Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Dem Minimalismus auf der Spur
Die neue Arbeit des Choreografen Willy Prager im Tanzhaus spielt mit dem Nichts.
DÜSSELDORF Weniger kann mehr sein, aber manchmal ist es auch nichts. So lässt sich der etwas sperrige Titel von Willy Pragers neuer Performance übersetzen, die derzeit im Tanzhaus NRW zu sehen ist. Sie heißt: „Less might be more, but sometimes less is just nothing”.
Der bulgarische Choreograf bewegt sich dabei an der Schnittstelle zwischen Tanz, Gesprochenem und bildender Kunst. Gleich zu Beginn erlebt das Publikum einen Rückfall in die Disco-Ära. Das fünfköpfige Ensemble trägt Vokuhila-Perücke und Trikot. Die Bewegungen zum Popsound erinnern sehr an die Aerobic-Welle der frühen 80er.
Nach diesem seltsamen Aufwärmprogramm beziehen die zwei Frauen und drei Männer auf der Bühne Stellung zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen, etwa der Verschmutzung der Ozeane oder dem bedingungslosen Grundeinkommen für alle. Ihre Stimmen kommen aus dem Off, und die Akteure zeigen Zustimmung oder Ablehnung durch die Position an, die sie auf der Bühne einnehmen.
„Der Raum zwischen Objekten und Worten“, so erfährt das Publikum, „ist immer eine Form des Denkens und Handelns“. Das ist Willy Pragers Definition von Minimalismus. Der Choreograf greift dabei auf Erfahrungen vor und während der Pandemie zurück. Die Gesellschaft befindet sich seit Ausbruch von Covid-19 in einem Transformationsprozess mit ungeahnten Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und nicht zuletzt die Kultur. Das Weniger nahm durch die pandemiebedingten Einschränkungen immer mehr Platz im gesellschaftlichen Diskurs ein.
Prager stellt dazu die Frage in den Raum: Wie viel Minimalismus verträgt die Kunst? Er experimentiert mit Licht, Klang und Bewegung, um die Grenzen des Zumutbaren auszuloten. Wie wirkt eine Performance, wenn man ihr die Musik entzieht oder das Licht wegnimmt? Hält das Publikum Stille und Dunkelheit aus? Reicht es, wenn die fünf Tänzer nur kleinste und immer wiederkehrende Bewegungen ausführen?
Pragers interdisziplinärer Ansatz ist inspiriert von der 1973 in Spanien gegründeten Disco-Tanzgruppe Bullet Zoom. Das aktuelle Programm hat er mit Studierenden der Academy of Dance and Performance in Bukarest erarbeitet. So inspirierend seine Auseinandersetzung mit dem Minimalismus ist, so ermüdend wirken die immer wiederkehrenden und nur wenig veränderten Bewegungsabläufe der Tanzenden. Es stellt sich auch die Frage, warum Prager ausgerechnet einen Bezug zur Disco-Ära herstellt, wenn es um Minimalismus geht. War sie nicht eine Zeit, die in vielerlei Hinsicht eher aus dem Vollen geschöpft hat? Als Kontrapunkt zur aktuellen Entwicklung überzeugte das leider nicht.