Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Schwere Vorwürfe gegen Modeschule-Chef
Recherchen der Rheinischen Post decken auf, dass der Mitgründer des Fashion Design Instituts (FDI) Bewerber und Schüler über Bachelor- und Masterstudiengänge täuschte. Auch die Bezirksregierung prüft jetzt das FDI.
DÜSSELDORF In der Affäre um das Fashion Design Institut (FDI) rückt der Mitgründer der privaten Modeschule immer stärker in den Fokus. Informationen der Rheinischen Post zeigen auf, dass H.T., der trotz wechselnder Schulträger und Funktionen seit Gründung der Schule 2008 als Verantwortlicher auftrat, fehlerhafte Angaben über Studienmöglichkeiten und –abschlüsse verbreitete. Es gibt Hinweise, dass der 59-Jährige mit unlauteren Methoden junge Frauen und Männer, die sich zum Beispiel zu Modedesignern ausbilden lassen wollten, zu einem Vertragsabschluss mit dem FDI verleiten wollte. Für das angebliche Bachelor-Studium, das ohne Abitur zugänglich war, wurden zuletzt mehr als 5000 Euro pro Jahr berechnet, für einen Bachelor-Titel sollten weitere 4000 Euro an eine angebliche Partnerhochschule im Ausland gezahlt werden. Eine Anfrage unserer Redaktion an H. T. blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Wie unsere Redaktion berichtete, hat das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft ein Verfahren gegen das FDI eingeleitet, weil dieses bis vor wenigen Wochen auf seiner Webseite Studiengänge anbot, zu denen es nicht berechtigt ist. Der aktuelle Schulträger, die britische Dreamcast Evolution Ltd, bestreitet über einen Anwalt, Studiengänge anzubieten. Berichte unserer Redaktion zeigen zudem, dass auch unklar ist, wer die Studiengänge durchführte und Abschlüsse wie den Bachelor verlieh und ob es eine rechtliche Grundlage dafür gab. Spuren führen beim FDI auch zu undurchsichtigen Geschäftspraktiken und -beziehungen.
T., der sich in der Öffentlichkeit als Versicherungsmakler vom Niederrhein präsentierte, gründete das FDI 2008 mit seiner Ehefrau als gemeinnützigen Verein und übernahm die Rolle als Vorstand. Ab 2014 war er beim neuen Schulträger Poltho AG (inzwischen insolvent) Aufsichtsrat. Seit 2018 betreibt Dreamcast die Modeschule mit Sitz an der Oberbilker Allee: T. löste dort Mitte Juni Dobrila Bigovic als Direktor ab. Zuvor hatte unsere Redaktion darüber berichtet, dass die Seniorin aus Montenegro bei zwielichtigen Geschäftspraktiken eine Rolle spielte. H. T. präsentierte das FDI etwa bei Info-Abenden vor Ort und beantwortete Anfragen zur Ausbildung am FDI, seine Handynummer wird auf der FDI-Webseite als Kontaktnummer angegeben. Zudem unterzeichnete er Dokumente wie Ausbildungsverträge.
Fragwürdige Methoden prägen die Arbeit des 59-Jährigen, wie Nachforschungen unserer Redaktion zeigen. In einer E-Mail teilte er 2015 etwa einem Interessenten mit, dass man am FDI auf drei Arten ausbilde: Ausbildung (mit Realschulabschluss), Bachelor-Studium (mit Realschulabschluss, was er als „einzigartig in Deutschland mit besonderer künstlerischer Eignung“bezeichnete) und Master-Studium (mit Bachelor-Abschluss). Weiter schrieb er, dass das FDI die einzige Schule Deutschlands sei, an der sowohl die Ausbildung als auch der Bachelor für Modejournalisten staatlich anerkannt sei. Absolventen der Bachelor-Studiengänge oder Ausbildungen hätten zudem ohne erneute Aufnahmeprüfung Zugang zu Master-Kursen.
