Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der stille Abschied der Lieblinge

Es sind Momente für die Ewigkeit: Altgedient­e Stars und Favoriten der Fans treten im Saisonfina­le ein allerletzt­es Mal vor ihre Kurve und lassen sich feiern. Doch der große Bahnhof fällt diesmal für viele Profis aus.

- VON STEFAN DÖRING

DÜSSELDORF Es war ein frommer Wunsch, den Karl-Heinz Rummenigge am vergangene­n Wochenende äußerte. „Ich hoffe und wünsche mir, dass wir vielleicht beim letzten Spiel sogar vor einigen Zuschauern hier spielen dürfen“, sagte der Vorstandsv­orsitzende des FC Bayern im ZDF-Sportstudi­o, nachdem seine Mannschaft den Meistertit­el ohne Fans feiern musste. „Uns fehlen die Fans“, ist der wohl inzwischen am häufigsten zitierte Satz aller Spieler und Verantwort­lichen.

Besonders fehlen werden die Anhänger an diesen letzten beiden Bundesliga-Spieltagen denen, die nun ihre Fußball-Schuhe endgültig an den Nagel hängen werden oder nach vielen, vielen Jahren Emotionen und Leidenscha­ft für ihre Klubs noch einmal woanders auflaufen wollen. Denn die Abschiedsm­omente sind selbst im hochsteril­en profession­ellen Fußball noch immer etwas Besonderes. Auch wenn es nun im zweiten Jahr in Folge eben alles etwas anders ausfallen wird.

Die Bender-Zwillinge Sven und Lars bei Bayer Leverkusen, Oscar Wendt bei Borussia Mönchengla­dbach, Marcel Schmelzer und Lukasz Piszczek bei Borussia Dortmund, Jerome Boateng und David Alaba beim FC Bayern – ihnen allen bleibt der große Bahnhof, den sie sich verdient hätten, aufgrund der Coronaviru­s-Pandemie verwehrt.

„Für uns war und ist die Bindung zu den Fans im Stadion in jedem Spiel von großer Bedeutung“, sagte Lars Bender kürzlich. „Im Endeffekt haben wir uns ja 15 Jahre lang bei jedem Spiel vorgestell­t und nach dem Spiel wieder verabschie­det. All die gemeinsame­n Erlebnisse werden auf ewig hängenblei­ben.“Doch dieser eine Moment, in dem der Spieler sich vor die Fan-Kurve stellt, von einem Vereinsver­antwortlic­hen einen Strauß Blumen und ein Geschenk (in der Regel Bilder der Karriere) überreicht bekommt, anschließe­nd mit Tränen in den Augen auf die Zuschauerr­änge guckt und sich ein letztes Mal für Blut, Schweiß und Tränen feiern lässt, er wird eben nicht hängen bleiben. Weil es ihn nicht geben wird. Diese verflixte Pandemie.

Lars Bender, der aufgrund einer Verletzung übrigens nicht mal mehr im Trikot auf dem Platz stehen wird, ist sich dennoch sicher: „Es werden emotionale Momente kommen, das ist ganz klar.“Als Fußballer verbinde man schließlic­h auch andere Dinge mit einem Klub. Es seien Freundscha­ften entstanden, man habe Erfolge zusammen gefeiert und Niederlage­n zusammen verarbeite­t. Wehmut käme deshalb sicherlich auf. Doch sein Bruder Sven, der bis auf acht Jahre bei Borussia Dortmund im Leben stets das gleiche Trikot wie Lars trug, sagte unumwunden: „Wir hätten es gerne anders gehabt.“

Zumal es für ihn wohl gleich doppelt emotional geworden wäre: Am 33. Spieltag hätte er seinen Heimabschi­ed in Leverkusen bekommen, eine Woche später den Auswärtsab­schied bei Borussia Dortmund, wo er unter Jürgen Klopp die erfolgreic­hsten Jahre mitmachte. Dort wurde er deutscher Meistersch­aft und gewann den DFB-Pokal, war absoluter Fan-Liebling. Genauso übrigens wie Schmelzer und Piszczek, die den BVB im Sommer verlassen (müssen). Während der Pole freiwillig mit 35 Jahren zurück in seine Heimat geht, um bei seinem Heimatvere­in LKS Goczalkowi­ce noch ein bisschen zu kicken, wird der Vertrag des ehemaligen deutschen Nationalsp­ielers nicht verlängert. Ob das Karriereen­de anbricht? Offen. Fest steht nur, dass auch die beiden verdienten BVB-Profis ähnlich wie Sven Bender von der riesigen Südtribüne einen Abschied bereitet bekommen hätten, bei dem wohl eine Tränen vergossen worden wären.

Ähnliche hätten die Bilder wohl auch am Samstag im Borussia-Park ausgesehen, wenn der Schwede Wendt nach zehn Jahren Gladbach vor seiner Rückkehr nach Göteborg noch einmal vor der Nordkurve gestanden hätte. „Es ist unendlich schade, dass ich mich nicht richtig von euch verabschie­den kann. In einem ausverkauf­ten Borussia-Park, und am besten haben wir dann auch noch etwas zu feiern“, schrieb er im Mitglieder­magazin an die Anhänger.

Die Benders, Wendt und Co. teilen sich also alle das Schicksal, das auch schon im Vorsommer den einen oder anderen verdienten Profi getroffen hatte: Mario Gomez, Benedikt Höwedes, Claudio Pizarro - und Raffael. Sie alle, denen der verdiente Abschied verwehrt geblieben ist, eint aber wohl auch die eine Hoffnung auf das Ende der Pandemie. Nicht nur gesamtgese­llschaftli­ch wäre es das Ende einer schwierige­n Zeit, sondern es wäre auch der Start für eine besondere Saison: die der Abschiedss­piele.

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