Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Trauer um den Aktivisten mit dem Cello
Thomas Beckmann war bekannt für seine Musik, sein Engagement und für seine Wohnsituation.
DÜSSELDORF Am Dienstag wurde es bekannt: Thomas Beckmann ist tot. Bereits am vergangenen Freitag verstarb der bekannte Düsseldorfer Musiker und ObdachlosenAktivist im Alter von 65 Jahren, wie seine Ehefrau Kayoko Beckmann unserer Redaktion gegenüber bestätigte. „Mein Mann war seit einem guten Monat aus seinem Wachkoma erwacht“, erzählt sie. Das sei auch sein größter Wunsch gewesen. „Wenn ich sterbe, muss ich wissen, wer ich bin“, soll Beckmann ihr früher gesagt haben. Der Musiker war schon länger schwer krank gewesen.
„Er hatte sich seine Seele und Persönlichkeit zurückerobert“, sagt Kayoko Beckmann gefasst. Insgesamt sei der Künstler zuletzt in so einem guten Zustand gewesen, dass alle die Hoffnung gehabt hätten, er werde noch länger leben. „Ich habe die letzten Wochen immer wieder mal gemerkt, dass Thomas immer mehr das Ich-Gefühl zurückbekommen hat. Sein Vorstellungsvermögen war auch da.“Sie glaube aber, dass er letztlich nicht mehr wollte, sagt seine Ehefrau.
Rosi Apitz ist als eine der ersten Bekannten des Paares über die traurige Nachricht informiert worden. Sie ist Mitglied der Keyworker Oberkassel; das ist eine Gruppe von Senioren, die Kunst, Kultur und Soziales miteinander verbinden wollen. Sie hatte das Ehepaar im Zuge eines Projektes zu deutsch-japanischen Begegnungen kennen und schätzen gelernt. „Thomas Beckmann war ja schon länger schwer krank und hat gekämpft“, sagt sie. „Er war ein sehr interessanter Mann. Auch beide als Paar waren sehr interessant.“
Vehement hatte sich Thomas Beckmann lange Zeit gegen seinen Auszug aus dem sanierungsbedürftigen Schumann-Haus gewehrt, wo er mehr als 20 Jahre lang gelebt hatte. Das Thema sorgte für viel Aufsehen. Schließlich einigte er sich 2020 mit der Stadt darauf, dass er stattdessen im Ratinger Tor wohnen könne – und machte so Platz für die Arbeiten. In das historische Wohnhaus in der Carlstadt, in dem das Komponistenpaar Clara und Robert Schumann seinen letzten gemeinsamen Wohnsitz hatte, kehrte Beckmann somit nie zurück.
Neben vielen anderen Auszeichnungen war ihm 2013 das Bundesverdienstkreuz verliehen worden, für die Initiative zur Obdachlosenhilfe, die er selbst gegründet hatte. Für sie war er jahrelang unermüdlich unterwegs, gab unter der Überschrift „Beckmann spielt Cello“Konzerte in großen und kleinen Sälen in der gesamten Republik, um mit dem eingespielten Geld die örtlichen Obdachlosenhilfen zu unterstützen. Zwischenzeitlich musste sich der Musiker gegen Vorwürfe behaupten, von dem Geld komme zu wenig bei den Organisationen an. Er hat stets beteuert, keine Fehler gemacht zu haben.
Im Januar 2015 verließ der Aktivist die geschützten Räume und ging mit seiner Musik auf die Straße. Sogenannte Islamkritiker hatten sich aufgemacht, die jeden Montag im Bahnhofsviertel fremdenfeindliche Parolen brüllten. Beckmann nahm sein Cello und setzte sich mitten hinein in Demo und Gegendemo. Er habe sich in „die Höhle der Löwen gewagt“, sagte er später, um ein Zeichen zu setzen, einen Beitrag zur Versöhnung der Gesellschaft zu leisten. Dass dieser Beitrag im Gebrüll der Rechtsextremisten beinahe unterging, focht den Musiker nicht an. Er fürchtete nur ein wenig um sein kostbares Cello. „Man muss jetzt das Herz in beide Hände nehmen. Feigheit ist hier fehl am Platz“, sagte er. Und als zwei Jahre später die AfD ihren Wahlkampf im Düsseldorfer Henkelsaal eröffnete, war Beckmann mit dem Cello wieder dabei. Mitten in den Reihen der demonstrierenden AfD-Gegner wiederholte er stoisch drei Töne auf seinem Instrument: A, F und D. „Das ist D-Moll, und ich spiele es so schräg wie möglich“, erklärte er.
Die Familie plant jetzt eine „musikalische Trauerfeier“für den Verstorbenen,
wie Kayoko Beckmann sagt. „Das Haus und der Garten gehören zu uns – Thomas, mir und meinem Kater. Die eigene Ruhe ist zurückgekehrt. Ich fühle mich zu Hause, viele von Thomas‘ Sachen und sein Herz sind um mich herum.“
Eigentlich sei man in der Vorbereitung dafür gewesen, dass ihr Mann aus dem Krankenhaus in die RehaKlinik kommen sollte, berichtet sie. „Er war körperlich gut dabei. Auch vor seinem Tod war er stabil.“Am Freitag um 9 Uhr sei er dann überraschend gestorben. Beckmanns Todestag, der 29. Juli, ist auch der Todestag von Robert Schumann, der 1856 starb, bemerkt Kayoko Beckmann. In einem Interview mit Rosi Apitz hatte Beckmann einmal diese Worte über sie gesprochen: „Ich bin sehr froh, dass meine Frau und ich eine so liebevolle Beziehung haben. Jeder hilft dem anderen, auch in schweren Zeiten.“
Auch die Brüder des Verstorbenen melden sich zu Wort: „Während seiner nun über zweijährigen KomaZeit konnte er durch die intensive Pflege und Fürsorge von Kayoko gelinde Besserungen erfahren und Fortschritte machen. Er ist im Krankenhaus friedlich für sich allein eingeschlafen“, sagt Ludger Beckmann stellvertretend für die ganze Familie. „Thomas, dein Cello ist verstummt. Deine Töne klingen weiter. Danke für deine Musik und dein mutiges Engagement.“
Diesen Grabspruch des Vaters habe der Verstorbene geliebt: „Per aspera ad astra! – Durch das Leidvolle zu Sternen!“Und er habe wohl auch für das Leben des Bruders gegolten, der mit Zweitnamen Alois hieß und „Riemke“genannt wurde.
Am 18. April 1957 war Thomas Beckmann in Düsseldorf zur Welt gekommen. Nach seinem Studium der Altphilologie und Philosophie besuchte er die Musikhochschulen in Düsseldorf und Köln. Bereits während des Studiums wurde er als Solo-Cellist für verschiedene Berufsorchester verpflichtet. Seinen ersten prägenden Unterricht erhielt er bei Jürgen Wolf, dem Solocellisten der Düsseldorfer Symphoniker. Im Jahre 1980 wurde er in Genf Meisterschüler von Pierre Fournier.
Anlässlich eines Konzerts in Castel Gandolfo am 11. August 2012 sagte Papst Benedikt XVI.: „Das Engagement der Caritas und von Thomas Beckmann ist kein äußerlich aufgesetzter Zweck, sondern kommt von innen her aus dieser Musik, die die Kälte in uns überwindet und unser Herz auftut.“