Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Das Uefa-Diktat ist unverantwortlich
Der Verband verlangt von den Ausrichter-Städten der EM eine Garantie, dass Zuschauer ins Stadion dürfen. Und das in einer Zeit, da wegen der Pandemie über Ausgangssperren verhandelt wird.
Ein großer deutscher Discounter legt neuerdings zum Einkauf ein Tütchen mit Sammelbildern zur Fußball-Europameisterschaft bei.
Man erfährt dabei wichtige Dinge – zum Beispiel, dass der Franzose Antoine Griezmann 1991 geboren wurde, 1,76 Meter groß und 73 Kilo schwer ist. Demgegenüber ist der Österreicher Stefan Posch (geboren 1997) 1,88 groß und 82 Kilo schwer.
Das ist schon mal allerhand. Noch bedeutender aber ist, dass sich jeder Einkäufer nun daran erinnern darf, dass in knapp zwei Monaten die im Vorjahr wegen der Pandemie verschobene EM stattfindet. In zwölf Städten auf dem Kontinent, weil die Uefa auf diese Art feiern will, dass dieses Turnier schon seit 1960 ausgetragen wird.
Das kleine Tütchen mit den Sammelbildern erinnert auch daran, dass die Uefa finanzstarke Sponsoren hat, die dafür zahlen, beim und mit dem Turnier zu werben. Der große deutsche Discounter ist einer von ihnen.
Diese Sponsoren finden es natürlich besser, wenn die EM vor großem Publikum in den Stadien ausgetragen wird, damit möglichst viele Menschen bei einer bunten Party ganz nebenbei auch mit den Namen der Geldgeber berieselt werden.
Die Uefa will das selbstverständlich ebenfalls. Und hier liegt nun das Problem. Die Pandemie hat sich nämlich immer noch nicht verdrängen lassen, obwohl der europäische Fußballverband das eigentlich so vorgesehen hatte. In vielen Ländern steigen die Ansteckungszahlen und – schlimmer – die Zahlen jener, die auf die Intensivstationen müssen.
Während in Deutschland die Politik die ersten nächtlichen Ausgangssperren verhängt, ist der Uefa eher nach Diktat. Sie verlangt bis Montag von allen vorgesehenen Austragungsorten eine Garantie, dass Zuschauer im Stadion sein dürfen.
Acht Städte haben ihre Garantie bereits artig abgeliefert. München, das vier Spiele austragen soll (unter anderem alle deutschen Gruppenspiele), gehört neben Bilbao, Rom und Dublin zu denen, die noch zögern. Aber nicht nur die Uefa macht ihnen Druck. Auch der DFB lässt sich nicht lange bitten. Sein Vizepräsident Rainer Koch erklärt: „Es ist schwer, international zu vermitteln, auf Spiele in München zu bestehen und gleichzeitig jetzt schon zu sagen, dass Zuschauer
nicht zugelassen werden, wenn anderswo in Europa sich Länder anbieten für weitere Spiele mit Zuschauern.“Präsident Fritz Keller verlangt forsch „von der bayerischen Politik eine Zusage, dass mit Zuschauern gespielt werden kann, wenn es die Inzidenzlage erlaubt“. Der Geschäftsführer der DFB-Euro-GmbH, Philipp Lahm, ist ein bisschen vorsichtiger. Er spricht von „mehreren Szenarien. Ich glaube, 100 Prozent Auslastung wird nicht möglich sein, deswegen planen wir mit 0 bis 50 Prozent Zuschauern“.
Andere sind da nicht so behutsam. Budapest bietet ein ausverkauftes Stadion mit 68.000 Plätzen. Die berüchtigte Siebentage-Inzidenz lag dort diese Woche bei 366.
Die Uefa hält Spiele unter solchen Umständen immer noch für verantwortbar. Sie verstärkt deshalb den Druck auf die zögernden Städte. Wahrscheinlich haben die Sponsoren auf der anderen Seite ebenfalls ordentlich mit dem Säbel gerasselt. Und damit der Rubel rollt, wird mit der Gesundheit gespielt. Das ist mal weitgedachter Kapitalismus.