Diese Angaben sind erstaunlich, denn laut NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft hatte das FDI „zu keinem Zeitpunkt eine Berechtigung zum Angebot und zur Durchführung eigener Studiengänge“, sagt eine Sprecherin. Interessant ist auch, auf welchem Weg die E-Mail T. erreichte: Der Interessent nutzte dafür das Kontaktformular über eine Online-Studienführerplattform für Mode. Dort wurde das FDI bis vor wenigen Wochen noch in Texten und Fotos mit Bachelor-Studiengängen etwa für Fashion Design oder Fashion Journalismus & Styling beworben. Bei solch einer Präsentation handelt es sich um ein kostenpflichtiges Premium-Profil: Die Auftraggeber stellen das Informationsmaterial bereit und zahlen für die Werbung.
In einer E-Mail vom Februar 2021 behauptete H. T. in einem Newsletter an FDI-Interessierte, „dass ab sofort in den höheren Semestern einzelne Themen mit der Harvard University USA unterrichtet werden. Dies steht dann allen Fachrichtungen zu Verfügung. Bei Interesse an unserem Institut sicher dir deinen Platz in unseren Bildungsgängen schnellstens.“Auf Nachfrage bestritten allerdings die US-amerikanische Elite-Universität, die Harvard Business School und Harvard Business School Online, der Anbieter für ein
Fernstudium, eine Zusammenarbeit mit dem FDI.
Merkwürdig ist auch die Umstellung des FDI-Geschäftskontos. So forderte H. T. die Schüler in einer E-Mail auf, die Schulgebühren ab Juli 2018 an eine Bankverbindung in Litauen zu überweisen. Das begründete er so: „Hallo liebe Schüler, wie ihr wisst, gibt es ja eine neue Datenschutzverordnung. Aufgrund dieser Verordnung und dem damit verbundenen Aufwand bei Lastschrift-Einzugsverfahren werden wir ab 01. Juli 2018 die monatlichen Gebühren nicht mehr einziehen.“Wer der Aufforderung nicht folge, sollte 20 bis 50 Euro für die „entstehenden Kosten“zahlen, wie T. in einer weiteren Mail ankündigte.
Dubios sind dabei mehrere Dinge: So hatte der Dreamcast-Anwalt das Geschäftskonto in Litauen damit begründet, dass ihr als britische Limited-Firma eine Kontoeröffnung in Deutschland nicht möglich sei. Nachfragen unserer Redaktion bei Bankinstituten und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ergaben, dass das nicht stimmt. Die Datenschutz-Grundverordnung von 2018, die den Umgang mit Daten innerhalb der EU vereinheitlicht, diente offensichtlich als Vorwand, um Schulgelder ins Ausland zu dirigieren. Es entsteht zudem der Verdacht, dass es Schülern im Streitfall erschwert werden sollte, Zahlungen zurückzufordern: Bei einer Überweisung ist dies nicht so einfach wie bei einer Lastschrift. Für Schüler wäre es zudem teuer und aufwendig, eine britische Limited zu verklagen und eine Zwangsvollstreckung in Litauen
durchzusetzen.
Irreführend ist, dass T. Änderungen des privatrechtlichen Ausbildungsvertrages (etwa das Einräumen eines Sonderkündigungsrechts im Krankheitsfall) mit Hinweis auf die Landesregierung ablehnte. Bei entsprechenden Nachfragen von Schülern hieß es, dass der Vertrag von der Landesregierung sei. Kündigen konnten Schüler somit nur einmal im Jahr zum 1. Oktober. In den Verträgen, die T. für das FDI unterzeichnete, fällt auf: Während das FDI bis vor einigen Wochen noch auf der Homepage mit Bachelor- und Studiengängen präsentiert wurde, gab es im Ausbildungsvertrag den Hinweis, dass es sich am FDI eben nicht um ein Studium handele. Im Vertrag hieß es zudem, dass der Unterzeichner sich darüber informiert habe, was es bedeutet, dass Dreamcast gemäß §118 (Abs. 1) des Schulgesetzes NRW als berufsbildende Schule staatlich anerkannt sei. Schüler sollten sich unter anderem auf der Webseite regelmäßig über Neuerungen informieren, wo auch strittige Kooperationen mit ausländischen Hochschulen angegeben wurden. Erste Hinweise auf einen Studiengang finden sich auf der Webseite bereits 2013.
