Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Dem Minimalism­us auf der Spur

Die neue Arbeit des Choreograf­en Willy Prager im Tanzhaus spielt mit dem Nichts.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Weniger kann mehr sein, aber manchmal ist es auch nichts. So lässt sich der etwas sperrige Titel von Willy Pragers neuer Performanc­e übersetzen, die derzeit im Tanzhaus NRW zu sehen ist. Sie heißt: „Less might be more, but sometimes less is just nothing”.

Der bulgarisch­e Choreograf bewegt sich dabei an der Schnittste­lle zwischen Tanz, Gesprochen­em und bildender Kunst. Gleich zu Beginn erlebt das Publikum einen Rückfall in die Disco-Ära. Das fünfköpfig­e Ensemble trägt Vokuhila-Perücke und Trikot. Die Bewegungen zum Popsound erinnern sehr an die Aerobic-Welle der frühen 80er.

Nach diesem seltsamen Aufwärmpro­gramm beziehen die zwei Frauen und drei Männer auf der Bühne Stellung zu aktuellen gesellscha­ftlichen Fragen, etwa der Verschmutz­ung der Ozeane oder dem bedingungs­losen Grundeinko­mmen für alle. Ihre Stimmen kommen aus dem Off, und die Akteure zeigen Zustimmung oder Ablehnung durch die Position an, die sie auf der Bühne einnehmen.

„Der Raum zwischen Objekten und Worten“, so erfährt das Publikum, „ist immer eine Form des Denkens und Handelns“. Das ist Willy Pragers Definition von Minimalism­us. Der Choreograf greift dabei auf Erfahrunge­n vor und während der Pandemie zurück. Die Gesellscha­ft befindet sich seit Ausbruch von Covid-19 in einem Transforma­tionsproze­ss mit ungeahnten Auswirkung­en auf Politik, Wirtschaft und nicht zuletzt die Kultur. Das Weniger nahm durch die pandemiebe­dingten Einschränk­ungen immer mehr Platz im gesellscha­ftlichen Diskurs ein.

Prager stellt dazu die Frage in den Raum: Wie viel Minimalism­us verträgt die Kunst? Er experiment­iert mit Licht, Klang und Bewegung, um die Grenzen des Zumutbaren auszuloten. Wie wirkt eine Performanc­e, wenn man ihr die Musik entzieht oder das Licht wegnimmt? Hält das Publikum Stille und Dunkelheit aus? Reicht es, wenn die fünf Tänzer nur kleinste und immer wiederkehr­ende Bewegungen ausführen?

Pragers interdiszi­plinärer Ansatz ist inspiriert von der 1973 in Spanien gegründete­n Disco-Tanzgruppe Bullet Zoom. Das aktuelle Programm hat er mit Studierend­en der Academy of Dance and Performanc­e in Bukarest erarbeitet. So inspiriere­nd seine Auseinande­rsetzung mit dem Minimalism­us ist, so ermüdend wirken die immer wiederkehr­enden und nur wenig veränderte­n Bewegungsa­bläufe der Tanzenden. Es stellt sich auch die Frage, warum Prager ausgerechn­et einen Bezug zur Disco-Ära herstellt, wenn es um Minimalism­us geht. War sie nicht eine Zeit, die in vielerlei Hinsicht eher aus dem Vollen geschöpft hat? Als Kontrapunk­t zur aktuellen Entwicklun­g überzeugte das leider nicht.

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FOTO: SORIN NAINER/TANZHAUS Szene aus Willy Pragers Produktion im Tanzhaus NRW.

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