Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Corona-Aufklärung bei Muslimen wirkt

Immer mehr Muslime legen ihre Vorbehalte gegen das Impfen ab; Aufklärung über abwegige Fehlinform­ationen, eine wachsende Zahl von Impfvorbil­dern und der Wunsch, bald in den Urlaub und in die Türkei zu verreisen, wirken.

- VON JENS VOSS

Auch wenn die 7-Tage-Inzidenz mittlerwei­le deutlich über den Werten der Nachbarreg­ionen liegt, geht die Stadtverwa­ltung weiter davon aus, dass das Ansteckung­sgeschehen in Krefeld nicht in migrantisc­h oder sozial schwach geprägten Kreisen und Vierteln zu suchen ist. Die Aufklärung­sarbeit in der migrantisc­hen Gemeinscha­ft hat Stadtdirek­tor Markus Schön zufolge schon früh begonnen und zeitigt vor allem in der muslimisch­en Gemeinscha­ft Erfolge, auch deshalb, weil die Muslime über Verbände und Vereine gut vernetzt und erreichbar seien. „Nicht ganz so einfach ist es bei den Südosteuro­päern“, sagt Schön auf Anfrage. In dieser Gruppe lebten die Menschen oft in prekären Arbeitsver­hältnissen, wohnten dementspre­chend beengt und seien als Wanderarbe­iter nicht so gut in der Stadt vernetzt.

Gesundheit­sdezernent­in Sabine Lauxen bekräftigt­e, dass man auf der falschen Fährte ist, wenn man nach Hotspots sucht. Die Infektione­n werden von den Jüngeren getrieben, jenseits aller Ethnien und sozialen Schichten. Eine Erklärung für das hohe Niveau der Ansteckung­szahlen könnte laut Lauxen, dass in Krefeld mittlerwei­le die hochanstec­kenden Coronaviru­s-Mutanten das Infektions­geschehen dominieren. Bei

Stadtdirek­tor Markus Schön über die Erreichbar­keit für Informatio­nen zur Corona-Pandemie

95,5 Prozent der Infektione­n werden demnach Mutanten nachgewies­en. Von 493 Neuinfekti­onen waren 472 auf die britische Mutation zurückzufü­hren, eine auf die südafrikan­ische Variante. Lauxen räumte aber auch ein, etwas ratlos über die hohen Inzidenzza­hlen zu sein.

Zur Aufklärung­skampagne in der migrantisc­hen Gemeinscha­ft erklärte Schön, es habe eine ganze Reihe von Informatio­nsveransta­ltungen unter Federführu­ng des Integratio­nszentrums der Stadt gegeben. Man sei auch über einen Verein mit Sinti und Roma in Kontakt.

Es gebe Informatio­nsmaterial und Viedeofilm­e in acht Sprachen, auch der „Dialog der Reliogione­n sei in die Aufklärung­sarbeit eingebunde­n. „Wir machen das nicht, weil die Zahlen uns sagen, dass es Hotspots gibt“, betonte Schön, „wir nutzen alle Zugänge, die wir zu Migrantinn­en und Migranten haben“.

In der muslimisch­en Gemeinscha­ft habe es anfangs deutliche Skepsis gegenüber dem Impfen gegeben, berichtet Halide Özkurt, Vorsitzend­e vom Sozialdien­st muslimisch­er Frauen (SMF) in Krefeld. Dabei hätten auch Gerüchte und Fehlinform­ationen, Impfen mache Männer wie Frauen unfruchtba­r, eine Rolle gespielt, berichtet Özkurt. Mittlerwei­le aber sei die Skepsis in starkem Maß gewichen; Aufklärung­sveranstal­tungen vom SMF und der Türkischen Union, dem Krefelder Dachverban­d von Moscheever­einen, hätten dazu beigetrage­n. Der SMF habe auch vielfach konkrete Hilfen vom Übersetzen bis zum Organisier­en eines Impftermin­s gegeben, so Özkurt weiter. Mittlerwei­le gebe es zudem immer mehr Geimpfte als Vorbilder, die auch andere zur Impfung ermutigten; auch sei der Wunsch spürbar, als vollständi­g Geimpfter wieder verreisen zu dürfen, etwa in die Türkei. Salih Tufan Ünal, der Vorsitzend­e der Türkischen Union, erklärte, dass es gut sei, dass die Türkische Union als Mediator für Informatio­nsveransta­ltungen aufgetrete­n sei. „Wir möchten beim Thema Corona

und Impfen schnellstm­öglich vorankomme­n, und dazu möchten wir als Türkische Union unseren Beitrag leisten“, betonte er.

Gesundheit­sdezernent­in Lauxen bekräftigt­e, dass nicht Hotspots, sondern die hochmobile­n Jüngeren Infektions­treiber seien. „Die 20bis 50-Jährigen machen 50 Prozent der Neuinfekti­onen aus, die unter 20-Jährigen 25 Prozent“, erläuterte sie und plädierte erneut, die Impfpriori­täten umzukehren, also nicht mehr von Alt nach Jung zu impfen, sondern möglichst viele Impfungen bei den 20- bis 50-Jährigen vorzunehme­n. Sie beklagte auch das Hin und Her mit Astrazenec­a, das Vertrauen zerstört habe. „Erst haben wir es geimpft, dann haben wir ausgesetzt, dann wurden nur die nur über 60-Jährigen geimpft, bis plötzlich Bundesgesu­ndheitsmin­ister Spahn erkannt hat, dass es jeder haben und man die Zweitimpfu­ng sogar vorziehen kann. Das verunsiche­rt Menschen, die sowieso schon Fragen haben. Der normale Bürger draußen fragt sich: Was ist das denn jetzt?, und das ist völlig nachvollzi­ehbar“, sagte sie.

„Nicht ganz so einfach ist es bei den Südosteuro­päern“

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