Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Rheinisch köstlich
Die Spezialitäten der regionalen Küche sind deftig und geschmackvoll – und ihre Zubereitung ist voller kleiner und großer Tricks. Unsere Reporter haben sich von Profis in die wichtigsten davon einweihen lassen.
DDraußen auf der Bolkerstraße in der Altstadt herrscht am Vormittag noch andächtige Ruhe. Drin in der Traditionsbrauerei Zum Schlüssel aber ist schon geschäftiges Treiben ausgebrochen, in zwei Stunden beginnt das Mittagsgeschäft, die Küche hat bis dahin noch einiges zu tun. Es werden Kartoffeln geschält, es wird Gemüse geputzt, aber dazwischen nimmt sich Küchenchef Volker Raguse Zeit, mich in die Geheimnisse und Tricks rund um eines der Lieblingsgerichte der rheinischen Küche einzuweihen: Düsseldorfer Senfrostbraten.
Das erste Geheimnis ist eigentlich gar keins: Der Name dieses Traditionsessens ist irreführend, denn der Braten ist gar kein Schmorgericht – sondern ein Stück kurzgebratenes Fleisch, das mit einer würzigen Senfkruste überzogen wird. Das mit dem Traditionsessen stimmt dagegen vollkommen: „Es wird bei uns tatsächlich sehr gern und oft bestellt“, sagt der Koch: „Die Leute mögen diese deftige, qualitätsvolle Küche – und die Touristen freuen sich außerdem, dass sie etwas ganz Typisches bestellen können, das es so nur hier gibt.“Wenn Messe ist, wie beispielsweise jetzt bei der ProWein, wird es ohnehin reichlich voll in der Hausbrauerei, und die Gäste verstehen etwas von Trinken und Essen; da kommen so einige Portionen der beliebtesten Traditionsgerichte auf den Tisch, Schweinshaxe gibt es auch und Sauerbraten, aber vom Rind.
Die Paste für die Senfkruste wird im Schlüssel in größeren Mengen vorbereitet, schließlich braucht man gut 50 Gramm für jede Portion. Ich habe in der Vorbereitung auf diesen Termin schon gelernt, dass jeder Koch bei der Rezeptur ein wenig seinen eigenen Ansatz hat, der meines heutigen Lehrers ist knapp und klar und sozusagen das zweite Geheimnis: Auf 100 Gramm Senf etwa 15 Gramm Schmorzwiebeln (in Streifen) und etwas weniger rohe Zwiebeln (gewürfelt); dazu etwas Salz und wenig Zucker, alles gut verrühren. „Das muss man ein bisschen auch nach Gefühl machen, die Konsistenz muss stimmen, damit die Kruste später gut hält“, so der Tipp. Demonstrativ gibt der Koch einen großen Löffel der Masse auf eines der Rumpsteaks auf der Arbeitsfläche, rund 220 Gramm schwer, die vorher mariniert wurden. Schön verteilen und feststreichen, ich darf es auch versuchen und finde, dass es mir auf Anhieb auch gut gelingt.
Das Stück Fleisch mit der Senfseite (was irgendwie ein noch schöneres Wort ist als Schokoladenseite) erst in Mehl zu wälzen und dann auf die Bratplatte zu geben, ist dagegen eine Herausforderung. Ein bisschen nehme ich innerlich Anlauf wie beim Pfannkuchenwenden, dann drehe ich das Fleisch beherzt um und lege es auf die Platte – nichts von der Senfpaste fällt ab, alles hält. („Deswegen ist es so wichtig, dass die Konsistenz stimmt.“) Zwei Minuten brät das Steak auf der Senfseite brutzelnd an, weitere drei bis vier Minuten auf der anderen Seite, danach kommt es bei rund 145 Grad in den Ofen – etwa zehn Minuten, aber das hängt von der gewünschten Garstufe ab. Alternativ wird es im Hochtemperaturgrill gegart. Ganz schön warm wird es so oder so in der Küche einer Hausbrauerei; die Mitarbeiter kennen das nicht anders und wuseln unbeeindruckt und bestens eingespielt zwischen Regalen und Arbeitsflächen. Der Küchenchef prüft gerade mit dem Finger, ob der Senfrostbraten schon „medium“ist, er drückt dazu natürlich an der Seite und lästert ein wenig über Hobbyköche, die professionell tun und dann von oben auf die angebratene Seite drücken. Für die wäre das dann auch Geheimnis Nummer drei.
Für den Küchenchef, der schon einmal fast im Ruhestand war und dem es nach monatelanger Motorradtour dann doch zu langweilig war ohne die Arbeit in der Küche, ist der Senfrostbraten ein Inbegriff der rheinischen Küche. Einfach ein deftiges und gleichzeitig raffiniertes Essen, das hier auf einer Rotwein-Sauce und traditionell mit frischen Bratkartoffeln serviert wird. Die werden im Schlüssel aus vorgekochten Kartoffeln zubereitet, nur grob zerkleinert; und schmurgeln schon seit einer Weile in der Pfanne, ehe sie nun auf den Teller gegeben werden, „wir machen immer eine ordentliche Portion“. Will man denn, wenn man täglich Senfrostbraten macht, gelegentlich selbst noch einen essen? Der Koch lächelt breit und streicht sich genießerisch über die Kochschürze und das wäre dann auch klar.
