Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Tanzen auf allen Saiten
Das Zürcher Kammerorchester und der Geiger Daniel Hope bereiteten einen famosen Abend in der Tonhalle.
Für eine Tanzveranstaltung mag die Düsseldorfer Tonhalle nicht der ideale Ort sein. Für eine erstklassige Show mit Tanzmusik aus sieben Jahrhunderten hingegen schon – jedenfalls dann, wenn der Geiger Daniel Hope und sein Zürcher Kammerorchester zu Gast sind. Das Publikum auf den fast voll besetzten Rängen blieb trotz animierender Rhythmen in den zweieinhalb kurzweiligen Stunden gesittet auf seinen Plätzen – bis es am Ende im Stehen applaudiert, was sich Hope und sein Zürcher Kammerorchester mit ihrem Auftritt redlich verdient hatten.
Gastgeber Hope, der als charmanter Conférencier „700 Jahre Tanz und Musik“verspricht, erläuterte mit Anekdoten seine Idee hinter dem Programm, an dem er zwei Jahre lang gearbeitet und mit dem er sich wieder viel vorgenommen hat: Es geht um das Gemeinsame im Tanz, der „die Menschheit inspiriert“, es geht um den Ursprung von Rhythmen und Bewegung, aber auch um koloniales Erbe und die europäische Geschichte. Hope beschreitet gerne unkonventionelle Wege – und trifft damit auch dieses Mal ins Herz des Publikums.
Auf Christoph Willibald Glucks „Air de furies“aus der wegweisenden Oper „Orpheus und Eurydike“zu Beginn folgt ein Auftritt von Michael Metzler mit Tambourin und Emanuele Forni an der Laute, die in die Klangwelt des 14. Jahrhunderts entführen: „Tristans Klage“ist ein tänzerisches Lamento, das deutlich macht, warum Tanz Ausdruck aller Emotionen sein kann – und nicht nur Unterhaltung, wie bei Händels barockem Rigaudon aus der „Wassermusik“ und Dall’Abacos „Concerto“. Willkommen in der Welt höfischer Eleganz.
Mit Mozarts berühmtem B-DurRondo, in dem Hope als Solist überzeugt, und Schuberts Deutschen Tänzen führt der Weg nach Wien, der europäischen Hauptstadt des Tanzes. Hope erzählt, wie sehr Mozart die deutschen Tänze liebte, die tief in der Partynacht das höfische Zeremoniell ablösten – dann hieß es „Rock me Amadeus“. Vor allem bei Schubert sind Hope und die Zürcher hörbar in ihrem Element: Das ist wunderbar delikat und klangschön musiziert. Höhepunkt der ersten Hälfte sind Béla Bartóks „Rumänische Volkstänze“, die Hope als Geiger besonders liegen – hier kann er seine immense Musikalität und Präsenz ausspielen.
Schon diese weite musikalische Reise zeigt, worauf es ankommt in diesem Programm: Es braucht einen roten Faden, damit kein beliebiges Potpourri daraus wird, und große Flexibilität bei all diesen verschiedenen Stilen und Stücken. Was die Zürcher mit ihren 20 Streichern plus Holzbläser, die bis auf die drei Celli zweieinhalb Stunden stehend musizieren, an Präzision, Klangfülle, dynamischer Bandbreite und Spielfreude bieten, ist einfach hinreißend. Alles funktioniert auf den Punkt, es gibt kein Herantasten und keine Unsicherheit: So viel Musik war selten.
Natürlich ist das Programm „Dance!“, das am 2. Februar auf CD erschien und auf der aktuellen Deutschlandtour schon mehrfach aufgeführt worden ist, kein Neuland für Solist und Orchester. Umso beeindruckender, dass hier jede Sekunde mit Risiko und Leidenschaft musiziert wird. Auch in der zweiten
Hier zeigt Hope, dass er die Grenzen zwischen klassischem Solisten und Stehgeiger mühelos überschreitet
Hälfte, die mit dem Klezmer-Traditional „Odessa Bulgar“beginnt: Hier zeigt Hope, dass er die Grenzen zwischen klassischem Solisten und Stehgeiger mühelos überschreitet. Mit dem kurzen Ragtime der afroamerikanischen Komponistin Florence Price erweitert er den Blick aufs klassische Repertoire, ehe eine Art „Best of“folgt: Von Saint-Saëns‘ „Danse macabre“über Offenbachs „Galop infernal“, Tschaikowskis Pas de deux aus dem Ballett „Schwanensee“– mit herrlichem Duett zwischen Geige und Solo-Cello – und Prokofieffs „Tanz der Ritter“aus „Romeo und Julia“versetzt er das Publikum in Ekstase. Wieder gelingt es Hope und Orchester, blitzschnell umzuschalten und immer den richtigen, angemessenen Ton zu finden – bei durchgehend sehr hohem spieltechnischen Niveau.
Der „Hansdampf in allen Gassen“Geiger, der im vergangenen Jahr seinen 50. Geburtstag feierte, schlüpft nebenbei souverän in die Rolle des Musikvermittlers, die er unter anderem als Moderator auf WDR 3 spielt. Er nimmt das Publikum an die Hand und fragt vor der „Tarantella“aus den „Fünf Stücken für Streichquartett“von Erwin Schulhoff – „einem der spannendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts“– ganz direkt, ob hier jemand Schulhoff kenne.
Bei Astor Piazzolla stellt sich die Frage nach der Bekanntheit weniger, mit seinem „Escualo“und dem beeindruckenden „Orawa“des zeitgenössischen polnischen Komponisten Wojciech Kilar, der Minimal Music im Stil von John Adams und Philip Glass schreibt, endet der wilde Reigen – vorerst.
Nach großem Jubel gibt es noch einen Walzer von Schostakowitsch, einen Ungarischen Tanz von Brahms und einen Walzer von Britten als Zugaben. Let’s dance.