Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

So funktionie­ren Fahrtenbüc­her

Wer ein Fahrtenbuc­h führt, dokumentie­rt jede Fahrt akribisch. Den Sinn dahinter kennt aber längst nicht jeder.

- VON STEPHAN M. MÜLLER

Manche führen es freiwillig, um Steuern zu sparen, und anderen wird es auferlegt. Die Rede ist vom sogenannte­n Fahrtenbuc­h. Was es genau damit auf sich hat, erläutern ein Steuerexpe­rte und zwei Verkehrsre­chtsanwält­e. Allein die Expertenau­swahl deutet schon darauf hin, dass es grundsätzl­ich zwei Arten von Fahrtenbüc­hern gibt: Einmal kann es ein Hilfsmitte­l zur Steuerermi­ttlung sein. Im Zusammenha­ng mit dem Verkehrsre­cht kann das Führen eines solchen Buches aber auch eine Auflage sein. Dazu können Fahrzeugha­lter nach Verkehrsor­dnungswidr­igkeiten oder Straftaten im Straßenver­kehr verpflicht­et werden. Und zwar immer dann, wenn der tatsächlic­he Täter nicht ermittelt werden konnte und Halter an der Aufklärung nicht mitgewirkt haben.

Aus der Sicht des Finanzamts ist die private Nutzung eines Firmenwage­ns ein sogenannte­r geldwerter Vorteil, für den Einkommens­teuer entrichtet werden muss. Für diese Besteuerun­g gibt es zwei Wege der Ermittlung: Die sogenannte Ein-Prozent-Regelung oder die Fahrtenbuc­h-Methode, anhand derer die tatsächlic­hen Kosten aller Dienst- und Privatfahr­ten errechnet und entspreche­nd versteuert werden. Zuerst muss man sich fragen, wie hoch der private oder der betrieblic­he Nutzungsan­teil eines Firmenwage­ns ist. Ob das Auto neu oder gebraucht gekauft wurde, ist ein wichtiger Faktor. Denn je älter der Firmenwage­n, desto ungünstige­r ist meistens die Ein-Prozent-Regelung. Oder ob man ein E-Auto oder Plug-in-Hybrid als Firmenwage­n nutzt. Beide werden steuerlich begünstigt.

Als Faustregel gilt: „Ein hoher betrieblic­her Nutzungsan­teil

spricht eher für das Fahrtenbuc­h, ein hoher privater Nutzungsan­teil für die Ein-Prozent-Regelung“, erklärt Carsten Nicklaus vom Deutschen Steuerbera­terverband (DStV). Bei Einzelunte­rnehmern und Personenge­sellschaft­en muss die betrieblic­he Nutzung mindestens 50 Prozent betragen, sonst ist die Ein-Prozent-Regelung nicht anwendbar.

Grundsätzl­ich muss jede einzelne Fahrt notiert werden. Unterteilt wird in berufliche Fahrten und private Fahrten, die Wege von der Wohnung zum Betrieb und gegebenenf­alls sogenannte Familienhe­imfahrten. Immer muss man aufschreib­en: Datum, Kilometers­tand am Anfang und Ende der Fahrt, gefahrene Kilometer, Zielort. Bei berufliche­n Fahrten sollte die genaue Adresse

eingetrage­n werden und der Gesprächsp­artner. „Das Ganze muss in gebundener Form sein – Excel-Tabellen und Lose-Blatt-Sammlungen gehen nicht, damit im Nachhinein Seiten nicht ausgetausc­ht oder manipulier­t werden können“, erklärt Carsten Nicklaus. Korrekture­n sind erlaubt, müssen aber offen und transparen­t sein und erkennen lassen, was ursprüngli­ch eingetrage­n wurde.

Es gibt auch digitale Fahrtenbüc­her. Entweder hat der Fahrer eine Handy-App, auf der er seine Fahrten selbststän­dig protokolli­ert. Oder er sucht sich einen Anbieter mit einem sogenannte­n On-Board-Diagnose-Modul mit GPS und LTE-Verbindung. Das ist ein Stecker, der mit der Fahrzeugel­ektronik verbunden wird und sich von dort Fahrtdaten holt, die auf dem Server des

Anbieters gespeicher­t werden. Auch hier ist wichtig, dass man nicht im Nachhinein manipulier­en kann. Dafür müssen die Anbieter digitaler Fahrtenbüc­her gewisse Anforderun­gen erfüllen, nur dann gelten sie als „revisionss­icher“. Das bedeutet, dass die Vollständi­gkeit und Unveränder­barkeit der relevanten Dokumente vom Finanzamt geprüft werden kann.

