Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Zwei Herzensbrecher in Liebesnöten
Bei RTL kämpfen nun Bachelors im Doppelpack um die Neigung der Damen. Wie das ausgehen kann, zeigen Musik und Literatur.
DÜSSELDORF Bei Mozart kann jeder RTL-Bachelor lernen, dass erotischer Kontakt zu sehr vielen Frauen ins Verderben führt. In der sogenannten Registerarie zählt der Diener Leporello auf, wie viele Frauen sein Herr Don Giovanni schon bezirzt, verführt, brüskiert, verwirrt und am Ende fallengelassen hat: allein in Spanien „mille e tre“, also 1003. Eine imposante Eroberungsleistung, von welcher sogar der legendäre Signor Casanova nur träumen konnte. Den gab es übrigens wirklich. Der mythische Don Giovanni wurde für seine Unersättlichkeit mit dem Tod bestraft.
Der RTL-Bachelor bringt es in einer Staffel auf knapp über 20 Herzdamen, eine stattliche Auswahl, auf die er sich nichts einbilden darf. Manche Dame und er scheinen als potenzielles Paar ebenso ausgeschlossen wie etwa Sahra Wagenknecht und Oliver Pocher. Einige Kandidatinnen disqualifizieren sich selbst für das intime Rendezvous im „Einzel-Date“und erfüllen einzig den Zweck, Zickenkrieg zu entfachen („Guck mal, wie die sich ranschmeißt“). Diese Verwalterinnen der miesen Laune in der „Ladys Villa“kann keiner leiden, sie werden sieben Folgen lang geduldet und dann abserviert. Das weiß jeder.
In diesem Jahr erleben wir einen neuen Anstrich für die etwas abgewohnte Bude, das Format ist – ein Wunder bei RTL – lustiger geworden und bunter, denn neuerdings gibt es zwei Bachelors: den schneidigen, pfundigen, hungrigen, gut gelaunten Dennis aus dem Allgäu und den ausgeruhten, smarten, eher besonnenen Sebastian aus Hamburg. Dennis hat Waschbrettbauch, Sebastian Reife. Dennis ist ein großer herziger Bub, bei Sebastian werden möglicherweise Vaterkomplexe bedient. Auch dialektal sind beide gut zu unterscheiden.
Einstweilen sind die beiden weiblichen Truppen, die hinter jedem der beiden Helden stehen, noch reich an
Personal. Doch mit jeder Folge werden sie dezimiert, und das Pikante sind dann auch die Lagerwechsel oder Übernahmefantasien – dass zum Beispiel die Leonie aus dem Team Sebastian plötzlich auf der emotionalen Wärmebildkamera von Dennis erscheint. Das kann noch heiter werden.
Einstweilen sind die beiden Buben gute Kumpel wie Max und Moritz, wie zwei Füchse im Hühnerstall, sie lachen und scherzen, nennen einander „den Kollegen“oder auch schon mal „den Schlawiner“– doch naht der Tag, an dem sich eine weitere Standardsituation des richtigen Lebens auftut: zwei Männer in Konkurrenz um eine Frau. Auch in der belletristischen Literatur wird diese archaische, an Charles Darwin (Evolution) und Bernhard Grzimek (Tierwelt) geschulte Konstellation wörtlich benannt, es handelt sich um das klassische Prinzip des Nebenbuhlers.
Schon in der jüngsten Folge ging es ruppiger zu. Die Teams spielten Rugby, es wurden harte Bandagen an- und Kriegsbemalungen aufgelegt. Zuweilen wirkten die Damen wie Amazonen, die mit männlicher Ikonik wenig anfangen konnten. Solche emanzipatorischen Prozesse sind der Wahrheitsfindung andererseits förderlich, denn beide Herren streben ausdrücklich nach selbstbewussten Partnerinnen. Dass sich nun Dennis plötzlich für Leonie erwärmt, das ist balztechnisch possierlich und erfreut uns Betrachter ungemein. Die anderen Damen haben für die Umschwärmte nur eine Berufsbezeichnung parat: Sie ist „die Hexe“.
Wer sich jedenfalls erinnert, wie Nebenbuhler – vom Alten Testament ganz zu schweigen – bei Theodor Fontane („Cécile“) oder Honoré de Balzac („Die menschliche Komödie“) die konventionelle Ausschließlichkeit des Liebeslebens störten und gewisse Formen von Beißwut freisetzten, der kann ahnen, was die beiden Bachelors noch anstellen werden. Denn den Hühnern im Stall sind die Gockel nicht unähnlich, sobald es ans prächtige Gefieder und an die lebensnotwendigen Innereien geht.
Vor laufender Kamera kann uns Rivalität in Liebesdingen also nur willkommen sein, weil Unsicherheit eine produktive, spannungsfördernde Kategorie ist. Sie kratzt an der Eitelkeit der Kombattanten und setzt Kräfte bei ihren Hahnenkämpfen frei. Hinzu kommt die Tatsache, dass hier, im „Bachelor“-Format, niemand von einem/r anderen wissen kann, ob es wirklich um die Liebe geht oder um die Teilhabe am TV-Glamour. Erinnert sich jemand an eine gewisse Leyla Lahouar, die bei einer früheren Bachelor-Staffel mit Piepsstimme um männliche Gunst bettelte? Nun ist sie bereits eine Bühne weiter engagiert und schlägt im Dschungelcamp die höhere Schauspiellaufbahn ein.
Der erfahrene „Bachelor“-Konsument weiß natürlich, wie die Chose ausgeht. Die beiden Hähne werden Leonie, Rebecca, Larissa und Kim in die letzten Runden wählen, danach geht es um die irrationalen Mächte im Menschen sowie um Versuch und Irrtum. Nicht jede Enttäuschung ist bekanntlich eine Tragödie. In Wagners „Tannhäuser“vermag Wolfram die Liebe Elisabeths im Liebesduell mit dem Titelhelden nicht zu erringen. Aber er überlebt.
Bei Wagner ist Liebe immer Untergang. Bei RTL müssen die Paare hinterher zu Frauke Ludowig aufs Sofa. Das ist viel, viel schlimmer.