Christian Dauser ist Erbsensuppenfan. Kein Wunder, hat er doch schon als Kind auf der Gulaschkanone seines Vaters gestanden und das deftige Essen verkauft. Dauser und Suppe, Suppe und Dauser – die Begriffe sind in Düsseldorf untrennbar miteinander verbunden. Trotzdem hat es fast ein Vierteljahrhundert gedauert, bis es die mittlerweile so bekannte Erbsensuppe bei dem Traditionsunternehmen überhaupt gab. „Mein Großvater hat das Unternehmen 1949 an der Wupperstraße gegründet. Doch erst mein Vater hat 1973 die Erbsensuppe ins Programm genommen“, sagt der heutige Firmenchef.
Früher verkaufte sie sich „mit Abstand“am besten von den verschiedenen Suppen und Eintöpfen im Angebot. Doch seit einige Jahren sinkt ihr Anteil an dem, was rausgeht an die Düsseldorfer Suppenfans. Woran liegt’s? „Ich glaube, der typische Düsseldorfer stirbt aus. Die Stadt ist in den vergangenen Jahren so stark gewachsen, viele Menschen sind neu hierher gezogen, die verbinden Dauser gar nicht unbedingt mit Erbsensuppe“, sagt Christian Dauser.
Hat er mal überlegt, beispielsweise mit einer vegetarischen Variante der Suppe dem aktuellen Trend zum fleischlosen Essen zu folgen? Davon will Christian Dauser nichts wissen: „Unsere Erbsensuppe wird klassisch mit Speck und Wurst gekocht. Davon lassen wir uns auch nicht von der Neuzeit abbringen. Die Leute kommen ja zu Dauser, weil sie wissen, dort bekommen sie noch ihre Klassiker.“Die Nachfrage nach einer vegetarischen Variante sei auch verschwindend gering. „Außerdem ist in der Suppe gar nicht so viel Speck und Fleisch, das liegt im einstelligen Prozentbereich.“
In der Küche im Betrieb an der Ulmenstraße wird gekocht. Fünf riesige Töpfe, eigentlich sind es rechteckige Wannen, stehen dort nebeneinander. In einer davon hat Dauser am Morgen eine neue Erbsensuppe ansetzen lassen. „400 Liter gehen da rein“, verrät er. Auf der anderen Seite des Raumes hängen die Mettwürste auf einem Wagen. „Die machen wir hier alle selber.“Schon bald gibt es die Dauser’sche Erbsensuppe an drei Stellen in der Stadt zu kaufen, an der Ulmenstraße, auf dem Carlsplatz und künftig auch im ehemaligen Roberts Bistro im Hafen. Zudem steht sie in Dosen verpackt bei Edeka in Düsseldorf und Umgebung im Regal. Wie viel der Suppe mit den grünen Hülsenfrüchten gehen pro Jahr über die Theke? So richtig könne er das gar nicht sagen, erklärt er: „Ich denke, dass wir so 16 bis 18 Tonnen Erbsen pro Jahr verarbeiten.“
Möchte man sich am heimischen Herd einmal an einer selbstgemachten Erbsensuppe nach Dauser-Art versuchen, was würde der Profi dann raten? „Als erstes werden die Erbsen abgewaschen und einen Tag vorher eingeweicht.“Googelt man nach Erbsensuppe, dann scheiden sich die Geister übrigens an der Frage, ob man dafür nun geschälte oder ungeschälte Erbsen nehmen möge. Für Dauser ist das keine Frage, „auf jeden Fall die grünen ungeschälten“. Die sind wegen der Ballaststoffe nicht nur gesünder, sie behalten auch nach dem Kochen ihre Form. „Wenn ich eine Erbsensuppe esse, dann möchte ich auch auf eine Erbse beißen können.“
Die Erbsen bleiben dann in ihrem Einweichwasser, alle Zutaten werden hinzugefügt, als da wären: „Auf jeden Fall gehört Majoran in eine Erbsensuppe; wer möchte, kann sie auch mit Fleisch- oder Gemüsebrühe kochen. Dann Salz, kleingeschnittenes Eisbeinfleisch und fetter Speck, Suppengrün, Porree und Kartoffeln sind wichtig. Und das war es auch schon“, verrät Dauser. „Dann würde ich die Suppe aufkochen, eine Stunde lang stehen lassen und dann nochmal aufkochen, schon ist sie fertig.“
Wenn es mal schnell gehen soll, würde er dann Erbsen aus dem Glas oder besser die Tiefkühlvariante nehmen? „Eigentlich keine davon, das sind ja komplett andere Erbsen.“Sein Tipp: „Statt die Erbsen schon am Vortag einzuweichen, kann man sie ohne irgendwelche Zutaten anderthalb Stunden weich kochen“.
