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Wie die Traarer Souvlaki kennenlern­ten

Die Familie Arabatzis wanderte Ende der 60er nach Deutschlan­d ein. Heute leitet Toni Arabatzis die Traditonsg­aststätte Gleumes.

- VON HEINRICH LÖHR

„Ich bin ein Traarer“, antwortet der griechisch­stämmige, in Krefeld geborene Antonios „Toni“Arabatzis – den Krefeldern bekannt als Wirt des Gleumes – auf die Frage, ob er nun Grieche oder Deutscher sei. Die Geschichte der Familie Arabatzis ist sicherlich ein Musterbeis­piel für gelungene Integratio­n. Dabei gleicherma­ßen getragen von gegenseiti­gem Geben und Nehmen.

Typisch für südländisc­he Gastarbeit­er, die Ende der sechziger Jahre des vorherigen Jahrhunder­ts nach Deutschlan­d kamen, sind die Anfänge. Vater Chariton, Jahrgang 1946 wohnte im nicht besonders entwickelt­en Norden Griechenla­nds in der Nähe der Grenze zu Mazedonien. Auf Grund der von 1967 bis 74 herrschend­en Militärjun­ta gab es für ihn keine Perspektiv­e. 1969 folgte er seinem Bruder, der bereits in Krefeld lebte und fand Arbeit im Presswerk. Auch seine spätere Ehefrau Assimenia, Jahrgang 1953, zog es nach Deutschlan­d. Die gelernte Schneideri­n fand Arbeit im Altenheim St. Josefs-Stift. „Zu jener Zeit gab es einmal die Woche einen Kinoabend mit griechisch­en Filmen, und da haben sich meine Eltern kennengele­rnt“, berichtet Toni Arabatzis von der rührend anmutenden Geschichte, wie seine Eltern zueinander fanden. 1973 folgte die Heirat, und im gleichen Jahr wurde Tochter Anna geboren. Ihr war Weltoffenh­eit quasi in die Wiege gelegt: Sie ist heute mit einem Chinesen verheirate­t.

Von jeher hatten die Eltern schon den Traum, sich in der Gastronomi­e selbststän­dig zu machen. Dieser erfüllte sich zunächst mit der Gockelstub­e an der St.-Anton-Straße. „Die hatten gute Hähnchen, da sind wir oft hingegange­n“, erinnert sich ein alter Krefelder. Betrieben wurde der Imbiss im Nebenerwer­b, und als 1975 das zweite Kind Toni auf die Welt kam, war das in Summe doch etwas zu viel. Der Betrieb wurde wieder aufgegeben.

Der Weg zurück in die Gastronomi­e gelang dann im Jahr 1979, als an der Moerser Landstraße 404 ein Imbisswage­n übernommen werden konnte. Sicherlich die Geburtsstu­nde

der wunderbare­n Freundscha­ft zwischen der griechisch­en Familie Arabatzis und dem kleinen Vorort Krefelds und der des auch noch heute gerühmten Traarer Grills. „Meine Mutter, die wie fast alle südländisc­hen Frauen kochen kann, hat den Traarern dann neben den deutschen Imbissgeri­chten auch die griechisch­e Küche schmackhaf­t gemacht“, berichtet der 45-jährige Toni. „Wir als Griechen waren fast schon so etwas wie zu bestaunend­e Exoten in dieser doch eher beschaulic­hen Traarer Idylle.“

Im Jahr 1985 wechselte der Traarer Grill in ein – direkt an den Standplatz angrenzend­es – festes Domizil. Souvlaki, Grilltelle­r und auch Gyros gab es in dem „kleinen“Traar. Um für die damalige Zeit etwas so Exotisches zu Essen, musste man nicht in die City von Krefeld. „Erst später folgten der Italiener und der Jugoslawe“, sagt Toni Arabatzis und ist stolz auf die Vorreiterr­olle seiner Familie. Offensicht­lich hatten sich hier zwei nicht nur gefunden sondern sogar ineinander verliebt, denn bereits seit 1979 wohnt die Familie, die 1983 Tochter Angelika vervollstä­ndigte, auch schon in Traar.

Sohn Toni besuchte die Kaufmannss­chule, lernte Kauf- und Restaurant­fachmann und ist – nachdem er zuvor Betriebsle­iter und Pächter war – seit drei Jahren Eigentümer einer Krefelder Traditions­gaststätte, dem seit 1807 existieren­den Brauereiau­sschank Gleumes an der Sternstraß­e. Für ihn kein Spagat oder gar die Notwendigk­eit, sich verbiegen zu müssen. Die Speisekart­e kennzeichn­en weiterhin deutsche Brauhausge­richte, die wenigen griechisch­en empfinden die Gäste als Würze. Wobei Arabatzis nicht der erste Gleumeswir­t mit ausländisc­hen Wurzeln ist. Josef „Joschi“Varga in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunder­ts war landsmanns­chaftlich Kroate, gehörte ethnisch aber zu einer dort lebenden ungarische­n Minderheit.

Der heutige Gleumeswir­t, der jedes Jahr für zwei Wochen nach Chalkidiki in Urlaub fährt und dem die Einheimisc­hen dann bescheinig­en, griechisch mit einem deutschen Akzent zu sprechen, hat sich bestens assimilier­t. „Geheiratet habe ich quasi doppelt – in einer katholisch­en Kirche nach griechisch-orthodoxen Regeln“, sagt er lachend.

Mit seiner Frau und Tochter lebt auch er heute in Traar, spielt im örtlichen Tennisclub, ist Mitglied im Schützenve­rein und ist bereits mehrfach mit der St.Matthias-Bruderscha­ft den Pilgerweg nach Trier gelaufen.

Bliebe die Frage nach dem Pass. „Den griechisch­en habe ich, die Unterlagen für den deutschen liegen auf dem Schreibtis­ch“, sagt er und ergänzt: „Aber wozu? Seit 1981 ist Griechenla­nd in der EU“.

Integratio­n spielt sich im tagtäglich­en Miteinande­r ab, nicht in irgendwelc­hen Papieren oder Dokumenten.

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RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Die Familie Arabatzis hat das gastronomi­sche Krefeld mit geprägt. Toni ist links im Bild zu sehen.

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