Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der stille Abschied der Lieblinge
Es sind Momente für die Ewigkeit: Altgediente Stars und Favoriten der Fans treten im Saisonfinale ein allerletztes Mal vor ihre Kurve und lassen sich feiern. Doch der große Bahnhof fällt diesmal für viele Profis aus.
DÜSSELDORF Es war ein frommer Wunsch, den Karl-Heinz Rummenigge am vergangenen Wochenende äußerte. „Ich hoffe und wünsche mir, dass wir vielleicht beim letzten Spiel sogar vor einigen Zuschauern hier spielen dürfen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern im ZDF-Sportstudio, nachdem seine Mannschaft den Meistertitel ohne Fans feiern musste. „Uns fehlen die Fans“, ist der wohl inzwischen am häufigsten zitierte Satz aller Spieler und Verantwortlichen.
Besonders fehlen werden die Anhänger an diesen letzten beiden Bundesliga-Spieltagen denen, die nun ihre Fußball-Schuhe endgültig an den Nagel hängen werden oder nach vielen, vielen Jahren Emotionen und Leidenschaft für ihre Klubs noch einmal woanders auflaufen wollen. Denn die Abschiedsmomente sind selbst im hochsterilen professionellen Fußball noch immer etwas Besonderes. Auch wenn es nun im zweiten Jahr in Folge eben alles etwas anders ausfallen wird.
Die Bender-Zwillinge Sven und Lars bei Bayer Leverkusen, Oscar Wendt bei Borussia Mönchengladbach, Marcel Schmelzer und Lukasz Piszczek bei Borussia Dortmund, Jerome Boateng und David Alaba beim FC Bayern – ihnen allen bleibt der große Bahnhof, den sie sich verdient hätten, aufgrund der Coronavirus-Pandemie verwehrt.
„Für uns war und ist die Bindung zu den Fans im Stadion in jedem Spiel von großer Bedeutung“, sagte Lars Bender kürzlich. „Im Endeffekt haben wir uns ja 15 Jahre lang bei jedem Spiel vorgestellt und nach dem Spiel wieder verabschiedet. All die gemeinsamen Erlebnisse werden auf ewig hängenbleiben.“Doch dieser eine Moment, in dem der Spieler sich vor die Fan-Kurve stellt, von einem Vereinsverantwortlichen einen Strauß Blumen und ein Geschenk (in der Regel Bilder der Karriere) überreicht bekommt, anschließend mit Tränen in den Augen auf die Zuschauerränge guckt und sich ein letztes Mal für Blut, Schweiß und Tränen feiern lässt, er wird eben nicht hängen bleiben. Weil es ihn nicht geben wird. Diese verflixte Pandemie.
Lars Bender, der aufgrund einer Verletzung übrigens nicht mal mehr im Trikot auf dem Platz stehen wird, ist sich dennoch sicher: „Es werden emotionale Momente kommen, das ist ganz klar.“Als Fußballer verbinde man schließlich auch andere Dinge mit einem Klub. Es seien Freundschaften entstanden, man habe Erfolge zusammen gefeiert und Niederlagen zusammen verarbeitet. Wehmut käme deshalb sicherlich auf. Doch sein Bruder Sven, der bis auf acht Jahre bei Borussia Dortmund im Leben stets das gleiche Trikot wie Lars trug, sagte unumwunden: „Wir hätten es gerne anders gehabt.“
Zumal es für ihn wohl gleich doppelt emotional geworden wäre: Am 33. Spieltag hätte er seinen Heimabschied in Leverkusen bekommen, eine Woche später den Auswärtsabschied bei Borussia Dortmund, wo er unter Jürgen Klopp die erfolgreichsten Jahre mitmachte. Dort wurde er deutscher Meisterschaft und gewann den DFB-Pokal, war absoluter Fan-Liebling. Genauso übrigens wie Schmelzer und Piszczek, die den BVB im Sommer verlassen (müssen). Während der Pole freiwillig mit 35 Jahren zurück in seine Heimat geht, um bei seinem Heimatverein LKS Goczalkowice noch ein bisschen zu kicken, wird der Vertrag des ehemaligen deutschen Nationalspielers nicht verlängert. Ob das Karriereende anbricht? Offen. Fest steht nur, dass auch die beiden verdienten BVB-Profis ähnlich wie Sven Bender von der riesigen Südtribüne einen Abschied bereitet bekommen hätten, bei dem wohl eine Tränen vergossen worden wären.
Ähnliche hätten die Bilder wohl auch am Samstag im Borussia-Park ausgesehen, wenn der Schwede Wendt nach zehn Jahren Gladbach vor seiner Rückkehr nach Göteborg noch einmal vor der Nordkurve gestanden hätte. „Es ist unendlich schade, dass ich mich nicht richtig von euch verabschieden kann. In einem ausverkauften Borussia-Park, und am besten haben wir dann auch noch etwas zu feiern“, schrieb er im Mitgliedermagazin an die Anhänger.
Die Benders, Wendt und Co. teilen sich also alle das Schicksal, das auch schon im Vorsommer den einen oder anderen verdienten Profi getroffen hatte: Mario Gomez, Benedikt Höwedes, Claudio Pizarro - und Raffael. Sie alle, denen der verdiente Abschied verwehrt geblieben ist, eint aber wohl auch die eine Hoffnung auf das Ende der Pandemie. Nicht nur gesamtgesellschaftlich wäre es das Ende einer schwierigen Zeit, sondern es wäre auch der Start für eine besondere Saison: die der Abschiedsspiele.