Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Saure Stangen
Rhabarber hat derzeit Hochsaison und erweist sich als überraschend kombinationsfreudig – von süß bis herzhaft. Und das regionale Gemüse ist gesund, denn es enthält reichlich Vitamin C und Ballaststoffe.
Frühling und Rhabarber, das gehört einfach zusammen. Wunderbarerweise auch ganz regional und nachhaltig, da die sauren Stangen hier im Umland auf gut wasserhaltenden Böden beste Wachstumsvoraussetzungen finden, wie Jan-Malte Wichern, Pressesprecher der Landwirtschaftskammer NRW, erklärt. „Tiefgründige Lösslehmböden sind optimal für Rhabarber, der überwiegend im Freiland angebaut wird. Auch das Klima ist hierzulande günstig: Rhabarber speichert nach der Ernte ab Ende Juni aus den dann noch austreibenden und später absterbenden Sprossen Nährstoffe in den sogenannten Rhizomen. Die geben nach einem Kältereiz im Winter, wo die Pflanze ruhig auch ein bisschen Frost vertragen kann, die Kraft für den Wiederaustrieb der neu angelegten Knospen im Frühjahr. Je stärker das Wachstum im Sommer, desto stärker der Austrieb – und Ertrag – im folgenden Jahr.“
Bevor die reifen grünen oder roten Stangen des Gemüses, das botanisch zur Familie der Knöterichgewächse gehört, in den Handel kommen, ist viel Handarbeit und Geschick erforderlich. „Rhabarber kann nicht maschinell geerntet werden“, erläutert Wichern. „Die Stiele werden von Hand tief unten am Schaft angefasst, leicht gedreht und dann mit einem vorsichtigen Ruck abgebrochen, um das Rhizom nicht zu beschädigen. Pro Saison kann ein Produzent üblicherweise drei bis vier Erntedurchgänge durchführen.“
Dass sich das durchaus lohnen kann und die fruchtig-säuerlichen Stangen (wieder) mehr Fans haben, zeigen auch die Zahlen zur Anbaumenge: 2021 zum Beispiel wurden in NRW 174.188 Tonnen Rhabarber geerntet (2020: 127.056 Tonnen, Quelle: IT NRW ). „Aktuell berichten uns Anbauer und Direktvermarkter von einer tendenziell leicht steigenden Nachfrage und dementsprechend auch einer Zunahme der Anbaufläche“, erklärt Wichern.
Bei den Zahlen werde kein Unterschied zwischen grünem und rotem Rhabarber gemacht – geschmacklich seien da aber sehr wohl Variationen vorhanden, ergänzt sein Kollege Florian Rösler, Referent für Ernährungskommunikation bei der Landwirtschaftskammer: „Rhabarber kann in drei Gruppen eingeteilt werden, je nach Farbe von Stängel und Fruchtfleisch. Der grünstielige Rhabarber mit grünem Fruchtfleisch schmeckt besonders herb und hat einen hohen Säuregehalt. Etwas milder im Geschmack ist der rote Rhabarber, der rote Stängel und grünes Fruchtfleisch aufweist. Der ‚Himbeerrhabarber‘ ist der mildeste und zugleich aromatischste, mit rotem Stängel und Fruchtfleisch sowie einem zarten Himbeeraroma.“Verschiedene Säuren wie Apfel- und Zitronensäure sowie Aromen prägten den Geschmack von Rhabarber. Die roten Sorten seien milder und weniger sauer als der grüne Rhabarber, da sie weniger Oxalsäure enthalten.
Ein Phänomen der Oxalsäure, das man beim Genuss von Rhabarer direkt bemerke, sei das raue Gefühl am Zahnschmelz, den die Säure angreife. Bei gelegentlichem Verzehr sei das aber nicht schädlich. Da der Gehalt der Oxalsäure in den Stangen im Verlauf des Sommers ansteige, ende die Rhabarber-Ernte traditionell mit dem Johannistag am 24. Juni, erklärt der Ernährungsexperte.
Beim Kochen oder Backen werde der Säuregehalt übrigens deutlich reduziert, deshalb werde Rhabarber auch selten roh verzehrt. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass die Stangen auch jede Menge positive Inhaltsstoffe mitbringen, zum Beispiel einen hohen Vitamin-C-Gehalt (zehn Milligramm pro 100 Gramm) und Ballaststoffe (3,2 Gramm pro 100 Gramm), und durch den hohen Gehalt an Wasser (etwa 93 Prozent) grundsätzlich auch als kalorienarm gelten können. Das ändert sich natürlich, wenn man in der Praxis bei der Zubereitung von Kompott oder Fruchtaufstrichen Zucker oder Honig als Ausgleich zur Säure einsetzt, aber das ist ein anderes Thema.
Für Einkauf, Lagerung und Haltbarmachung rät Florian Rösler: „Beim Kauf sollten die Stangen knackig sein. Frischen Rhabarber erkennt man an saftigen Schnittstellen, die sich nicht aufkräuseln. Er wird in der Regel ohne Blätter angeboten, da diese nicht zum Verzehr geeignet sind. Bis zu drei Tage kann man ihn im Gemüsefach des Kühlschranks aufbewahren, am besten in ein feuchtes Geschirrtuch eingewickelt, um die Frische zu bewahren. Rhabarber kann ungeschält und roh oder geschält, roh und in Stücke geschnitten eingefroren werden und ist dann mehrere Monate haltbar. Man kann auch fertiges Kompott einfrieren, dieses sollte jedoch nicht angedickt sein. Auch Rhabarbersaft oder -sirup kann man selbst herstellen als Grundlage für alkoholische und nichtalkoholische Mischgetränke.“
Großer Beliebtheit erfreut sich Rhabarber übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch auf der britischen Insel. Da überrascht es nicht, dass Robert Burgmeier, Koch der britischen Botschaft in Berlin, im Garten der Residenz Rhabarber anbaut. „Besonders begehrt sind bei uns natürlich auch die süßen Varianten wie ein Crumble oder Kompott, gerne auch in Verbindung mit Erdbeeren, die ja zur selben Zeit Saison haben.“Aber auch in herzhaften Kombinationen komme der Rhabarber gut zur Geltung: „Ich mache zum Beispiel oft ein Chutney, bei dem Rhabarberstückchen mit Zucker, Senfkörnern, Ingwer und etwas Apfelessig eingekocht werden, bis sie nicht ganz, aber fast zerfallen. Die Kombination aus Süße, der Schärfe vom Ingwer und der Säure vom Rhabarber passt hervorragend zum Stilton-Käse.“Oder man verwende das Chutney, vermischt mit feinen Semmelbröseln, als eine Kruste für gebratenen Lammrücken.
Auch in Kombination mit Fisch funktioniere Rhabarber mit seiner feinen Säure gut, berichtet der Koch. Und er hat auch noch einen Tipp für alle, die Rhabarber zum Beispiel in einer Erdbeer-Rhabarber-Konfitüre verarbeiten wollen: „Dabei braucht man kein zusätzliches Pektin einzusetzen, die Pflanze bringt genug mit.“Eine tolle Frühjahrskombination sei auch ein Rhabarberkompott verfeinert mit frischem Waldmeisterkraut.