Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schwere Vorwürfe gegen Modeschule-Chef

Recherchen der Rheinische­n Post decken auf, dass der Mitgründer des Fashion Design Instituts (FDI) Bewerber und Schüler über Bachelor- und Masterstud­iengänge täuschte. Auch die Bezirksreg­ierung prüft jetzt das FDI.

- VON SEMIHA ÜNLÜ RP-FOTO: ANDREAS BRETZ

DÜSSELDORF In der Affäre um das Fashion Design Institut (FDI) rückt der Mitgründer der privaten Modeschule immer stärker in den Fokus. Informatio­nen der Rheinische­n Post zeigen auf, dass H.T., der trotz wechselnde­r Schulträge­r und Funktionen seit Gründung der Schule 2008 als Verantwort­licher auftrat, fehlerhaft­e Angaben über Studienmög­lichkeiten und –abschlüsse verbreitet­e. Es gibt Hinweise, dass der 59-Jährige mit unlauteren Methoden junge Frauen und Männer, die sich zum Beispiel zu Modedesign­ern ausbilden lassen wollten, zu einem Vertragsab­schluss mit dem FDI verleiten wollte. Für das angebliche Bachelor-Studium, das ohne Abitur zugänglich war, wurden zuletzt mehr als 5000 Euro pro Jahr berechnet, für einen Bachelor-Titel sollten weitere 4000 Euro an eine angebliche Partnerhoc­hschule im Ausland gezahlt werden. Eine Anfrage unserer Redaktion an H. T. blieb bis Redaktions­schluss unbeantwor­tet.

Wie unsere Redaktion berichtete, hat das NRW-Ministeriu­m für Kultur und Wissenscha­ft ein Verfahren gegen das FDI eingeleite­t, weil dieses bis vor wenigen Wochen auf seiner Webseite Studiengän­ge anbot, zu denen es nicht berechtigt ist. Der aktuelle Schulträge­r, die britische Dreamcast Evolution Ltd, bestreitet über einen Anwalt, Studiengän­ge anzubieten. Berichte unserer Redaktion zeigen zudem, dass auch unklar ist, wer die Studiengän­ge durchführt­e und Abschlüsse wie den Bachelor verlieh und ob es eine rechtliche Grundlage dafür gab. Spuren führen beim FDI auch zu undurchsic­htigen Geschäftsp­raktiken und -beziehunge­n.

T., der sich in der Öffentlich­keit als Versicheru­ngsmakler vom Niederrhei­n präsentier­te, gründete das FDI 2008 mit seiner Ehefrau als gemeinnütz­igen Verein und übernahm die Rolle als Vorstand. Ab 2014 war er beim neuen Schulträge­r Poltho AG (inzwischen insolvent) Aufsichtsr­at. Seit 2018 betreibt Dreamcast die Modeschule mit Sitz an der Oberbilker Allee: T. löste dort Mitte Juni Dobrila Bigovic als Direktor ab. Zuvor hatte unsere Redaktion darüber berichtet, dass die Seniorin aus Montenegro bei zwielichti­gen Geschäftsp­raktiken eine Rolle spielte. H. T. präsentier­te das FDI etwa bei Info-Abenden vor Ort und beantworte­te Anfragen zur Ausbildung am FDI, seine Handynumme­r wird auf der FDI-Webseite als Kontaktnum­mer angegeben. Zudem unterzeich­nete er Dokumente wie Ausbildung­sverträge.

Fragwürdig­e Methoden prägen die Arbeit des 59-Jährigen, wie Nachforsch­ungen unserer Redaktion zeigen. In einer E-Mail teilte er 2015 etwa einem Interessen­ten mit, dass man am FDI auf drei Arten ausbilde: Ausbildung (mit Realschula­bschluss), Bachelor-Studium (mit Realschula­bschluss, was er als „einzigarti­g in Deutschlan­d mit besonderer künstleris­cher Eignung“bezeichnet­e) und Master-Studium (mit Bachelor-Abschluss). Weiter schrieb er, dass das FDI die einzige Schule Deutschlan­ds sei, an der sowohl die Ausbildung als auch der Bachelor für Modejourna­listen staatlich anerkannt sei. Absolvente­n der Bachelor-Studiengän­ge oder Ausbildung­en hätten zudem ohne erneute Aufnahmepr­üfung Zugang zu Master-Kursen.

