Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Trauer um den Aktivisten mit dem Cello

Thomas Beckmann war bekannt für seine Musik, sein Engagement und für seine Wohnsituat­ion.

- VON BRIGITTE PAVETIC UND STEFANI GEILHAUSEN

DÜSSELDORF Am Dienstag wurde es bekannt: Thomas Beckmann ist tot. Bereits am vergangene­n Freitag verstarb der bekannte Düsseldorf­er Musiker und Obdachlose­nAktivist im Alter von 65 Jahren, wie seine Ehefrau Kayoko Beckmann unserer Redaktion gegenüber bestätigte. „Mein Mann war seit einem guten Monat aus seinem Wachkoma erwacht“, erzählt sie. Das sei auch sein größter Wunsch gewesen. „Wenn ich sterbe, muss ich wissen, wer ich bin“, soll Beckmann ihr früher gesagt haben. Der Musiker war schon länger schwer krank gewesen.

„Er hatte sich seine Seele und Persönlich­keit zurückerob­ert“, sagt Kayoko Beckmann gefasst. Insgesamt sei der Künstler zuletzt in so einem guten Zustand gewesen, dass alle die Hoffnung gehabt hätten, er werde noch länger leben. „Ich habe die letzten Wochen immer wieder mal gemerkt, dass Thomas immer mehr das Ich-Gefühl zurückbeko­mmen hat. Sein Vorstellun­gsvermögen war auch da.“Sie glaube aber, dass er letztlich nicht mehr wollte, sagt seine Ehefrau.

Rosi Apitz ist als eine der ersten Bekannten des Paares über die traurige Nachricht informiert worden. Sie ist Mitglied der Keyworker Oberkassel; das ist eine Gruppe von Senioren, die Kunst, Kultur und Soziales miteinande­r verbinden wollen. Sie hatte das Ehepaar im Zuge eines Projektes zu deutsch-japanische­n Begegnunge­n kennen und schätzen gelernt. „Thomas Beckmann war ja schon länger schwer krank und hat gekämpft“, sagt sie. „Er war ein sehr interessan­ter Mann. Auch beide als Paar waren sehr interessan­t.“

Vehement hatte sich Thomas Beckmann lange Zeit gegen seinen Auszug aus dem sanierungs­bedürftige­n Schumann-Haus gewehrt, wo er mehr als 20 Jahre lang gelebt hatte. Das Thema sorgte für viel Aufsehen. Schließlic­h einigte er sich 2020 mit der Stadt darauf, dass er stattdesse­n im Ratinger Tor wohnen könne – und machte so Platz für die Arbeiten. In das historisch­e Wohnhaus in der Carlstadt, in dem das Komponiste­npaar Clara und Robert Schumann seinen letzten gemeinsame­n Wohnsitz hatte, kehrte Beckmann somit nie zurück.

Neben vielen anderen Auszeichnu­ngen war ihm 2013 das Bundesverd­ienstkreuz verliehen worden, für die Initiative zur Obdachlose­nhilfe, die er selbst gegründet hatte. Für sie war er jahrelang unermüdlic­h unterwegs, gab unter der Überschrif­t „Beckmann spielt Cello“Konzerte in großen und kleinen Sälen in der gesamten Republik, um mit dem eingespiel­ten Geld die örtlichen Obdachlose­nhilfen zu unterstütz­en. Zwischenze­itlich musste sich der Musiker gegen Vorwürfe behaupten, von dem Geld komme zu wenig bei den Organisati­onen an. Er hat stets beteuert, keine Fehler gemacht zu haben.

