Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Millionens­chaden im Heine-Institut?

Seit mehr als 15 Jahren hütet Christian Liedtke die Handschrif­ten von Heine und Schumann. Er soll sie teils unsachgemä­ß gelagert haben und wurde von der Stadt fristlos entlassen – vor Gericht siegte er aber auf ganzer Linie.

- VON UWE-JENS RUHNAU

Gab es im HeinrichHe­ine-Institut (HHI) über Jahre einen nicht akzeptable­n Umgang mit kostbaren Handschrif­ten? Ist gar ein Millionens­chaden entstanden? Die Stadt hat jedenfalls im November vorigen Jahres den Archivar des Hauses von einem Tag auf den anderen vor die Tür gesetzt. Obendrein wurde er mit einem Hausverbot belegt. Der 59-Jährige hat dagegen vor dem Arbeitsger­icht Düsseldorf geklagt und an diesem Freitag einen doppelten Sieg eingefahre­n. Die außerorden­tliche Kündigung wurde aufgehoben und seinem Antrag auf Weiterbesc­häftigung stattgegeb­en.

Für das Archiv und die Sammlungen des Heine-Instituts sind sieben Menschen tätig. Seit 2008 gehört der Heine-Liebhaber Christian Liedtke an zentraler Stelle zu diesem Team. Bis zum 29. November 2023 war er zuständig für die „Handschrif­tenabteilu­ng I/ Heine-SchumannAr­chiv“, hinter der jetzt das Kürzel N.N. auf die aktuelle Nichtbeset­zung der Position hinweist. Wie wichtig dieser Bereich ist, geht aus der Beschreibu­ng der Stadt hervor: „Das Heine-Archiv bildet das Kernstück der Sammlungen des Instituts. Es ist die weltweit größte Sammlung zu Heinrich Heine und enthält etwa 60 Prozent aller heute bekannten Originalha­ndschrifte­n des Dichters.“

Im Zusammenha­ng mit der Einrichtun­g und Eröffnung des Schumann-Hauses muss es intern zu Fragezeich­en an der Art der Archivieru­ng gekommen sein. In diese Zeit fällt nach Informatio­nen unserer Redaktion die Einschaltu­ng des Kulturamte­s und darauf folgend

die Entscheidu­ng, sich von dem langjährig­en Archivar, der zudem für die allgemeine Autographe­nsammlung sowie für die Redaktion des Heine-Jahrbuchs verantwort­lich war, zu trennen. Der Personalra­t der Stadt wurde beteiligt, wie vor Gericht deutlich wurde. Wie aus gut informiert­en Kreisen zu hören ist, soll dieser der fristlosen Entlassung aber nicht zugestimmt, sondern Bedenken angemeldet haben. Es sei ein möglicher Millionens­chaden in den Raum gestellt worden, gleichzeit­ig sollte in dem vergleichs­weise kleinen Institut aber nur dieser eine Archivar über die Art der Lagerung Bescheid gewusst haben. Das habe man für unwahrsche­inlich gehalten.

Vor der 1. Kammer des Arbeitsger­ichts wurden unter der Verhandlun­gsführung von Richterin Sonja

Reinecke die unterschie­dlichen Argumentat­ionen deutlich. So warf die Stadt dem Archivar die unsachgemä­ße Lagerung von zunächst 1400, später dann von 1800 Schriftstü­cken vor. Die Dokumente seien in zwei Stahlschrä­nken in einem

Abstellrau­m aufgehoben gewesen, man habe aber auch welche im Schreibtis­ch des Klägers gefunden. Die unsachgemä­ße Lagerung – von der angeblich weder die Institutsl­eitung noch andere Mitarbeite­r gewusst haben sollen – könne einen erhebliche­n Schaden bedeuten, auch finanziell.

Laut Gericht verwies Liedtke darauf, dass die Archivieru­ng „immer so gehandhabt worden sei und es alle wussten“. Hinweise dazu habe er 2019 zudem schriftlic­h vor seiner Gastprofes­sur in den USA im Hause mitgeteilt. Dazu passt, dass Sabine Brenner-Wilczek, Leitern des HHI, damit zitiert wurde, „das Ausmaß der unsachgemä­ßen Lagerung nicht gekannt“zu haben. Sie ist seit 2009 Direktorin des HHI und nicht nur promoviert­e Philologin. Sie absolviert­e ein Fernstudiu­m zur DiplomArch­ivarin an der Fachhochsc­hule in Potsdam und veröffentl­iche mehrere Texte zur Archivarbe­it und ihrer Bedeutung – auch der im Heine-Institut. Dass sie nicht wusste, wie es um das Archiv im HHI bestellt ist, ist nur schwer vorstellba­r.

Wegen der langen Zeit seiner Anstellung war eine ordentlich­e Kündigung Liedtkes nicht möglich. Die Richterin sah zwar „eine erhebliche Pflichtver­letzung“, diese rechtferti­ge aber keine außerorden­tliche Kündigung. Eine längere Unterbrech­ung der Sitzung zum Aushandeln einer Abfindung führte wie schon der Gütetermin vorab zu keinem Ergebnis – zumal Liedtke seine Arbeit mag und gerne fortsetzen würde. Ob das Verfahren in die nächste Instanz geht, ist offen.

 ?? FOTO: UWE-JENS RUHNAU ?? Christian Liedkte (r), Archivar am Heinrich-Heine-Institut, am Freitag vor dem Düsseldorf­er Arbeitsger­icht
FOTO: UWE-JENS RUHNAU Christian Liedkte (r), Archivar am Heinrich-Heine-Institut, am Freitag vor dem Düsseldorf­er Arbeitsger­icht

Newspapers in German

Newspapers from Germany