Bleibt zum Schluss nur noch ein Thema, das sich beim Genuss der Lieblingssuppe aufdrängt: Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen und jede Erbse auch – sagt man schließlich. Dauser hat auch dazu einen Tipp: „Da hilft ein Killepitsch!“
Christoph Paas und die rheinische Küche – das passt. Der Küchenchef vom Landhaus Freemann in Kalkum ist zwar im Ruhrgebiet groß geworden, genauer gesagt in Essen. Geprägt haben ihn aber vor allem die Gerichte seiner Großmutter aus Willich-Schiefbahn. „Die hat mir die Freude am Kochen und an der heimischen Küche vererbt“, sagt Paas. Den Schnibbelbohneneintopf seiner Großmutter, gibt er freilich zu, den bekommt er bis heute nicht genau so hin. Aber um den soll es auch nicht gehen: Christoph Paas will zeigen, wie man das rheinische Gericht Himmel un Ähd (Himmel und Erde) hinbekommt.
Das Essen ist seit dem 18. Jahrhundert bekannt und erhielt seinen Namen nach den Hauptzutaten Kartoffeln (Erdäpfel) und Äpfeln, die im Vergleich dazu nun einmal eher in Richtung Himmel hängen. Im Rheinland wird das Gericht traditionell mit gebratener Blutwurst serviert. „Das schmeckt so schon gut, geht aber noch besser“, sagt Paas und wird das auch noch beweisen.
Der Hauptunterschied zwischen dem klassischen Rezept und seiner eigenen Kreation ist, dass er kein Apfelmus herstellt, um es unter das Kartoffelpüree zu mischen. Sondern er brät und richtet die Apfelscheiben separat an. Zudem wird der Koch das Püree noch mit Majoran anreichern. „Das passt gut zur Blutwurst, die häufig auch mit Majoran gewürzt wird, und gibt dem Püree zudem eine schöne grüne Farbe.“Außerdem werden die Zwiebeln vor Ort in Öl frittiert und ersetzen damit die Röstzwiebeln aus der Tüte, die ein solches Essen zu einer traurigen Angelegenheit machen können.
Im ersten Schritt schält Paas die Kartoffeln, schneidet sie klein, um sie dann in Wasser zu kochen. „Aber nicht zu klein, denn da verlieren sie Stärke und die wird zum Binden des Pürees benötigt.“Parallel legt der Koch rasant los, schneidet Schalotten in Streifen, schält Äpfel, zerlegt diese in Scheibchen und löst die Blutwurst aus der Haut. „Das ist immer ein bisschen fisselig, aber notwendig, denn sonst zieht sich die Haut beim Braten zusammen.“
Die Apfelscheiben wandern in eine Pfanne mit Butter und werden später mit einem Schuss Grenadine beträufelt. „Dieser Sirup passt gut, denn er ist leicht süß und gleichzeitig leicht säuerlich und gibt den Äpfeln eine schöne Farbe.“In einem Topf voll Öl werden zeitgleich die Zwiebelstifte, die zuvor mit Salz, Pfeffer und Paprikapulver gewürzt wurden, schön knusprig geröstet. „Das geht auch in einer Fritteuse oder einer Pfanne mit viel Fett“, erklärt der Koch. Um überschüssiges Fett später loszuwerden, lässt er die Zwiebeln und auch die Blutwurst nach dem Braten auf Küchenpapier abtropfen.
Die Blutwurst, die Paas in große Stücke und nicht in Scheiben schneidet, wird vor dem Braten mit Mehl bestäubt. „Das Mehl bindet, so dass die weiche Wurst nicht ausfließt. Zudem sorgt es dafür, dass die Blutwurst schön knusprig wird.“Für das Püree jagt der Koch die in heißer Milch aufgelöste Butter und den frischen Majoran durch einen Mixer. Die Soße wird anschließend durch ein Sieb gestrichen und unter die pürierten Kartoffeln gerührt. „Die muss man mit einem Gemüsestampfer oder mit einer Kartoffel- oder Spätzlepresse zerstoßen. Einen Mixer darf man nicht verwenden, denn dann wird das Püree ganz glasig. Deshalb darf man dieses auch nicht zu sehr rühren.“Und mehlig kochende Kartoffeln sollte man wählen. Zum Schluss frittiert der Küchenchef noch einige Ästchen Majoran in Butterschmalz. „Denn dann glänzen die schön.“Sie werden beim Anrichten als Dekoration verwendet und verleihen dem eher einfachen Gericht optisch eine edle Note.
„Viel falsch machen kann man bei Himmel un Ähd eigentlich nicht“, ist Paas überzeugt – auch wenn das für einen Profi natürlich leicht gesagt ist, bei dem jeder Handgriff sitzt. Beim Püree müssten die Produkte heiß verarbeitet werden, die Bratpfannen wiederum dürften nicht zu heiß werden. Allerdings sei es wichtig, gute Zutaten zu verwenden. „Einfach mal beim Metzger durchprobieren, bis man eine gute Blutwurst findet, die einem zusagt. Und die Kartoffeln vom Bauern verwenden, die man ja in Bauernläden oder auf Märkten kaufen kann, die schmecken einfach besser.“