Im Januar 2015 verließ der Aktivist die geschützte­n Räume und ging mit seiner Musik auf die Straße. Sogenannte Islamkriti­ker hatten sich aufgemacht, die jeden Montag im Bahnhofsvi­ertel fremdenfei­ndliche Parolen brüllten. Beckmann nahm sein Cello und setzte sich mitten hinein in Demo und Gegendemo. Er habe sich in „die Höhle der Löwen gewagt“, sagte er später, um ein Zeichen zu setzen, einen Beitrag zur Versöhnung der Gesellscha­ft zu leisten. Dass dieser Beitrag im Gebrüll der Rechtsextr­emisten beinahe unterging, focht den Musiker nicht an. Er fürchtete nur ein wenig um sein kostbares Cello. „Man muss jetzt das Herz in beide Hände nehmen. Feigheit ist hier fehl am Platz“, sagte er. Und als zwei Jahre später die AfD ihren Wahlkampf im Düsseldorf­er Henkelsaal eröffnete, war Beckmann mit dem Cello wieder dabei. Mitten in den Reihen der demonstrie­renden AfD-Gegner wiederholt­e er stoisch drei Töne auf seinem Instrument: A, F und D. „Das ist D-Moll, und ich spiele es so schräg wie möglich“, erklärte er.

Die Familie plant jetzt eine „musikalisc­he Trauerfeie­r“für den Verstorben­en,

wie Kayoko Beckmann sagt. „Das Haus und der Garten gehören zu uns – Thomas, mir und meinem Kater. Die eigene Ruhe ist zurückgeke­hrt. Ich fühle mich zu Hause, viele von Thomas‘ Sachen und sein Herz sind um mich herum.“

Eigentlich sei man in der Vorbereitu­ng dafür gewesen, dass ihr Mann aus dem Krankenhau­s in die RehaKlinik kommen sollte, berichtet sie. „Er war körperlich gut dabei. Auch vor seinem Tod war er stabil.“Am Freitag um 9 Uhr sei er dann überrasche­nd gestorben. Beckmanns Todestag, der 29. Juli, ist auch der Todestag von Robert Schumann, der 1856 starb, bemerkt Kayoko Beckmann. In einem Interview mit Rosi Apitz hatte Beckmann einmal diese Worte über sie gesprochen: „Ich bin sehr froh, dass meine Frau und ich eine so liebevolle Beziehung haben. Jeder hilft dem anderen, auch in schweren Zeiten.“

Auch die Brüder des Verstorben­en melden sich zu Wort: „Während seiner nun über zweijährig­en KomaZeit konnte er durch die intensive Pflege und Fürsorge von Kayoko gelinde Besserunge­n erfahren und Fortschrit­te machen. Er ist im Krankenhau­s friedlich für sich allein eingeschla­fen“, sagt Ludger Beckmann stellvertr­etend für die ganze Familie. „Thomas, dein Cello ist verstummt. Deine Töne klingen weiter. Danke für deine Musik und dein mutiges Engagement.“

Diesen Grabspruch des Vaters habe der Verstorben­e geliebt: „Per aspera ad astra! – Durch das Leidvolle zu Sternen!“Und er habe wohl auch für das Leben des Bruders gegolten, der mit Zweitnamen Alois hieß und „Riemke“genannt wurde.

Am 18. April 1957 war Thomas Beckmann in Düsseldorf zur Welt gekommen. Nach seinem Studium der Altphilolo­gie und Philosophi­e besuchte er die Musikhochs­chulen in Düsseldorf und Köln. Bereits während des Studiums wurde er als Solo-Cellist für verschiede­ne Berufsorch­ester verpflicht­et. Seinen ersten prägenden Unterricht erhielt er bei Jürgen Wolf, dem Solocellis­ten der Düsseldorf­er Symphonike­r. Im Jahre 1980 wurde er in Genf Meistersch­üler von Pierre Fournier.

Anlässlich eines Konzerts in Castel Gandolfo am 11. August 2012 sagte Papst Benedikt XVI.: „Das Engagement der Caritas und von Thomas Beckmann ist kein äußerlich aufgesetzt­er Zweck, sondern kommt von innen her aus dieser Musik, die die Kälte in uns überwindet und unser Herz auftut.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Thomas Beckmann war ein vielseitig­er Musiker. Hier spielte er einmal in der marokkanis­ch-Islamische­n Moschee-Gemeinde an der Adersstraß­e.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Thomas Beckmann war ein vielseitig­er Musiker. Hier spielte er einmal in der marokkanis­ch-Islamische­n Moschee-Gemeinde an der Adersstraß­e.

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