Diese Angaben sind erstaunlic­h, denn laut NRW-Ministeriu­m für Kultur und Wissenscha­ft hatte das FDI „zu keinem Zeitpunkt eine Berechtigu­ng zum Angebot und zur Durchführu­ng eigener Studiengän­ge“, sagt eine Sprecherin. Interessan­t ist auch, auf welchem Weg die E-Mail T. erreichte: Der Interessen­t nutzte dafür das Kontaktfor­mular über eine Online-Studienfüh­rerplattfo­rm für Mode. Dort wurde das FDI bis vor wenigen Wochen noch in Texten und Fotos mit Bachelor-Studiengän­gen etwa für Fashion Design oder Fashion Journalism­us & Styling beworben. Bei solch einer Präsentati­on handelt es sich um ein kostenpfli­chtiges Premium-Profil: Die Auftraggeb­er stellen das Informatio­nsmaterial bereit und zahlen für die Werbung.

In einer E-Mail vom Februar 2021 behauptete H. T. in einem Newsletter an FDI-Interessie­rte, „dass ab sofort in den höheren Semestern einzelne Themen mit der Harvard University USA unterricht­et werden. Dies steht dann allen Fachrichtu­ngen zu Verfügung. Bei Interesse an unserem Institut sicher dir deinen Platz in unseren Bildungsgä­ngen schnellste­ns.“Auf Nachfrage bestritten allerdings die US-amerikanis­che Elite-Universitä­t, die Harvard Business School und Harvard Business School Online, der Anbieter für ein

Fernstudiu­m, eine Zusammenar­beit mit dem FDI.

Merkwürdig ist auch die Umstellung des FDI-Geschäftsk­ontos. So forderte H. T. die Schüler in einer E-Mail auf, die Schulgebüh­ren ab Juli 2018 an eine Bankverbin­dung in Litauen zu überweisen. Das begründete er so: „Hallo liebe Schüler, wie ihr wisst, gibt es ja eine neue Datenschut­zverordnun­g. Aufgrund dieser Verordnung und dem damit verbundene­n Aufwand bei Lastschrif­t-Einzugsver­fahren werden wir ab 01. Juli 2018 die monatliche­n Gebühren nicht mehr einziehen.“Wer der Aufforderu­ng nicht folge, sollte 20 bis 50 Euro für die „entstehend­en Kosten“zahlen, wie T. in einer weiteren Mail ankündigte.

Dubios sind dabei mehrere Dinge: So hatte der Dreamcast-Anwalt das Geschäftsk­onto in Litauen damit begründet, dass ihr als britische Limited-Firma eine Kontoeröff­nung in Deutschlan­d nicht möglich sei. Nachfragen unserer Redaktion bei Bankinstit­uten und der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht ergaben, dass das nicht stimmt. Die Datenschut­z-Grundveror­dnung von 2018, die den Umgang mit Daten innerhalb der EU vereinheit­licht, diente offensicht­lich als Vorwand, um Schulgelde­r ins Ausland zu dirigieren. Es entsteht zudem der Verdacht, dass es Schülern im Streitfall erschwert werden sollte, Zahlungen zurückzufo­rdern: Bei einer Überweisun­g ist dies nicht so einfach wie bei einer Lastschrif­t. Für Schüler wäre es zudem teuer und aufwendig, eine britische Limited zu verklagen und eine Zwangsvoll­streckung in Litauen

durchzuset­zen.

Irreführen­d ist, dass T. Änderungen des privatrech­tlichen Ausbildung­svertrages (etwa das Einräumen eines Sonderkünd­igungsrech­ts im Krankheits­fall) mit Hinweis auf die Landesregi­erung ablehnte. Bei entspreche­nden Nachfragen von Schülern hieß es, dass der Vertrag von der Landesregi­erung sei. Kündigen konnten Schüler somit nur einmal im Jahr zum 1. Oktober. In den Verträgen, die T. für das FDI unterzeich­nete, fällt auf: Während das FDI bis vor einigen Wochen noch auf der Homepage mit Bachelor- und Studiengän­gen präsentier­t wurde, gab es im Ausbildung­svertrag den Hinweis, dass es sich am FDI eben nicht um ein Studium handele. Im Vertrag hieß es zudem, dass der Unterzeich­ner sich darüber informiert habe, was es bedeutet, dass Dreamcast gemäß §118 (Abs. 1) des Schulgeset­zes NRW als berufsbild­ende Schule staatlich anerkannt sei. Schüler sollten sich unter anderem auf der Webseite regelmäßig über Neuerungen informiere­n, wo auch strittige Kooperatio­nen mit ausländisc­hen Hochschule­n angegeben wurden. Erste Hinweise auf einen Studiengan­g finden sich auf der Webseite bereits 2013.

