Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Grünes Hadern mit der Realpolitik
Wenn eine Partei keine Regierungsverantwortung trägt, lassen sich Grundsatzprogramme recht einfach formulieren. Wenn eine Partei dagegen Regierungsverantwortung trägt, ist sie mit allen Problemen konfrontiert – und auch für deren Lösung verantwortlich. Wie sehr programmatische Ziele und die alltäglichen Probleme jedoch auseinanderklaffen können, haben zuletzt insbesondere die Grünen zu spüren bekommen. Für die Ampelkoalition, die die Bundesregierung bildet, lässt sich sagen, dass die Grünen von den drei beteiligten Parteien die meiste Flexibilität mit Blick auf ihr Programm an den Tag legen mussten. Es ist ihnen anzurechnen, dass sie inzwischen zu dieser Flexibilität gefunden haben.
Bei der geplanten Cannabis-Reform gibt es nun mächtig Ärger zwischen der Parteispitze und den Landesregierungen, die teils erhebliche Bedenken bei der Reform haben. Beispiel Nordrhein-Westfalen: Der grüne Justizminister Benjamin Limbach ist einer der Wortführer im Widerstand gegen die vom Bund gewollte Teillegalisierung und setzt sich für ein späteres Inkrafttreten ein. Für die Bundesgrünen, die mit der Cannabis-Legalisierung schon immer auch Klientelpolitik betrieben haben, käme eine von den eigenen Leuten aus den Ländern gestoppte Reform zur Unzeit. Schließlich stehen in diesem Jahr die Europawahl und drei Landtagswahlen an. Dass nun Druck aus der Bundesspitze auf die Länder ausgeübt wird, das Prestigeprojekt nicht zu verzögern oder gar zu stoppen, ist aus programmatischer Sicht verständlich. Doch es offenbart, wie sehr die Grünen hadern mit ihren langjährigen Programminhalten und der Realpolitik, wenn sie in Regierungsverantwortung sind. Bei der Cannabis-Reform könnte nun ein Punkt erreicht sein, an dem es den Bundesgrünen reicht, nachdem sie an so vielen anderen Stellen sich verbiegen mussten.