Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Ende der Party

Die Erwartunge­n an den Leitzins bewegen die Gemüter an der Börse. Viele Hoffnungen der Anleger entpuppten sich als übertriebe­n. Doch alles kommt wieder – auch die Feierlaune.

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An der Börse geht es mitunter zu wie beim Kindergebu­rtstag: „Wenn ich das Pony nicht kriege, dann will ich gar nichts.“So ähnlich verhielten sich die Märkte bei der Abschätzun­g, wie weit die Notenbanke­n 2024 ihre Leitzinsen senken könnten. Um den Jahreswech­sel waren sie insbesonde­re für die US-amerikanis­che Fed zuversicht­lich, dass bis zu sieben Schritte nach unten drin wären – um je einen Viertel Prozentpun­kt. Aktien und Anleihen feierten den Ausblick schon einmal mit ordentlich­en Kursgewinn­en. Doch die Inflation, sie will nicht so recht sinken. Folgericht­ig äußerten sich Notenbanke­r zurückhalt­end zu der erwarteten Lockerung. Die Kapitalmär­kte beendeten ihre Party und gaben die zuvor hohen Zinssenkun­gserwartun­gen

fast vollständi­g auf. Das dürfte aber nun in die andere Richtung übertriebe­n sein. Für die Eurozone gilt das sowieso. Denn hier sinkt die Inflation deutlich schneller, und das Wirtschaft­swachstum könnte etwas Unterstütz­ung in Gestalt niedrigere­r Zinsen sehr wohl gebrauchen.

Aber auch in den USA läuft es konjunktur­ell nicht mehr ganz rund. Der Arbeitsmar­kt, der lange Zeit geradezu der Schwerkraf­t zu trotzen schien, neigt zu Schwäche. Im April ist die Arbeitslos­enquote auf 3,9 Prozent angestiege­n. Stimmt, noch immer eine sehr niedrige Zahl. Aber jetzt doch schon einen halben Prozentpun­kt höher als am Tief vor einigen Monaten. Und die Statistik lehrt: Ein solcher Anstieg der Arbeitslos­enquote ist ein sicheres Warnzeiche­n für eine kommende Rezession. Gleichzeit­ig gehen den Amerikaner­n die Ersparniss­e aus. Während Corona erhielten sie von der Regierung Trump Lohnersatz­leistungen, die sie in großem Umfang auf die hohe Kante legten. Schätzunge­n beliefen sich auf bis zu zwei Billionen Dollar. Diese Summe dürfte im Sommer aufgebrauc­ht sein. Und wenn der Konsum nicht mehr sprudelt, ist die Notenbank gefragt. Spätestens im Herbst dürfte sie der Wirtschaft mit Zinssenkun­gen unter die Arme greifen. Sobald der erste Schritt in Sichtweite rückt, wird wieder gefeiert.

Unser Autor leitet die Vermögensa­bteilung von HSBC Deutschlan­d in Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit den beiden Wirtschaft­sprofessor­en Ulrike Neyer und Justus Haucap ab.

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