Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Ich muss Bürgermeis­ter für alle Stadtteile sein“

Zum Jahreswech­sel zieht Bommers Bilanz und erklärt, warum es nicht immer einfach ist, dass ihn viele persönlich kennen.

- VERENA BRETZ UND SONJA SCHMITZ FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Kurz und knapp vorweg: Wie blicken Sie auf Ihr erstes Jahr als Bürgermeis­ter zurück?

CHRISTIAN BOMMERS Eine aufregende, anspruchsv­olle Zeit. Es ist die erwartet herausford­ernde Aufgabe, die mir im Dialog mit allen Beteiligte­n auch sehr viel Freude gemacht hat.

Das Interkommu­nale Gewerbegeb­iet kommt nicht, der weitere Ausbau der K9n ist fraglich, das neue Wohngebiet Kalverdonk fällt möglicherw­eise doch erst einmal etwas kleiner aus. Hat sich Meerbusch zu viel vorgenomme­n?

BOMMERS Nein, beide genannten Projekte beschäftig­en Politik und Verwaltung bekanntlic­h schon einige Jahre. Der erste Bauabschni­tt der K9n von der Forststraß­e bis zum Bundenrott wird in Kürze begonnen und dann bald spürbare Entlastung für die Straße Am Strümper Busch bringen. Auch die Erreichbar­keit des Meerbusch-Gymnasiums wird sich durch den Anschluss verbessern. Wie es danach mit der K9n weitergeht, wird sich zeigen.

Dass das Interkommu­nale Gewerbegeb­iet an der A44 nicht kommt, ist nach langem Streit nun klar. BOMMERS Die politische Mehrheit für ein großes Gemeinscha­ftsprojekt mit Krefeld war ohnehin von Anfang an hauchdünn, der Widerstand in der Bevölkerun­g groß. Der entspreche­nde Ratsbeschl­uss wurde jetzt aufgehoben. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass wir in Meerbusch dringend Gewerbeflä­chen brauchen, um auch in Zukunft die städtische Daseinsvor­sorge zu finanziere­n. Dazu sind Gewerbeste­uereinnahm­en unerlässli­ch. Jetzt gilt es, Alternativ­en zu finden, die Meerbusch in Eigenregie entwickeln kann. Der Rat hat die Stadtverwa­ltung in der letzten Sitzung beauftragt, diese Alternativ­en zu erarbeiten.

Wie sieht es beim Thema Neubaugebi­et in Osterath aus?

BOMMERS Bezogen auf das neue Wohngebiet Kalverdonk habe ich gleich zu Beginn meiner Amtszeit gesagt, dass ich die ursprüngli­ch geplante Fläche zu groß finde. 37 Hektar in der seinerzeit angegebene­n Zeit zu entwickeln halte ich für unrealisti­sch. Gleichwohl sehe ich den Bedarf an Wohnraum in unserer Stadt – auch von innen heraus. Im Herbst sind wir daher mit einer breit aufgestell­ten Öffentlich­keitsbetei­ligung gestartet, die wir im Januar, zunächst nur digital, weiterführ­en werden.

Hat sich durch Ihr Amt der Blick auf Politik und das Leben an sich geändert? Wenn ja, wie?

BOMMERS Der Blick auf die Kommunalpo­litik hat sich seit Amtsantrit­t nicht geändert. Auch schon vorher hatte ich größten Respekt für den Einsatz der ehrenamtli­ch aktiven Damen und Herren. Der Zeitaufwan­d ist schon enorm und mancher Weg im Ringen um die beste Lösung auch sehr mühsam. Unsere Demokratie braucht dieses Engagement. Die kommunale Selbstverw­altung ist ein hohes Gut, welches uns viele Gestaltung­smöglichke­iten vor Ort bietet. Insgesamt versuche ich, trotz der schon großen Veränderun­g, so weiter zu leben wie zuvor. Natürlich spürt man, nun eine öffentlich­e Person zu sein und häufiger erkannt und angesproch­en zu werden, das hat meine Familie und mich aber bisher nicht davon abgehalten, unsere Freizeit wie gewohnt zu gestalten.

Wie empfinden Sie die Zusammenar­beit mit den Fraktionen?

BOMMERS Ich denke, wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Ich persönlich lege sehr großen Wert auf eine vertrauens­volle Zusammenar­beit zwischen Politik und Verwaltung, die auf Offenheit und guter Kommunikat­ion basiert. So entsteht mehr gegenseiti­ges Verständni­s und Vertrauen. Hier gilt es auch, einmal neue Wege zu gehen. Vor der offizielle­n Einbringun­g des Haushalts habe ich gemeinsam mit unserem Kämmerer in einer lockeren, geselligen Ratsrunde die Haushaltss­ituation der Stadt und die auf uns wartenden Risiken vorgestell­t. Damit haben wir auch die Bitte verbunden, angesichts der Finanzlage Zurückhalt­ung und Vorsicht bei eigenen, möglicherw­eise kostspieli­gen politische­n Projekten zu üben. Dieses neue Format ist durchweg sehr positiv aufgenomme­n worden. Auch in der letzten Ratssitzun­g des Jahres am 16. Dezember habe ich eine sehr konstrukti­ve, angenehme Diskussion­satmosphär­e festgestel­lt. Das hat auch mit Wertschätz­ung und gegenseiti­gem Respekt zu tun. So soll es sein.

Sie sind sehr bekannt in Meerbusch, werden von vielen mit „Hallo Christian“begrüßt. Ist diese Nähe als Bürgermeis­ter manchmal auch ein Problem?

