Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Neue Jobs für Personal aus der Gastronomie
Im Corona-Lockdown haben viele Mitarbeitende abseits von Küche, Bar und Restaurants andere Arbeiten gefunden.
DÜSSELDORF Getränke mixen, Limonaden machen, Cocktails servieren: für Marcel Drohnen war das mehr als drei Jahre der Job im Restaurant Schwan auf dem Burgplatz. „Ein tolles Team, mir hat die Arbeit immer Spaß gemacht“, sagt der jetzt 40-Jährige. Als der Lockdown im November begann, war Schluss. Die Kurzarbeit begann. Was sich zuerst anhörte wie bezahlter Urlaub, wurde bereits nach einigen Wochen für Drohnen zum Problem. „Das Nichtstun schlug mir stark aufs Gemüt. Finanziell wäre ich wegen des Kurzarbeitergelds knapp ausgekommen, aber ich hatte morgens keinen Grund mehr zum Aufstehen“, sagt er. Daher hat er im Frühjahr einen neuen Job angenommen. Marcel Drohnen ist nun Mitarbeiter im Impfzentrum Neuss.
Eine Freundin hatte ihm erzählt, dass im Impfzentrum Leute gesucht werden. Statt an einer Bar zu stehen, sitzt er nun am Empfang, nimmt die Unterlagen der Impfkunden entgegen und berät die Besucher. Eine gute Arbeit sei das, denn wie in der Gastronomie mag Drohnen es, mit Menschen zu tun zu haben. Ein reiner Schreibtischjob käme für ihn nicht infrage, das hat er schon als junger Mann gemerkt. Gelernt hat er nämlich Bürokaufmann, aber „das war nicht mein Revier“. Er brauche die Menschen um sich, sagt er. Obwohl der Lockdown endete und die Restaurants wieder geöffnet sind, bleibt Marcel Drohnen erstmal im Impfzentrum. Denn dort hat auch ein Umdenkungsprozess begonnen. „Ich überlege, zukünftig eine soziale Arbeit zu machen, um anderen Menschen zu helfen. So etwas braucht die Gesellschaft.“Daher verhandelt er zurzeit mit der Arbeitsagentur über eine Umschulung zum Beispiel zum Rettungssanitäter. Ein wenig Zeit hat Marcel Drohnen noch. Sein Arbeitsvertrag im Impfzentrum läuft bis September.
Beruflich neu orientieren musste sich auch Dina Brehm. Sie hatte im vergangenen Sommer eine Salatbar eröffnet. Es lief zuerst so gut, dass eine zweite Filiale folgte – mit Eröffnungstermin Ende Oktober, der Lockdown im November folgte wenige Tage später. „Da habe ich mich gefragt, was ich schon immer mal gern tun wollte“, sagt die 34-Jährige und beschloss, eine Ausbildung zur Fachkraft für Hundepflege zu machen. „So habe ich meinen Traum in die Realität umgesetzt.“Jetzt ist sie die Inhaberin des Hundesalons Fifikus an der Gertrudisstraße in Eller.
