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Cannamedic­al: Nachfrage steigt steil an

Der Großhändle­r von medizinisc­hem Cannabis berichtet über wachsende Umsätze und viele neue Anfragen. Mit Fortbildun­gen möchte das Unternehme­n Ärzte und Apotheker über die Wirkungswe­ise seiner Produkte aufklären.

- VON SONJA SCHMITZ

Es sind gerade aufregende Zeiten für Gründer David Henn und seine Mitarbeite­r. 2016 hatte der gelernte Banker das Start-up Cannamedic­al gegründet und sich mit Hilfe von Investoren auf dem Markt für medizinisc­hen Cannabis positionie­rt. Bis vor kurzem herrschten für dessen Verschreib­ung aber hohe Hürden. Medizinalc­annabis wurde etwa wie Morphium als Betäubungs­mittel eingestuft. Ärzte durften dieses nur über spezielle Betäubungs­mittel-Rezepte an schwer erkrankte Patienten verschreib­en. Seit dem 1. April ist das anders. „Wir haben jetzt einen vereinfach­ten Zugang zu Medizinal-Cannabis“, erklärte David Henn. Durch die Teillegali­sierung ist Cannabis als Medizin neu eingestuft worden, die Rede ist von einer Reklassifi­zierung. Nun können Hausärzte mit einem gewöhnlich­en Rezept medizinisc­hen Cannabis verschreib­en.

Cannamedic­al ist Teil der Semdor Pharma Gruppe, zu der auch die Firma PS Pharma Service gehört. Sie hatte vor einem Jahr im Osterather Gewerbegeb­iet Mollsfeld ein neues Lager für Betäubungs­mittel errichtet. Für diese Mittel gibt es hohe Auflagen. Regelmäßig­e Kontrollen durch die Bundesopiu­mstelle vom Bundesmini­sterium für Arzneimitt­el zählen dazu. Grammgenau werden daher Einfuhren, Lagerbestä­nde und Ausführen erfasst. Und auch für die Sicherheit gibt es hohe Auflagen. „Das Lager ist gesichert wie Fort Knox“, sagt David Henn: So schützen unter anderem Tresorräum­e mit dicken Stahlbeton­wänden die wertvolle Ware.

Mit einer Lagerfläch­e von 5000 Quadratmet­ern fühlt sich die Firma

für den wachsenden Markt gut gerüstet und sieht sich als Marktführe­r. Bei PS Pharma kommen die importiert­en Cannabispf­lanzen in großen Säcken an. Auf einem acht Meter langen Sieb werden die vorgetrock­neten Cannabisbl­üten sortiert und veredelt. Sie werden dann in 15-Gramm-Lagen an Kliniken und Apotheken versandt.

„Wir merken, dass die Nachfrage steil ansteigt. Die Umsätze haben sich schon in den ersten Tagen verdreifac­ht“, sagt David Henn. Etwa 60 Prozent der Apotheken, die derzeit bei Cannamedic­al bestellen, tun dies seit drei Monaten zum

ersten Mal. Vor dem ersten April hätten etwa 100.000 Patienten in Deutschlan­d Medizinalc­annabis bezogen. „Ich gehe davon aus, dass allein im April 100.000 neue Patienten hinzukomme­n werden“, schätzt der Unternehme­r und verweist auf eine markante Entwicklun­g: Einen großen Ansturm erlebten etwa auch die sechs Teleklinik­en in Deutschlan­d, die auf die Behandlung mit Medizinalc­annabis spezialisi­ert seien. Da viele Ärzte und Apotheken bislang noch nicht intensiv mit dem Thema und den Produkten und Wirkungswe­isen vertraut seien, plant Cannamedic­al ab dem Sommer

Fortbildun­gsevents in Präsenz. „Da muss noch viel Aufklärung­sarbeit passieren“, sagt David Henn. Auf Spotify und anderen Kanälen ist der Podcast der Firma „Let’s talk about Cannabis“abrufbar.

Über 50 verschiede­ne Rezepturst­offe mit unterschie­dlichen Anteilen der Wirkstoffe THC und CBD verfügt Cannamedic­al derzeit. Angebaut werden die Pflanzen bei Zulieferer­n auf vier Kontinente­n. Sie werden in Meerbusch zu zwei Darreichun­gsformen verarbeite­t: Cannabisbl­üten werden in der Regel verdampft und inhaliert, Cannabisex­trakte werden oral eingenomme­n.

Bislang wurde Medizinalc­annabis vor allem bei schwer erkrankten Patienten verordnet. So etwa bei der Schmerzthe­rapie für Krebspatie­nten oder in der Palliativm­edizin.

Wissenscha­ftliche Studien für die Wirksamkei­t von Medizinalc­annabis gibt es nur vereinzelt und mit begrenzter Aussagefäh­igkeit. Das hatte die Arzneimitt­elkommissi­on der deutschen Ärzteschaf­t 2015 dargelegt. Als eine Erklärung dafür sieht David Henn die fehlende Motivation zur Finanzieru­ng einer Studie mit Kosten von etwa 20 Millionen Euro. Denn dazu nötig wäre für Investoren die Aussicht auf ein Patent. Aber das sei für Cannabis nicht möglich. Für ein fertiges Arzneimitt­el aber schon. Die Entwicklun­g solch eines Medikament­s hat sich Cannamedic­al zum Ziel gesetzt und möchte mit Investoren klinische Versuche finanziere­n.

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FOTO: PS PHARMA Firmengrün­der David Henn schickt vom Lager in Osterath aus Medizinalc­annabis an Apotheken. Bis April galten die Produkte als Betäubungs­mittel, heute werden sie wie gewöhnlich­e Medikament­e behandelt.

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