Die für die Webseite verantwortlichen Firmen wechselten über die Jahre. Es gibt Hinweise, dass es bei der Firma Tomac OOO, die ab 2017 als Betreiber angegeben wird, eine direkte Verbindung zu H. T. gibt. So gibt T. in einem beruflichen Netzwerk an, dort von 2005 bis 2018 in der Geschäftsführung tätig gewesen zu sein. Klagen gegen Inhalte der Webseite sollten an die Firma
im russischen Saratov gerichtet werden, eine Kontaktadresse wurde nicht genannt. Es entsteht der Eindruck, dass man im Streitfall nicht auffindbar sein wollte. Das gilt auch für den Schulträger Dreamcast und den aktuellen Webseiten-Betreiber, eine Department of Design & Art Inc in Wyoming, USA. Es gibt Hinweise darauf, dass beide Briefkastenadressen betreiben.
Name und Unterschrift von H. T. finden sich auch auf einem Bachelor-Zeugnis für Fashion Design, dessen Echtheit nicht belegt ist: Die Universität von Tetova in Nordmazedonien, die im Dokument als Aussteller ausgewiesen wird, bezeichnete dieses auf Anfrage als Fälschung. Eine am 30. Oktober 2014 zwischen der Uni und H. T. unterzeichnete Kooperationsvereinbarung zu Studiengängen sei nie umgesetzt worden. Der Anwalt von Dreamcast verwies auf ein behördliches Schreiben aus Mazedonien mit Datum vom 29. Februar 2016, das die Akkreditierung mehrerer Bachelor-Studiengänge zwischen Uni und FDI bestätige. Die Nachfolgeinstitution dieser Akkreditierungsstelle gab allerdings an, keine Informationen darüber zu haben. Merkwürdig ist zudem, wie es bereits 2015 auf der FDI-Webseite zu folgendem Hinweis für den Campus Berlin (den es nicht mehr gibt) kommen konnte: Dieser sei beim Senat Berlin mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 als Zweigstelle der mazedonischen Universität mit den Bachelor-Studiengängen Fashion-Design, -Journalismus und -Marketing angezeigt.
Die Affäre um das FDI zieht derweil immer weitere Kreise. Auf Anfrage teilt eine Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf mit, dass man mit dem Schulträger Dreamcast Kontakt aufgenommen habe: „Eine Prüfung findet statt. Ob weitere Schritte ergriffen werden, ist vom Verlauf und Ergebnis dieser Prüfung abhängig.” Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf prüft zurzeit eine Strafanzeige von mehreren Schülern gegen FDI-Verantwortliche wegen Betruges im Hinblick auf die Aufnahme von Ermittlungen.
Ob Schüler Schulleistungen am FDI anerkennen lassen können, ist fraglich. Auf Anfrage teilt eine Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf mit, dass an anerkannten berufsbildenden Ergänzungsschulen gemäß §118 (Abs.1 S.3) des Schulgesetzes keine staatlichen oder staatlich anerkannten Abschlüsse erlangt werden können. „Ob und gegebenenfalls wie solche Abschlüsse insbesondere auf dem Arbeitsmarkt honoriert werden, unterliegt keinerlei staatlicher Einflussmöglichkeit“, so die Sprecherin. Die Zuständigkeit für Anerkennungen richte sich danach, „für welchen Abschluss eine Anerkennung beantragt wird, ggf. auch für welchen Zweck sie begehrt wird bzw. für welchen Ort sie benötigt wird”.
Zur Zuerkennung der Fachhochschulreife informiert die Bezirksregierung auf http://www.bezreg-duesseldorf.nrw.de/schule/ schulrecht_schulverwaltung/Zuerkennung-der-Fachhochschulreife.html.