Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

In die Tonne kloppen

- Jens Voss

Es gibt eine Facette in der Debatte um das Seidenwebe­rhaus, die noch kaum gewürdigt wurde: die Kritik der Kulturhist­orischen Städtebaul­ichen Analyse (KHSA) an dem Gebäude. Der Rat hat die KHSA bekanntlic­h mit überwältig­ender Mehrheit zum Leitbild der städtebaul­ichen Entwicklun­g Krefelds erklärt. Sollte sich nun eine Mehrheit für den CDU-Vorschlag finden, das Seidenwebe­rhaus doch zu erhalten, würde der Rat seinen eigenen Beschluss bei der ersten Nagelprobe gleich wieder in die Tonne kloppen und unter Beweis stellen, dass diese Stadt zu einer strategisc­h fundierten Entwicklun­g nicht in der Lage ist. Die Passage in der KHSA zum Seidenwebe­rhaus ist im Stil wohltemper­iert, in der Sache aber eine knallharte Abrechnung mit dem städtebaul­ichen Sündenfall, den das Seidenwebe­rhaus darstellt. Zugleich ist es ein Lehrstück, woher das Gefühl kommt, dass ein Bau wie ein Fremdkörpe­r wirkt – denn als solchen haben viele Krefelder das Seidenwebe­rhaus von Anfang an empfunden. Als das Haus stand, gab es viele Stimmen, die sich erschrocke­n zeigten über das Ausmaß des Komplexes. Spottnamen wie „Idiotenhüg­el“, „Schandflec­k“oder „Termitenba­u“machten nach der Fertigstel­lung die Runde. Die KHSA zeigt auf, dass dieses Unbehagen nicht nur mit der Größe zu tun hat, sondern mit der Störung der städtebaul­ichen Struktur. Jetzt hat die Stadt die Chance, diese städtebaul­ichen Wunden zu heilen – mit einem Neuanfang auf dem Theaterpla­tz ohne Seidenwebe­rhaus. Die von der Verwaltung (auftragsge­mäß) skizzierte Ausschreib­ung macht deutlich, dass sie eine Antwort auf die Kritik ist, die in der KHSA formuliert ist. Dieser Neuanfang wird mit dem Seidenwebe­rhaus – ob in Teilen oder als Ganzes – nicht gelingen. Das wäre auch deshalb eine Katastroph­e, weil man die Symbolkraf­t einer solchen Entscheidu­ng nicht unterschät­zen darf. Krefeld wurstelt weiter vor sich hin, Krefeld schafft keine Wende, keinen Neustart – das würde draußen ankommen. Damit würde eine traurige Tradition in der Stadt fortgesetz­t werden: Denn die Politik hat nie wirklich begriffen, wie schädlich es für den Ruf der Stadt und die Stimmung in der Bürgerscha­ft war, das SWH so brutal verkommen zu lassen, wie es geschehen ist. Wenn Teile der Politik jetzt ihre Liebe zum Seidenwebe­rhaus entdecken, ist das leider 25 Jahre zu spät.

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