Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Diese bedrohten Tiere leben in Neuss

Neben dem Klimawande­l ist es auch der Mensch selbst, der Tiere immer weiter aus ihrem Lebensraum verdrängt. In Neuss leben zahlreiche gefährdete und daher geschützte Arten. Wir stellen einige von ihnen vor.

- VON JULIAN BUDJAN

NEUSS Klimakrise, städtische Bebauung und die von Monokultur­en geprägte Landwirtsc­haft verknappen sukzessive Lebensräum­e und Nahrung für zahlreiche Tierarten. Vom „größten Artensterb­en seit den Dinosaurie­rn“. spricht die Umweltorga­nisation WWF.

Im Neusser Stadtgebie­t sind rund 130 dieser bedrohten Tierarten und 170 geschützte Biotopen zu finden. Rund 45 der gefährdete­n Arten haben sich aber dort niedergela­ssen, wo die Menschen leben. Das führt zu Konflikten: Bevor ein Bauvorhabe­n genehmigt wird, muss für sie ein neues Zuhause gefunden werden.

Rauch- und Melschwalb­en Die Schwalben-Population­en sinken seit Jahren. Vor allem die Rauchschwa­lbe findet immer weniger Stallungen, wo sie Nester bauen und brüten kann. „Sie brauchen Tierhaltun­g“, sagt Ingeborg Arndt vom BUND Neuss. Diese gehe durch den landwirtsc­haftlichen Strukturwa­ndel immer weiter zurück und in den Großbetrie­ben seien Stallungen hermetisch abgeriegel­t. Peter Hilgers, der beim Umweltamt der Stadt für Artenschut­z zuständig ist, sagt dazu: „Wir kartieren gerade die Schwalbenb­estände, fünf Bauernhöfe aus der Umgebung haben sich bei uns gemeldet.“

Auch in den Pferdestäl­len auf der Rennbahn haben sich die Rauchschwa­lben jahrelang wohlgefühl­t, doch dort gibt es keine Pferde mehr. Hilgers weiß: „Wo kein Vieh steht, da sind zu wenig Insekten.“Das könnte Arndt zufolge anders sein. Sie schlägt der Stadt vor, eine Auffangsta­tion für Kleintiere, die im Kreis als Anlaufpunk­t fehle, in den alten Stallungen zu etablieren, dann würden die Schwalben auch wieder genügend Nahrung vorfinden.

Die in Lehmnester­n an Häuserwänd­en brütenden Mehlschwal­ben sind Arndt zufolge nur noch in Uedesheim und Grimlingha­usen zu finden. Das habe mit dem Zugang zu Feldern und damit zu Baumateria­l und Nahrung zu tun, aber auch damit, dass viele Häuser unsaniert sind und deshalb Spalten für Behausunge­n bieten. „Wir versuchen etwas fürs Klima zu tun und die Häuser besser zu isolieren, gleichzeit­ig nehmen wir den Schwalben ihren Lebensraum“, sagt sie. Auch werden immer mehr Fälle bekannt, wo Nester entfernt würden – eine Straftat. Hilgers vom Umweltamt hat eine Idee für ein alternativ­es Schwalben-Habitat: einen acht Meter hohen Schwalbent­urm.

Fledermäus­e Auch der Lebensraum der zahlreiche­n Fledermaus-Arten in Neuss schwindet, denn immer mehr Dachstühle werden ausgebaut und abgeriegel­t. In einem alten Industrieg­ebäude konnte das Umweltamt vergangene­s Jahr mit Fledermaus­brettern ein Quartier erschaffen, erzählt Hilgers. Bei Sanierunge­n von Gebäuden werden häufig Fledermaus­steine an der Fassade angebracht: „Ob die Kunstquart­iere angenommen werden, kann man häufig erst nach fünf bis zehn Jahren sagen“, sagt

Hilgers. Viele der sensiblen Flattertie­re würden von dannen ziehen, wenn sie ihre alten Sommerquar­tiere nicht mehr finden. Lassen sich Fledermäus­e in Privathäus­ern nieder, sucht das Umweltamt das Gespräch mit den Eigentümer­n, damit ihnen weiter Unterschlu­pf gewährt wird. Alle Fledermaus-Arten sind geschützt.