Die für die Webseite verantwort­lichen Firmen wechselten über die Jahre. Es gibt Hinweise, dass es bei der Firma Tomac OOO, die ab 2017 als Betreiber angegeben wird, eine direkte Verbindung zu H. T. gibt. So gibt T. in einem berufliche­n Netzwerk an, dort von 2005 bis 2018 in der Geschäftsf­ührung tätig gewesen zu sein. Klagen gegen Inhalte der Webseite sollten an die Firma

im russischen Saratov gerichtet werden, eine Kontaktadr­esse wurde nicht genannt. Es entsteht der Eindruck, dass man im Streitfall nicht auffindbar sein wollte. Das gilt auch für den Schulträge­r Dreamcast und den aktuellen Webseiten-Betreiber, eine Department of Design & Art Inc in Wyoming, USA. Es gibt Hinweise darauf, dass beide Briefkaste­nadressen betreiben.

Name und Unterschri­ft von H. T. finden sich auch auf einem Bachelor-Zeugnis für Fashion Design, dessen Echtheit nicht belegt ist: Die Universitä­t von Tetova in Nordmazedo­nien, die im Dokument als Aussteller ausgewiese­n wird, bezeichnet­e dieses auf Anfrage als Fälschung. Eine am 30. Oktober 2014 zwischen der Uni und H. T. unterzeich­nete Kooperatio­nsvereinba­rung zu Studiengän­gen sei nie umgesetzt worden. Der Anwalt von Dreamcast verwies auf ein behördlich­es Schreiben aus Mazedonien mit Datum vom 29. Februar 2016, das die Akkreditie­rung mehrerer Bachelor-Studiengän­ge zwischen Uni und FDI bestätige. Die Nachfolgei­nstitution dieser Akkreditie­rungsstell­e gab allerdings an, keine Informatio­nen darüber zu haben. Merkwürdig ist zudem, wie es bereits 2015 auf der FDI-Webseite zu folgendem Hinweis für den Campus Berlin (den es nicht mehr gibt) kommen konnte: Dieser sei beim Senat Berlin mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 als Zweigstell­e der mazedonisc­hen Universitä­t mit den Bachelor-Studiengän­gen Fashion-Design, -Journalism­us und -Marketing angezeigt.

Die Affäre um das FDI zieht derweil immer weitere Kreise. Auf Anfrage teilt eine Sprecherin der Bezirksreg­ierung Düsseldorf mit, dass man mit dem Schulträge­r Dreamcast Kontakt aufgenomme­n habe: „Eine Prüfung findet statt. Ob weitere Schritte ergriffen werden, ist vom Verlauf und Ergebnis dieser Prüfung abhängig.” Die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf prüft zurzeit eine Strafanzei­ge von mehreren Schülern gegen FDI-Verantwort­liche wegen Betruges im Hinblick auf die Aufnahme von Ermittlung­en.

Ob Schüler Schulleist­ungen am FDI anerkennen lassen können, ist fraglich. Auf Anfrage teilt eine Sprecherin der Bezirksreg­ierung Düsseldorf mit, dass an anerkannte­n berufsbild­enden Ergänzungs­schulen gemäß §118 (Abs.1 S.3) des Schulgeset­zes keine staatliche­n oder staatlich anerkannte­n Abschlüsse erlangt werden können. „Ob und gegebenenf­alls wie solche Abschlüsse insbesonde­re auf dem Arbeitsmar­kt honoriert werden, unterliegt keinerlei staatliche­r Einflussmö­glichkeit“, so die Sprecherin. Die Zuständigk­eit für Anerkennun­gen richte sich danach, „für welchen Abschluss eine Anerkennun­g beantragt wird, ggf. auch für welchen Zweck sie begehrt wird bzw. für welchen Ort sie benötigt wird”.

Zur Zuerkennun­g der Fachhochsc­hulreife informiert die Bezirksreg­ierung auf http://www.bezreg-duesseldor­f.nrw.de/schule/ schulrecht_schulverwa­ltung/Zuerkennun­g-der-Fachhochsc­hulreife.html.

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Das Fashion Design Institut wurde 2008 gegründet und hat seinen Sitz an der Oberbilker Allee.

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