Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wo die Kunstkategorien verschwimmen
Die Werke beim diesjährigen Winterrundgang der Kunstakademie bewegen sich zwischen den Genres.
Die Zeiten, da man sämtliche Ausstellungsstücke des Rundgangs traditionellen Kategorien wie Malerei, Skulptur, Fotografie und Installationskunst zuordnen konnte, sind – abgesehen von wenigen Ausnahmen – vorbei. Seit Jahren schon mischt sich zusehends alles mit allem. Auch viele Professoren sind nicht mehr auf ein einziges Genre eingeschworen. Die Rundgänge im Winter und im Sommer profitieren davon ebenso wie das Publikum, das am ersten Tag der bis einschließlich Sonntag, 4. Februar, dauernden Präsentation schon vor 10 Uhr auf Einlass wartete. Der ist wie immer unentgeltlich, und erst jeweils um 20 Uhr wird geschlossen (zumindest offiziell).
Malerei in Sonderstellung Zu den Sparten, die sich vergleichsweise wenig den anderen Abteilungen der Kunst öffnen, zählt die Malerei. Als Student in der Klasse von Professorin Katharina Wulff zeigt Max Mucha traumhaft anmutende Bilder, die, wie er erläutert, „auf freie Weise den Zeitgeist ausdrücken“– farbstarke Malereien zum Verhältnis zwischen Natur und Zivilisation. Ein Vogelbild wirkt auf den ersten Blick schön, auf den zweiten offenbart es die grausame Seite der Natur, den Überlebenskampf. Ähnlich blickt Mucha auf die Gegenwart: Es gibt viel Schönes, doch dahinter lauert nach wie vor Corona – und der Krieg an zahlreichen Schauplätzen erst recht.
Lara Werth, ebenfalls aus der Klasse Wulff, hat ihre Eindrücke von einem viermonatigen Aufenthalt in Thailand in einem riesigen Format zusammengefasst, einem Urwald aus Flugzeugen, Hochhäusern, einem Blick in eine Kellerwohnung und üppig wuchernder Vegetation. Nur ein Motiv sucht man vergebens: Menschen. Was so etwas wohl kostet? Lara Werth will einen Preis nur auf Anfrage per Mail nennen. Die Adresse steht auf dem Künstlerverzeichnis ihres Ausstellungsraums an der Eingangstür, wie auch bei den meisten anderen Künstlern des Rundgangs.
Kontaktfreudige Skulptur Im Vergleich mit der Malerei öffnet sich die Skulptur eher anderen Genres, doch es behaupten sich nach wie vor auch Einzelwerke. Emmanuel.le Mazaud aus der Klasse von Professor Martin Gostner versteht sich als Transperson und hat dies zum Thema einer formschönen, zugleich irritierenden braunen Plastik gemacht, die er zunächst in Ton formte und dann in Gips goss. Ein deformierter Körper
ungewissen Geschlechts und ohne Gesicht greift mit einer Hand in seinen Leib und damit in den Ton, aus dem er ursprünglich gestaltet war. Der Preis, den Mazaud auf Anfrage nennt, bezieht sich auf eine erheblich vergrößerte Version der ausgestellten Skulptur, die er erst noch erschaffen müsste: 10.000 Euro.
Ein Magazin als Kunst Sophie Ramirez mit dem Künstlernamen Soff (Klasse Professor Koenraad Dedobbeleer) hat im Flur des ersten Obergeschosses einen fantasievollen Verkaufsstand errichtet, in dem sie die neueste Ausgabe ihres Magazins verkauft. Es enthält ihr privates
und professionelles Tagebuch. Das handelt vom Menschsein, von Intelligenz und von eigenen Liebesgeschichten, die die Künstlerin zum Weinen brachten. Hier gibt es einen klaren Verkaufspreis: 30 Euro.
Installation ist vielseitig Chris Catme-Katzemidas ist ein sogenannter Flurstudent und hat soeben sein Schlussexamen abgelegt. „Flurstudent“heißt, dass er nicht bei einem einzigen Professor gelernt hat, sondern stets auf den Fluren der Akademie unterwegs war, mal hier, mal dort hineingeschaut und sich manches abgeguckt hat. Die Installation, die er beim Rundgang
zeigt, ist ein Beispiel dafür, wie viele unterschiedliche Materialien und Genres heutzutage unter dem Begriff „Installation“zusammentreffen. Das Thema seines Werks ist traurig: seine Verarbeitung des Leids, das er nach einer Fehlgeburt seiner Partnerin empfand. Auf einer Unterlage aus Siebdrucken erhebt sich eine dreidimensionale Figur mit einem Propeller im Rücken. Auf einem dahinter befindlichen Arbeitstisch liegt ein überdimensioniertes Herz, der „Grabstein“für den verstorbenen Sohn. Darüber ragt am Fenster ein Kreuz aus Neonleuchten auf. Catme-Katzemidas versteht das Ensemble als „Modernisierung des
Glaubens für mich persönlich“.
Queere Themen Mathias Theis studiert bei Professorin Dominique Gonzalez-Foerster und kann als weiteres Beispiel dafür gelten, wie sich junge Künstler neue Themen erschließen. Seine Arbeit „Cruising“zeigt anhand von Architekturmodellen, wie öffentliche Toiletten aussehen, in denen Homosexuelle anonym zum Sex zusammenkommen. Intimität, so erläutert der Künstler, wird dort „verkürzt und auf den Ort heruntergebrochen“. Sex an öffentlichen Orten ist für Theis zugleich Ausdruck der Wertschätzung von queerer Kultur. Die Installation gehört
zu einer Flohmarktsituation, die Theis‘ Kommilitonen aus der Klasse Gonzalez-Foerster in deren Akademie-Atelier aufgebaut haben. Vieles davon, aber nicht alles ist verkäuflich.
Preise Insgesamt liegen die Preise für Kunst auf diesem Winterrundgang zwischen jenen 30 Euro für das Tagebuch-Magazin und (vermutlich) den 10.000 Euro für den derzeit noch nicht in Übergröße existierenden Torso. Man sollte seinen Besuch tunlichst nicht aufs Wochenende legen, denn dann wird es erfahrungsgemäß voll in der Akademie.