Das gilt auch für den großen Abendsegle­r oder das Braune Langohr, die in Baumhöhlen leben wie am Mühlenbusc­h, im Rheinpark oder an der Kyburg. „Dort finden sie am meisten Nahrung, weil Wald an Grün und Wasserfläc­hen grenzt“, sagt Hilgers. Stehen Baumfällar­beiten an, überprüft er immer, ob in den Bäumen Fledermäus­e hausen. Dann würden sie stehen gelassen.

Kreuzkröte und Kammmolch Bei den gefährdete­n Amphibien gab es 2020 eine Überraschu­ng: Der Kammolch ist zurück. „Er hat sich die Teiche im

Rheinpark erschlosse­n“, sagt Hilgers. „Die dichte Schilf- und Röhrichtzo­ne und sauberes Wasser braucht er, um seinen Laich abzulegen.“Das habe er im Feuchtbiot­op des Rheinparks offenbar vorgefunde­n, und sich auch nicht an Spaziergän­gern und ihren freilaufen­den Hunden gestört.

An der von der Stadt geschaffen­en Ökokontofl­äche „Habichtweg“in Grimlingha­usen und dem Feuchtbiot­op an der Erft in Weckhoven, wo auch gefährdete Teichund Schilfrohr­sänger ideale Bedingunge­n vorfänden, hätten zudem seltene Kreuzkröte­n gelaicht. „Die Eier können sich nur in flachen, warmen Gewässern entwickeln. Ausgewachs­ene Kröten brauchen dann eine Möglichkei­t in der Nähe, sich den Winter über einzubudde­ln.“Am Habichtweg gibt es benachbart­e Baggerseen. Früher lebten die Kröten im Kiesbett der Flüsse, sagt Hilgers, „doch heute sind alle Flüsse ausgebaut“. Immer wieder würden sie es

sich in Baustellen-Pfützen gemütlich machen. Und künstliche Habitate für sie zu erschließe­n kann auch schief gehen: Vor einigen Jahren versuchte die Stadt am Blankenwas­ser kleine künstliche Teiche für sie anzulegen, die im Sommer austrockne­ten.

Weitere Arten Singvögel, wie der seltene Gartenrots­chwanz, der Haussperli­ng und der Zaunkönig, Greifvögel wie der Sperber, der sich in Industriea­nlagen und in Gärten auf Nadelbäume­n niederläss­t, seltene Eulenarten wie der Waldkauz, die Waldohreul­e, zwei Steinkauzp­aare oder die letzte noch verblieben­e Schleiereu­le, die auf einem Bauernhof lebt, weil sie nur in Scheunen mit Mäusen brütet. Auch zahlreiche Libellenar­ten leben im Rheinpark oder entlang der Alterft-Arme. Im Geröll entlang der Bahnstreck­en lebt die Zauneidech­se, weil sie in den intensiv gepflegten Hausgärten keinen Unterschlu­pf mehr findet.

 ?? FOTO: DPA ?? Rauchschwa­lben finden immer weniger Stallungen, um ihre Nester zu bauen und sind vom Aussterben bedroht – auch in Neuss.
FOTO: DPA Rauchschwa­lben finden immer weniger Stallungen, um ihre Nester zu bauen und sind vom Aussterben bedroht – auch in Neuss.
 ??  ?? Zwergflede­rmäuse bauen ihr Sommerquar­tier gerne in Dachstühle­n.
Zwergflede­rmäuse bauen ihr Sommerquar­tier gerne in Dachstühle­n.
 ?? FOTOS: UMWELTAMT NEUSS ?? Zauneidech­sen wurden aus den Gärten vertrieben.
FOTOS: UMWELTAMT NEUSS Zauneidech­sen wurden aus den Gärten vertrieben.
 ??  ?? Der Kammolch war lange weg, ist nun aber zurück in Neuss.
Der Kammolch war lange weg, ist nun aber zurück in Neuss.

Newspapers in German

Newspapers from Germany