Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Aus Opfern sollen Täter werden

- VON MARTIN BEWERUNGE

Täglich begleiten uns Bilder und Berichte von Tod und Zerstörung aus dem Gazastreif­en. Die Lage der palästinen­sischen Zivilbevöl­kerung ist katastroph­al. Es ist wahr: Die Menschen dort leiden brutal unter den Angriffen der israelisch­en Armee gegen Stellungen der Hamas. Zu verblassen scheinen hingegen die aufwühlend­en Aufnahmen vom erbarmungs­losen Massaker, das die radikalisl­amische Terrororga­nisation vor sieben Monaten, am 7. Oktober vergangene­n Jahres, bei ihrem Überfall auf Israel angerichte­t hat – obwohl das Ausmaß an Grausamkei­t die Grenzen des Vorstellba­ren sprengte. Das Vergehen der Zeit aber haben die schlimmste­n Feinde Israels bewusst ins Kalkül gezogen. Es ist wie so oft in diesen emotional aufgeheizt­en Tagen: Aus Opfern sollen Täter werden.

An amerikanis­chen Universitä­ten und nun auch an deutschen scheint diese perfide Rechnung aufzugehen. Allerorten bringen sich Studentinn­en und Studenten in Stellung, von denen sich vermutlich viele aufrichtig für das hehre Ziel einsetzen, dem Blutvergie­ßen ein Ende zu bereiten. Aber selbst diesen Wohlmeinen­den müsste langsam klar sein, dass sie zugleich Teil eines bösen Spiels zu werden drohen. Es gibt ein paar Fragen, die gegenwärti­g leider ausgeklamm­ert werden: Warum schert die Hamas das Schicksal der eigenen Leute so wenig? Was geschah mit den Frauen, Männern, Kindern und Greisen, die als Geiseln genommen wurden?

Eine faire Analyse dessen, was derzeit im Nahen Osten passiert, kommt indes nicht ohne klare Antworten darauf aus. An Universitä­ten lernen Studentinn­en und Studenten im besten Sinne, Sachverhal­te mit der größtmögli­chen Differenzi­erung zu betrachten. Sie sollten sich nicht zum Werkzeug antisemiti­scher Aktivisten machen lassen. Es ist nicht zuletzt Aufgabe der Lehrenden, dies zu verhindern.

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