Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Welthit aus Düsseldorf

Die Band Propaganda produziert­e eines der besten Alben der Achtziger. Ihre erste Single erschien vor 40 Jahren – so entstand „Dr. Mabuse“.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Um gleich mal Fallhöhe herzustell­en: Das Album „A Secret Wish“von Propaganda aus Düsseldorf ist eine der tollsten PopProdukt­ionen der 80er-Jahre. Einer der Hits dieser Platte heißt „Dr. Mabuse“. Wer Ohrwürmer nicht mag, springe rasch zum nächsten Satz, alle anderen bekommen das hier: „Sell him your soul / Never look back“. Das Stück war die erste Single dieser Band, vor 40 Jahren ist sie erschienen. Was dann folgte: Fame, Glam, Chart-Erfolg. Anton Corbijn drehte den Videoclip zum Song – ja, genau: der Anton Corbijn, der später das Artwork von U2 und Depeche Mode gestaltete; der Anton Corbijn, der dann den Film „The American“mit George Clooney drehte. Jedenfalls: Begonnen hat alles mit einem Fach für Kleinanzei­gen.

1982 war das, Ralf Dörper arbeitete damals als freier Schreiber in der Redaktion des Stadtmagaz­ins „Überblick“. Als er mal wieder dort war, um eine Plattenkri­tik einzureich­en, sah er die Ablage durch, in der Kleinanzei­gen für die nächste Ausgabe bereitlage­n. Er fand das Angebot von Michael Mertens, der eine Rhythmus-Box verkaufen wollte. Angerufen, hingefahre­n: In Mertens’ Wohnung sah Dörper einen Oberheim-Synthesize­r, ein Gerät, das sich damals kaum jemand leisten konnte – und bedienen schon mal gar nicht. Mertens war als Schlagzeug­er bei den Düsseldorf­er Symphonike­rn angestellt. Er ahnte noch nicht, dass er in wenigen Monaten ein Popstar sein würde.

Ralf Dörper hatte bereits bei Die Krupps gespielt und Solosachen veröffentl­icht, und er war in Gesprächen mit einem neuen Plattenlab­el in England. Dessen Chefs, der frühere Journalist Paul Morley und der Produzent Trevor Horn, der mit seiner Band The Buggles „Video Killed the Radio Star“herausgebr­acht und „The Look of Love“von ABC eingericht­et hatte, mochten Kraftwerk und Düsseldorf. Und sie hatten ein Demotape in die Finger bekommen, für das Dörper mit seinem Kompagnon Andreas Thein undergroun­dige Maschinenm­usik produziert hatte. Die Idee war, dass Susanne Freytag und ihre Freundin Claudia Brücken, die Dörper aus dem Ratinger Hof kannte, darauf singen. Das „AbbaImage forcieren“lautete die Devise. Mit Michael Mertens würde man den Sound nun anreichern, symphonisc­her und mysteriöse­r werden lassen können. Allerdings hatte er laut Eigenausku­nft seit 1972 von Pop nicht mehr viel mitbekomme­n. Dörper gab ihm einen Crashkurs am Beispiel der wichtigste­n Single des Augenblick­s – „Let Me Go“von Heaven 17: „Orientier dich mal in diese Richtung.“

1983 nahmen sie Demos in London auf, dabei zeigte sich das Potenzial von „Dr. Mabuse“. Sie wurden also unter Vertrag genommen, und inzwischen hatte die Plattenfir­ma auch einen Namen: ZTT. In einer ganzseitig­en Anzeige im „New Musical Express“kündigte sie ihre ersten Veröffentl­ichungen an. „Propaganda from Düsseldorf“stand da, und Dörper erinnert sich, dass man in seiner Heimatstad­t rätselte, wer sich wohl dahinter verberge: DAF? Fehlfarben? Alles falsch.

Zunächst wurden allerdings Labelkolle­gen von Propaganda zu Weltstars: Frankie Goes to Hollywood aus Liverpool brachten „Relax“auf ZTT heraus, und das war das Ding. Propaganda erlebten den Welterfolg in London hautnah mit. Die progressiv­e Strategie des Labels war, das Interesse an „Relax“durch immer neue Remixes hochzuhalt­en. Und so wollte man es auch mit „Dr. Mabuse“machen, also erschienen 1984 acht Versionen des Stücks. In Deutschlan­d erreichte es die Top Ten, in England die Top 30. Von den Nachfolge-Hits wurde das tatsächlic­h ebenfalls sehr tolle „Duel“zum Klassiker, in Italien kam es bis auf Platz drei.

Dörper erzählt, Freytag und Brücken seien damals in London geblieben, Claudia Brücken heiratete Paul Morley und lebte später mit Paul Humphreys von der Band OMD zusammen. Propaganda trennten sich 1990 und kamen in verschiede­nen Besetzunge­n wieder zusammen. Das Album „A Secret Wish“erlebte mehrere Neuauflage­n, es ist ein Synthiepop-Klassiker der 80er-Jahre.

„Never look back“, heißt es in „Dr. Mabuse“. Michael Mertens tut es trotzdem: „War ’ne gute Zeit.“

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FOTO: ZTT Die Band Propaganda im Jahr 1985.

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