Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„In Nierst soll alles bleiben, wie es ist“
Eine Bürgerversammlung in der Alten Schule Nierst lehnt den Erlass einer Gestaltungssatzung für das Dorf ab. Die Betroffenen vermissen zudem eine Bürgerbeteiligung.
MEERBUSCH Schon eine Viertelstunde vor Beginn der Bürgerversammlung war der Raum in der Alten Schule Nierst überfüllt. Bierbänke und weitere Stühle wurden geholt. Dennoch mussten einige Interessierte auf Tischen und Fensterbänken Platz nehmen oder gleich stehen bleiben. Für solchen Andrang gesorgt hatte das strittige Thema „Gestaltungssatzung für Nierst“.
Eine Gestaltungssatzung schreibt die äußeren Merkmale von Gebäuden vor und ist bei Bebauungsplänen oder Straßenzügen nicht unüblich. Allerdings werden diese meist schon zu Beginn der Bautätigkeit erlassen, während sie in Nierst (und möglicherweise auch in anderen Ortsteilen Meerbuschs) nachträglich auf die Bebauung angewendet werden soll. Diese muss dann bei Neubauten und Sanierungen beachtet werden. Dagegen wehrt sich das Dorf, wie an der großen Beteiligung der Bürgerversammlung zu erkennen war. Diese wurde von den Mitgliedern des Bürgervereins Olaf Krömeke, Bernhard Horster und Markus Jungbluth geleitet.
Letzterer zeigten sie an Hand eines Planes, dass nur das Gebiet zwischen den Straßen Am Oberen Feld und der Stratumer Straße betroffen sei, das nicht durch B-Pläne geregelt, sondern historisch gewachsen sei. Mit einer Diashow, die die vielfältige Architektur dieser Wohngebiete zeigte, machte Jungbluth anschaulich, dass sich in Nierst bisher jeder so hatte bauen können, wie er wollte. Schon da gab es Zwischenrufe „So soll es bleiben!“. Was sich mit der Gestaltungssatzung ändern könnte, machte Jungbluth, der seit 26 Jahren im Dorf wohnt, mit Beispielen deutlich. So seien dann nur Satteldächer mit 35 bis 45 Grad Neigung erlaubt, Fenster müssten rechteckig im Verhältnis 3:2 sein, Außenwände in Klinker in Rot bis Rotbraun gestaltet und die Hecke als Einfriedung maximal 1,25 Meter hoch sein. „Heute entsprechen nur 38 Prozent der Bebauung dem gewünschten Ortsbild“, sagte er. Er erklärte, dass diese Satzung jeden betreffen könne, der sein Haus sanieren, energetisch aufrüsten oder einen Anbau verwirklichen wolle. Er warnte auch davor, dass der Wert beim Verkauf eines Hauses sinken werde, wenn der Käufer von den Einschränkungen einer Satzung Kenntnis erhalte. Die angedrohte Strafzahlung von bis zu 50.000 Euro nannte er „dreist“. Die anschließende Diskussion entzündete sich nicht nur an der Frage, ob es überhaupt eine Gestaltungssatzung geben sollte, sondern auch daran, dass für die Verabschiedung in Ausschuss und Rat keine Bürgerbeteiligung vorgesehen, weil gesetzlich nicht vorgeschrieben sei. Ein Bürger formulierte das prägnant: „Warum keine Beteiligung der Bürger? Bei uns sollte man nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden.“Wer habe denn einen Vorteil von einer Gestaltungssatzung, fragte ein anderer. Es reiche doch aus, sich an der Umgebung zu orientieren, wie es das Baugesetzbuch formuliere.
Doch offensichtlich habe es in der Vergangenheit keine stringente Befolgung des entscheidenden Paragrafen 34 und dann Beschwerden gegeben, so dass die Politik gerne einen Leitfaden wolle. Doch der im Ausschuss vorgelegte Entwurf fand bei den Parteien jedoch keine Zustimmung und wurde überarbeitet. „Jedoch ohne die Bürger zu fragen“, monierte die Versammlung. Der
geänderte Entwurf soll nun am 21. März beraten werden. „Da müssen wir zahlreich hingehen“, forderte Horster. „Ich finde den Entwurf kleinkariert und lächerlich“, sagte Jürgen Peters von Grün Alternativ. Vertreter von CDU und FDP versuchten zu beruhigen und zu relativieren, was bei den Bürgern nicht gut ankam. „Die Politiker haben jedes Maß verloren.“Man könne doch heute nicht festlegen, was in 20 Jahren gut sein solle. Der Geschmack ändere sich auch beim Bauen: „Wir wollen doch nicht in die 1980er Jahre zurück.“Und eine energetische Sanierung müsse immer möglich sein. „Es lebe die Freie Herrlichkeit Nierst“, brachte es ein Bürger auf den Punkt. Bei der abschließenden Abstimmung, wie man weiter verfahren wolle, stimmten die Anwesenden einstimmig gegen die vorgelegte Gestaltungssatzung. Eine Mitarbeit an einem Arbeitskreis, der eine abgeschwächte Version erarbeiten wolle, wurde abgelehnt. „Es soll so bleiben, wie es ist“, war das Fazit.