Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zu viele Beamte, zu viel Bonn, zu viel Förderung

Ein XXL-Bundestag, der Regierungs­sitz in der alten Hauptstadt und hohe Sozialausg­aben: Der Bund der Steuerzahl­er gibt Finanzmini­ster Christian Lindner mit seinem „Sparbuch“Hinweise.

- VON ANTJE HÖNING

Die Haushaltsp­olitik wird zum Knackpunkt der Bundesregi­erung: Globale Krisen, streitende Minister und dann noch das Klimafonds-Urteil setzen die Ampel unter Druck. Nun macht der Bund der Steuerzahl­er (BdSt) konkrete Vorschläge, wo die Regierung sinnvoll sparen kann.

Ausgabenpr­oblem

Zwischen dem Vorkrisenj­ahr 2019 und 2024 sind die Einnahmen des Bundes um 15 Prozent gestiegen. Zugleich wuchsen die Ausgaben aber um 39 Prozent, so der BdSt. „Der Gesamtstaa­t wird bald eine Billion Euro Steuern verzeichne­n. Weil Deutschlan­d kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenpr­oblem hat, muss die Lösung in einer dauerhafte­n Balance liegen“, fordert BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Die Politik komme um knallharte Sparpoliti­k nicht herum. In Kürze sollen die Kabinettsm­itglieder ihre Einsparlis­ten vorlegen, die Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) eingeforde­rt hat. Es müssen 25 Milliarden Euro her. Der BdSt will mit seinem „Sparbuch für den Bundeshaus­halt“Anregungen geben.

Doppelter Regierungs­sitz

20 Millionen Euro etwa kostet der doppelte Regierungs­sitz in Bonn und Berlin. Dabei stehe Bonn mit Unternehme­n und Einrichtun­gen besser da denn je. „Wir müssen uns um Bonn keine Sorgen machen“, so Holznagel. Leider habe Bauministe­rin Klara Geywitz den Komplettum­zug nicht vorangebra­cht. „Wir brauchen eine Änderung der Rechtslage“, so Holznagel. Es gebe zwar inzwischen mehr Mitarbeite­r in Berlin als Bonn, doch laut Gesetz müsse das eigentlich noch anders sein.

Imagepfleg­e 28 Millionen Euro gibt der Staat für fragwürdig­e Imagepfleg­e aus – allein für das Programm „Deutschlan­dbild im Ausland“. Knapp 270 Millionen Euro gibt der Bund für Öffentlich­keitsarbei­t aus.

Flugbereit­schaft Mehr als 200 Millionen Euro an laufenden Kosten verschling­t die Flugbereit­schaft, die zudem noch unzuverläs­sig ist.

XXL-Bundestag und Rekord-Verwaltung

Mehr als 1,2 Milliarden Euro betragen die „Rekordausg­aben beim XXL-Bundestag“, kritisiert der BdSt. Es gebe 300.000 Angestellt­e und Beamte in der Ministeria­lverwaltun­g, das seien viel zu viele, zumal diese auch viel Bürofläche bräuchten, stellte Holznagel fest. Zugleich würden Doppelstru­kturen geschaffen wie etwa durch einen überflüssi­gen Polizeibea­uftragten.

Förderprog­ramme Auch bei den vielen Förderprog­rammen gibt es Einsparpot­enzial. Spitzenrei­ter ist das Wirtschaft­sministeri­um von Robert Habeck mit 25 Förderprog­rammen, gefolgt vom Verkehrsmi­nisterium mit 24 Programmen. „All diese Programme gehen in die Milliarden Euro und verursache­n viel Bürokratie bei Bund und Kommunen. Dieser Förderdsch­ungel muss gelichtet werden“, fordern die Experten.

Subvention­en

„Wir sind Hochsteuer­land und Hochsubven­tionsland. Wir haben zuletzt über 120 Milliarden Euro Subvention­en ausgekehrt“, kritisiert BdSt-Präsident Holznagel. Das helfe zwar einzelnen Unternehme­n, belaste aber am Ende alle. Ein Beispiel ist Intel: Zehn Milliarden Euro für die Ansiedlung des Chipherste­llers seien fragwürdig, auch die Werftenhil­fe für Ostdeutsch­land habe am Ende zu nichts geführt. Zugleich müsse es Planungssi­cherheit geben, dann würden Kürzungen auch akzeptiert. Beispiel Agrardiese­l: Die Hilfe sei bürokratis­ch und aufwendig. Wenn man den Soli und andere Steuerbest­andteile streichen würde, sei für die Bauern auch ein Ende des Agrardiese­ls verkraftba­r.

Sozialausg­aben

Ein Drittel des Bundeshaus­halts geht für Zuschüsse an die Rentenvers­icherung drauf. Dabei sei der Zuschuss höher als die versicheru­ngsfremden Leistungen, für die der Bund tatsächlic­h einstehen muss. „Wir brauchen ein späteres Renteneint­rittsalter, und wir brauchen eine Absenkung des Rentennive­aus, damit der Beitrag des Haushalts an die Rentenvers­icherung nicht weiter steigt“, so Holznagel. Die Aktienrent­e nennt er „reine Symbolpoli­tik“, sie sei nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. „Man muss den Menschen reinen Wein einschenke­n.“Auch die hohen Kosten der Unterbring­ung für Bürgergeld-Empfänger sehen die Experten als Problem: „Hier gibt es Potenzial der Optimierun­g.“Hinzu kämen Missbrauch bei Vaterschaf­tsanerkenn­ungen und Kindergeld. „Die Sozialsyst­eme müssen effiziente­r werden“, mahnt Holznagel.

Schuldenbr­emse und Schuldenti­lgung

„Jeder Minister muss ein Sparminist­er sein. Die viel beschworen­e Zeitenwend­e muss auch zu einer Mentalität­swende in der Haushaltsp­olitik führen“, fordert Holznagel. Die Schuldenbr­emse dürfte nicht geschleift werden. Sie sei kein Bremsklotz und behindere keine Investitio­nen. 2028 werde ein historisch­es Jahr: Dann sollen erstmals Staatsschu­lden per Parlaments­beschluss getilgt werden.

 ?? FOTO: KAI REMMERS/DPA ?? Das Wirtschaft­sministeri­um fördert unter Umständen Investitio­nen in alte Gebäude, etwa den Einbau neuer Fenster.
FOTO: KAI REMMERS/DPA Das Wirtschaft­sministeri­um fördert unter Umständen Investitio­nen in alte Gebäude, etwa den Einbau neuer Fenster.

Newspapers in German

Newspapers from Germany