BOMMERS Ja, es kann hier und da zum Problem werden, wenn die Nähe zu groß wird. Das weckt bisweilen eine Erwartungs­haltung, die ich nicht erfüllen kann. Die Devise ‚Das macht der schon für mich, den kenn` ich gut!` – kann und darf nicht der Maßstab sein. Ich habe mich schon vor meinem Amtsantrit­t als Bürgermeis­ter stark öffentlich in meinem Heimatstad­tteil Osterath engagiert. Jetzt aber will und muss ich ein Bürgermeis­ter für alle Stadtteile sein und zum Wohle aller meine Prioritäte­n setzen. Es immer allen recht machen zu können, ist bekanntlic­h eine illusorisc­he Vorstellun­g. Insgesamt aber zeigt das ja auch die Verbundenh­eit zu meiner Heimatstad­t und den Menschen, die hier leben. Von daher also etwas Positives.

Was war 2021 das Erfreulich­ste?

BOMMERS Natürlich hat die Corona-Pandemie auch das vergangene Jahr überschatt­et, beeinträch­tigt und belastet. Aber auch hier gibt es erfreulich­e Facetten. So haben wir im November und Dezember eine sehr erfolgreic­he Impfkampag­ne geführt und mit dem Rhein-Kreis Neuss und ortsansäss­igen Ärzten ein gutes Impfangebo­t bei uns vor Ort aufgebaut. Die Menschen in unserer Stadt haben das honoriert und sehr rege davon Gebrauch gemacht. Gefreut hat mich auch die tolle Impfquote in unserer Stadtverwa­ltung. 96,3 Prozent unserer Mitarbeite­nden vom Beigeordne­ten bis zum Hausmeiste­r sind vollständi­g geimpft. Das ist auch das Ergebnis guter Aufklärung­sarbeit, und es zeugt von Solidaritä­t und Verantwort­ungsgefühl in der Belegschaf­t.

Solidaritä­t zeigten die Meerbusche­r auch in der Flutkatast­rophe. BOMMERS Ja, die Zerstörung­sgewalt und die große Not, die die Flut ausgelöst hat, war schockiere­nd. Ermutigend wirkte dabei die phänomenal­e Hilfsberei­tschaft, die den Menschen vor allem in den Flutgebiet­en der Eifel entgegenge­bracht wurde. Als Stadt konnten wir ebenfalls einen kleinen Teil beitragen. Wir haben zwei Feuerwehrw­agen an Löschzüge in der Eifel spenden können, die mehrere Fahrzeuge durch die Flut verloren hatten. Aus der Meerbusche­r Bevölkerun­g gingen Sachspende­ntransport­e ins Flutgebiet. Anfang Januar werden Möbel aus unseren Grundschul­en unter anderem ins Ahrtal geliefert. All' dies sind wichtige menschlich­e Signale, die Hoffnung machen.

Was war 2021 für Sie das niederschm­etterndste

Ereignis in Meerbusch?

BOMMERS Eine herbe Enttäuschu­ng war für mich die Nachricht vom Baustopp an der Bahnunterf­ührung in Osterath. An diesem Jahrhunder­tprojekt hängt die gesamte Weiterentw­icklung des Stadtteils. Wir haben deshalb sofort bis in die Verkehrsmi­nisterien von Bund und Land alle Hebel in Bewegung gesetzt und über alle möglichen Kanäle unseren Unmut geäußert. Ich hoffe, dass sich hier im neuen Jahr trotz aller logistisch­en Probleme der Deutschen Bahn noch etwas bewegen lässt.

Eine Fee gibt Ihnen drei Wünsche frei für das kommende Jahr. Was wünschen Sie sich?

BOMMERS Vor allem würde ich mir – wie wir alle – das sofortige Ende der Pandemie wünschen. Ich wünschte mir die Rückkehr in eine weniger bedrückend­e, unbeschwer­tere Zeit mit unseren traditione­llen Festen und vielen schönen zwischenme­nschlichen Begegnunge­n. Als zweites würde ich mir wünschen, dass wir die vielen großen Projekte, die wir als Stadt zu bewältigen haben, zu einem erfolgreic­hen Abschluss bringen oder weiter vorantreib­en. Dazu gehören unser gewaltiges Schulausba­uprogramm ebenso wie die Digitalisi­erung, die Stadtentwi­cklung oder eben die Vollendung der Bahnunterf­ührung in Osterath. Den dritten Wunsch teile ich wahrschein­lich mit allen Meerbusche­rinnen und Meerbusche­rn: Gesundheit und Frieden, ein bisschen mehr Miteinande­r statt Gegeneinan­der, ein bisschen mehr Gelassenhe­it und Wohlergehe­n für unsere Stadt. Wie man weiß, sind gute Feen selten und nicht alle Wünsche werden wahr – aber mit Mut, Zuversicht und positivem Sinn kann man durchaus das eine oder andere mehr erreichen oder zum Guten wenden.

 ?? FOTO: STADT MEERBUSCH ?? Bürgermeis­ter Christian Bommers freut sich, dass viele Bürger das Impfangebo­t der Stadt und des Kreises annehmen. Die Impfquote der Verwaltung liegt über 96 Prozent.
FOTO: STADT MEERBUSCH Bürgermeis­ter Christian Bommers freut sich, dass viele Bürger das Impfangebo­t der Stadt und des Kreises annehmen. Die Impfquote der Verwaltung liegt über 96 Prozent.

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