahe der Koblenzer Straße mehrere Straßen nach Männern benannt, die in den deutschen Kolonialgebieten teilweise schreckliche Verbrechen begingen. „Die Menschen haben gerade andere Sorgen als die Umbennung von Straßen“, fordert Andreas Hartnigk von Politik und Verwaltung ein der Pandemie angemessenes Handeln ein. Denn die Umbenennung einer Straße hat auch finanzielle Auswirkungen für die Menschen. Ausweispapiere müssen erneuert, Verträge umgeschrieben werden, Behörden, Energiedienstleister, Freunde über die neue Anschrift informiert werden, auch Grundbucheinträge sind betroffen. „Wegen Corona ist es ja derzeit schwierig, einen Termin im Bürgerbüro zu bekommen.“Hartnigk geht davon aus, dass Oberbürgermeister Stephan Keller die Zusage seines Vorgängers Thomas Geisel einhält, dass den Betroffenen keine Kosten entstehen.
Auch wenn Norbert Czerwinski noch keinen Zeitplan nennen kann, würde er sich wünschen, dass Verwaltung und Stadtrat das Thema noch dieses Jahr angehen. Das hofft auch Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte. Mit Benedikt Mauer vom Stadtarchiv leitete er die siebenköpfige Arbeitsgruppe. „Als wir Ende Januar 2020 den Bericht vorgelegt hatten, dachten wir, dass sich der Stadtrat damit noch im gleichen Jahr befasst.“Doch dann kam Corona und mit der Pandemie stark verkürzte Ratssitzungen, die sich mit den vordringlichsten Themen beschäftigten, und im September die Kommunalwahl mit einem neuen OB und einer neuen Ratsmehrheit. Fleermann verweist darauf, dass die Kommission nur Vorschläge unterbreitet habe, jetzt sei der Rat gefragt.
Doch mit der Umbenennung der Straßennamen aus der Kategorie A ist es nach Ansicht von Fleermann nicht getan: „Als Nächstes wird sich die Politik darüber Gedanken machen müssen, was sie mit den 24 Namen der Kategorie B machen will.“Bei denen lautet die Empfehlung des Beirates: kann man umbenennen, muss man aber nicht. Für wichtig hält es Fleermann zudem, dass der Stadtrat einen im Gutachten gemachten Textvorschlag diskutiert, der in die Präambel der Hauptsatzung einfließen könnte. In diesem sollte festgelegt sein, nach welchen Kriterien in Düsseldorf künftig Straßennamen nach Menschen benannt werden. Die gibt es bislang nicht. So sind Frauen stark unterrepräsentiert. Die Stadt weist daraufhin, dass die Politik eine Steuerung zur Straßenbenennung nach Frauen vornehmen könnte. Eine Quotierung könnte eine Maßnahme sein, sich dem Thema der paritätischen Straßenbenennung zu nähern.
Sowohl für die CDU als auch für die Grünen ist klar, dass sie die Bürger in den Prozess einbeziehen wollen. Allerdings, so stellt Czerwinski klar, hätten diese kein Veto-Recht. Er kann sich Informationsabende vorstellen. Auch das geht ja derzeit nicht in persönlicher Form. Aber, so der Grünen-Fraktionssprecher, die Zeit dränge ja nicht. Allerdings prescht jetzt die Fraktion von SPD/ Volt mit einem Antrag für die Ratssitzung am Donnerstag vor. Sie fordert, alle zwölf Straßen aus der Kategorie A umzubenennen, die Stadt solle die Kosten übernehmen.
In ihrer Kooperationsvereinbarung stößt die schwarz-grüne Ratsmehrheit in dem Zusammenhang ein weiteres Thema an: „Wir wollen die freien Mittel aus der Haushaltsstelle für die ehemalige Stiftungsprofessur Gartenbaukunst umwidmen und regen in Abstimmung mit der Heinrich-Heine-Universität eine dortige Projektstelle Kolonialismus in Düsseldorf an.“Dieses, so Norbert Czerwinski, sei für die Grünen in den Kooperationsverhandlungen mit der CDU ein wichtiges Thema gewesen. Ob das so umgesetzt werden könne, müsse aber erst noch mit der Heinrich-Heine-Uni besprochen werden, so der Grünen-Ratsherr.