Mit der neuen Selbstständigkeit ging es so schnell, weil die Kursleiterin
der Fortbildung zufällig eine Nachfolge für ihren Hundesalon suchte. Da hat Dina Brehm nicht gezögert. „Die Arbeit mit den Hunden machte mir riesigen Spaß, die Schulung war fundiert und lebensnah“, sagt sie. Fellpflege, Krallen stutzen und Hundezähne putzen – die Tierpflegerin beherrscht nun viele Aufgaben, um den Vierbeiner schön und gesund zu halten. Und die Nachfrage ist groß. „Ich bin schon bis August ausgebucht.“Und das, obwohl die offizielle Eröffnung noch gar nicht stattgefunden hat. Denn erstmal ist Fifikus wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Viel Arbeit also für Dina Brehm, aber: „Ohne Corona hätte ich mir diesen Schritt nicht zugetraut.“Die Gastronomie vermisst sie nicht. „Ich bereue es kein bisschen, fühle mich nun pudelwohl.“
Drei Wochen hat Marcel Zerres nach Beginn des Lockdowns Anfang November ausgehalten, „dann ging mir das Herumsitzen in Kurzarbeit auf die Nerven“, sagt der 36-Jährige, der erst in der Nachtresidenz und dann in einem italienischen Restaurant in Oberkassel arbeitete, bis
Corona im Herbst der Gastronomie ein Ende setzte. Durch die staatliche Hilfe kam er zwar finanziell halbwegs klar, aber „mir fehlte auch der Adrenalinkick, wenn ich einem Gast eine Freude gemacht hatte.“
Er schaute sich nach einer Aufgabe um und hatte Erfolg bei einem Freund, der den Getränkefachhandel Getränketempel in Gerrresheim führt. Als Aushilfe arbeitete Marcel Zerres dann mal an der Kasse oder beim Auffüllen der Regale. „Ich wollte einfach was zu tun haben und wieder Menschen treffen.“ Diese Arbeit mache ihm mehr Spaß als zuerst angenommen, denn: „Der Job hat ja auch mit Getränken zu tun – nur eben von einer anderen Perspektive aus als an der Bar im Restaurant.“So berät er die Kunden geschickt über Wein, Bier, Cocktails und Gin – und weiß auch, wie und wann die Waren im Laden beworben werden sollten, um gut verkauft zu werden. Dieses Talent bemerkte auch der Inhaber vom Getränketempel und bot Marcel Zerres an, die Filiale in Vollzeit als Marktleiter zu führen. Zerres sagte sofort zu.
Ganz abgeschlossen hat Marcel Zerres aber nicht mit der Arbeit in Restaurants oder an einer Bar. „Es juckt mir in den Fingern, ab und zu wieder in der Gastro was zu machen“, sagt er und hilft seinen alten Kumpels hin und wieder aus. Zurzeit erwägt er nicht, wieder in Vollzeit in seinen alten Job zurückzugehen, obwohl er beinahe täglich Angebote bekommt aus der Gastronomie oder der Eventbranche. „Ich bin da sehr vorsichtig, denn wer weiß, ob im Herbst nicht wieder ein Lockdown kommt.“
Kellner und Köche wollen Sicherheit und Perspektive
DÜSSELDORF (bpa) Dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) liegen zwar keine konkreten Zahlen vor, die den Wechsel von Mitarbeitern aus der Gastronomie in andere Branchen quantitativ veranschaulichen könnten. Was der Branchenverband aber beobachtet, sind zwei Phänomene: Einerseits gibt es diejenigen, die final abgewandert seien und andererseits die, die gerne zurückkehren würden, sagt Dehoga-Sprecher Thorsten Hellwig. „Aber diese Leute wollen und brauchen verständlicherweise Sicherheit.“Wichtiger denn je ist deshalb in seinen Augen nach der Öffnungsperspektive nun eine Offenbleibeperspektive, damit ehemalige Beschäftigte wieder zurückkehren. „Wir brauchen deshalb Pläne dafür, wie unsere Branche inzidenzunabhängig geöffnet bleiben kann. Der Inzidenzwert darf nicht mehr allein ausschlaggebend sein. Der Impffortschritt muss genauso eine Rolle spielen wie die Belastung unseres Gesundheitssystems. Diese Sicherheit benötigen Gastronomen und Hoteliers, aber natürlich auch die Beschäftigten.“Für das Gastgewerbe sei die Zeit der Pandemie, vor allen Dingen wegen der unsicheren Aussichten in Bezug auf die Delta-Variante und dem politischen Umgang damit, noch lange nicht vorbei.
Gastronomin Kerstin SchwanRapp berichtet von Bedenken, die typisch für die Branche sein dürfte. Viele ihrer Mitarbeiter seien jetzt in anderen Jobs – in Impf- und Testzentren oder Supermärkten. „Wir werden viel Aufbauarbeiten leisten müssen, um für diese wieder ein attraktiver Arbeitgeber zu werden.“Potenzielle Mitarbeiter würden beim Bewerbungsgespräch Sorgen vor einem neuen Lockdown im Herbst äußern, hätten Angst, dann wieder ihre Arbeit zu verlieren.