Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der Welthit aus Düsseldorf
Die Band Propaganda produzierte eines der besten Alben der Achtziger. Ihre erste Single erschien vor 40 Jahren – so entstand „Dr. Mabuse“.
Um gleich mal Fallhöhe herzustellen: Das Album „A Secret Wish“von Propaganda aus Düsseldorf ist eine der tollsten PopProduktionen der 80er-Jahre. Einer der Hits dieser Platte heißt „Dr. Mabuse“. Wer Ohrwürmer nicht mag, springe rasch zum nächsten Satz, alle anderen bekommen das hier: „Sell him your soul / Never look back“. Das Stück war die erste Single dieser Band, vor 40 Jahren ist sie erschienen. Was dann folgte: Fame, Glam, Chart-Erfolg. Anton Corbijn drehte den Videoclip zum Song – ja, genau: der Anton Corbijn, der später das Artwork von U2 und Depeche Mode gestaltete; der Anton Corbijn, der dann den Film „The American“mit George Clooney drehte. Jedenfalls: Begonnen hat alles mit einem Fach für Kleinanzeigen.
1982 war das, Ralf Dörper arbeitete damals als freier Schreiber in der Redaktion des Stadtmagazins „Überblick“. Als er mal wieder dort war, um eine Plattenkritik einzureichen, sah er die Ablage durch, in der Kleinanzeigen für die nächste Ausgabe bereitlagen. Er fand das Angebot von Michael Mertens, der eine Rhythmus-Box verkaufen wollte. Angerufen, hingefahren: In Mertens’ Wohnung sah Dörper einen Oberheim-Synthesizer, ein Gerät, das sich damals kaum jemand leisten konnte – und bedienen schon mal gar nicht. Mertens war als Schlagzeuger bei den Düsseldorfer Symphonikern angestellt. Er ahnte noch nicht, dass er in wenigen Monaten ein Popstar sein würde.
Ralf Dörper hatte bereits bei Die Krupps gespielt und Solosachen veröffentlicht, und er war in Gesprächen mit einem neuen Plattenlabel in England. Dessen Chefs, der frühere Journalist Paul Morley und der Produzent Trevor Horn, der mit seiner Band The Buggles „Video Killed the Radio Star“herausgebracht und „The Look of Love“von ABC eingerichtet hatte, mochten Kraftwerk und Düsseldorf. Und sie hatten ein Demotape in die Finger bekommen, für das Dörper mit seinem Kompagnon Andreas Thein undergroundige Maschinenmusik produziert hatte. Die Idee war, dass Susanne Freytag und ihre Freundin Claudia Brücken, die Dörper aus dem Ratinger Hof kannte, darauf singen. Das „AbbaImage forcieren“lautete die Devise. Mit Michael Mertens würde man den Sound nun anreichern, symphonischer und mysteriöser werden lassen können. Allerdings hatte er laut Eigenauskunft seit 1972 von Pop nicht mehr viel mitbekommen. Dörper gab ihm einen Crashkurs am Beispiel der wichtigsten Single des Augenblicks – „Let Me Go“von Heaven 17: „Orientier dich mal in diese Richtung.“
1983 nahmen sie Demos in London auf, dabei zeigte sich das Potenzial von „Dr. Mabuse“. Sie wurden also unter Vertrag genommen, und inzwischen hatte die Plattenfirma auch einen Namen: ZTT. In einer ganzseitigen Anzeige im „New Musical Express“kündigte sie ihre ersten Veröffentlichungen an. „Propaganda from Düsseldorf“stand da, und Dörper erinnert sich, dass man in seiner Heimatstadt rätselte, wer sich wohl dahinter verberge: DAF? Fehlfarben? Alles falsch.
Zunächst wurden allerdings Labelkollegen von Propaganda zu Weltstars: Frankie Goes to Hollywood aus Liverpool brachten „Relax“auf ZTT heraus, und das war das Ding. Propaganda erlebten den Welterfolg in London hautnah mit. Die progressive Strategie des Labels war, das Interesse an „Relax“durch immer neue Remixes hochzuhalten. Und so wollte man es auch mit „Dr. Mabuse“machen, also erschienen 1984 acht Versionen des Stücks. In Deutschland erreichte es die Top Ten, in England die Top 30. Von den Nachfolge-Hits wurde das tatsächlich ebenfalls sehr tolle „Duel“zum Klassiker, in Italien kam es bis auf Platz drei.
Dörper erzählt, Freytag und Brücken seien damals in London geblieben, Claudia Brücken heiratete Paul Morley und lebte später mit Paul Humphreys von der Band OMD zusammen. Propaganda trennten sich 1990 und kamen in verschiedenen Besetzungen wieder zusammen. Das Album „A Secret Wish“erlebte mehrere Neuauflagen, es ist ein Synthiepop-Klassiker der 80er-Jahre.
„Never look back“, heißt es in „Dr. Mabuse“. Michael Mertens tut es trotzdem: „War ’ne gute Zeit.“