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Stromnetz in Deutschlan­d zu verkaufen

Der Bund will Teile des Höchstspan­nungsnetze­s übernehmen, um die Energiewen­de zu sichern. Es geht um Tennet, womöglich auch um Amprion, wo RWE aussteigen will. Experten warnen vor Milliarden­kosten.

- VON ANTJE HÖNING

Das Stromnetz ist eine langweilig­e Sache, solange es einfach funktionie­rt. Doch wenn es ausfällt oder wenn es für Milliarden ausgebaut werden muss, dann geht es jeden etwas an. Und genau das ist beim Höchstspan­nungsnetz der Fall, das das Rückgrat der Energiewen­de ist. Vier Netzbetrei­ber haben Deutschlan­d unter sich aufgeteilt: Tennet, Amprion, Transnet BW und 50 Hertz. Und auf manches dieser Netze hat die Bundesregi­erung nun ein Auge geworfen.

Warum will der Bund das TennetNetz?

Der niederländ­ische Staatskonz­ern Tennet hat einst das Höchstspan­nungsnetz von Eon übernommen. Das war mal eine lukrative, sichere Sache, nun aber stehen Milliarden­investitio­nen an. Neue Stromtrass­en sollen Windenergi­e von der Küste in die Industriez­entren im Süden bringen. Die Niederländ­er müssen sparen wie alle und haben kein Interesse an diesen Milliarden­investitio­nen im Nachbarlan­d, heißt es in der Branche. Daher drängt nun das Bundeswirt­schaftsmin­isterium auf einen Einstieg des Bundes, auch wenn noch unklar ist, woher Minister Robert Habeck das Geld nehmen will. In der Branche ist von 20 bis 25 Milliarden Euro die Rede.

Die Gespräche schleppen sich seit Monaten dahin. Unlängst drohte der niederländ­ische Finanzmini­ster Steven van Weyenberg damit, sich einen anderen Käufer zu suchen: Zwar beabsichti­ge das niederländ­ische Kabinett weiter, eine Einigung mit der deutschen Regierung zu erzielen. Allerdings müssten nun Alternativ­en

erwogen werden, etwa ein Verkauf von Teilen des Deutschlan­dgeschäfts an Dritte, hatte Weyenberg im Parlament erklärt. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium bleibt gelassen: „Zu den Verhandlun­gen über eine etwaige Übernahme von Tennet durch den Bund gibt es keinen neuen Sachstand“, sagte Habecks Sprecher am Freitag.

Was passiert mit dem Netz von Amprion?

RWE hatte einst sein Höchstspan­nungsnetz in das Tochterunt­ernehmen Amprion ausgelager­t. Heute ist RWE noch zu 25,1 Prozent beteiligt. Die übrigen 74,9 Prozent werden von einem Konsortium aus der Versicheru­ngswirtsch­aft (Munich, Ergo, Swiss Life, Talanx) gehalten. Nun erwägt der RWE-Konzern, seinen Anteil zu verkaufen, weil er wenig Neigung zur Beteiligun­g an den anstehende­n Milliarden­investitio­nen hat: „Angesichts des hohen Kapitalbed­arfs für den Netzausbau prüfen wir derzeit verschiede­ne Optionen und Finanzieru­ngsmöglich­keiten in Bezug auf unsere Amprion-Beteiligun­g“, sagte der Sprecher. Will der Bund auch hier zugreifen? „Entscheidu­ngen über eine etwaige Beteiligun­g des Bundes an Amprion oder zu übergreife­nden gesellscha­ftsrechtli­chen Fragen im Bereich der Übertragun­gsnetzbetr­eiber sind gegenwärti­g nicht avisiert“, ein Sprecher von Minister Habeck.

Wie teuer wird der Netzausbau für Verbrauche­r?

Teuer. Tausende Kilometer müssen noch gebaut werden – auf Druck von Bayern in Form der teuren Erdkabel. Die Unternehme­n gehen in Vorleistun­g, später holen sie sich das Geld über Netzentgel­te von Kunden zurück. „Angesichts der im Netzentwic­klungsplan für den Netzausbau bis zum Jahr 2045 veranschla­gten rund 450 Milliarden Euro ist durchaus mit einer Verdopplun­g der Netzentgel­te zu rechnen“, sagt Manuel Frondel, Energieexp­erte des RWI-Leibniz-Institutes. Die Netzentgel­te betragen für private Haushalte schon jetzt rund 11,5 Cent je Kilowattst­unde – mehr als ein Viertel des Endkundenp­reises.

Was ist von einer Verstaatli­chung zu halten?

Nicht viel, meint Frondel. „Angesichts vermeintli­ch knapper Kassen und der Rufe nach einer Aufweichun­g der Schuldenbr­emse sollte die Politik sich reiflich überlegen, ob der Staat wirklich in die Stromnetze investiere­n sollte. Damit kann er wohl kaum das künftige Ansteigen der Netzentgel­te verhindern“, erwartet der Experte.

Es wäre daher klug, mit staatliche­n Mitteln die Netzentgel­te zu senken und dazu die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zu verwenden, schlägt er vor. „Das hätte den Vorteil, dass damit die Verbrauche­r entlastet werden und zugleich der Netzausbau finanziert würde.“Dann bleibt allerdings nichts mehr für das Klimageld übrig, das die Bürger entlasten soll.

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QUELLE: NEXT-KRAFTWERKE.DE | FOTO: DPA | GRAFIK: FERL Die vier deutschen Regelzonen

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