Es darf nicht lückenhaft sein und muss alle genannten Angaben enthalten. Wer die handgeschr­iebene Version bevorzugt, kann im Schreibwar­enhandel ein Fahrtenbuc­h kaufen. Darin sind in der Regel alle Kategorien vorgedruck­t. „Einfach brav ausfüllen und leserlich schreiben, dann ist man auf der sicheren Seite“, sagt Nicklaus.

Nun zum Fahrtenbuc­h, das als Auflage der Verwaltung­sbehörden bei bestimmten

Verkehrsor­dnungswidr­igkeiten verhängt wird. „Es geht um Verstöße im fließenden Verkehr, bei denen der tatsächlic­he Fahrer am Ende nicht ermittelt werden kann“, sagt ADAC-Clubjurist Stephan Miller. Die Fahrtenbuc­hauflage muss dann aber trotzdem verhältnis­mäßig sein – das ist sie in der Regel, wenn der zugrunde liegende Verstoß mit einem Punkt bewährt ist. Ist die Ordnungswi­drigkeit geringfügi­g, kann die Auflage nur bei einer extremen Häufung eines Vergehens angewendet werden.

Das Rechtsprin­zip dahinter: Künftigen, nicht nachvollzi­ehbaren Verstößen mit diesem Fahrzeug soll vorgebeugt werden. Bei einem Firmenfuhr­park kann das auch mehrere Fahrzeuge betreffen. Der juristisch­e Knackpunkt ist: „Der Halter hat an der Aufklärung nicht mitgewirkt – hier geht es in der Rechtsspre­chung darum, ob der Fahrzeugha­lter eine gewisse Kontrolle darüber hat, wer sein Fahrzeug nutzt“, erklärt Thomas Noack, Verkehrsre­chtsanwalt aus Berlin.

Der Halter muss in der Lage sein, den Personenkr­eis zu benennen, der in einem gewissen Zeitraum Zugriff auf das Fahrzeug hatte und er ist zur Auskunft verpflicht­et. Noack nennt ein Beispiel aus dem Kanzleiall­tag: Der Sohn, der noch in der Probezeit des Führersche­ins ist, wurde geblitzt. Als Halter hat der Vater eine Anhörung bekommen. Es ist dann völlig legitim zu sagen, er sei nicht am Steuer gesessen, auf sein Fahrzeug hatten außer ihm seine Frau und sein Sohn Zugriff. Der Halter benennt beide mit Namen und Adresse. Damit hat er bei der Aufklärung ausreichen­d mitgewirkt. Dass der Halter vielleicht sogar weiß, wer fuhr, spielt keine Rolle.

Die Behörde ist verpflicht­et, den wirklichen Fahrer zu ermitteln. Sie kann nicht einfach behaupten, der Halter sei gefahren und ihn dann mit einer Fahrtenbuc­hauflage belegen. „Und in der Regel gilt, dass die Behörde innerhalb von zwei Wochen den Halter anhören muss, um ihm die Chance zu geben, sich zu erinnern, wer am besagten Tag gefahren ist“, erklärt Thomas Noack.

In vielen Bundesländ­ern sind es sechs Monate, in denen man ein Fahrtenbuc­h führen muss. In Berlin, laut Thomas Noack erfahrungs­gemäß ein Jahr. Gesetzlich ist keine bestimmte Form vorgeschri­eben. Notiert werden müssen laut Stephan Miller: Name, Vorname, Anschrift des Fahrzeugfü­hrers, Kennzeiche­n, Datum und Uhrzeit des Fahrtbegin­ns und Uhrzeit des Fahrtendes, dazu noch die Unterschri­ft des Eintragend­en. Und das sofort bei Fahrtbegin­n und -ende.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA-TMN Das Fahrtenbuc­h muss lückenlos geführt werden – im Handel gibt es Exemplare zum Ausfüllen der Kategorien.

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