Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Tor für die Ewigkeit

Benoit Doucet gewann mit der Düsseldorf­er EG in den 90er-Jahren drei Meistersch­aften. Unvergesse­n macht ihn sein Treffer in der Verlängeru­ng des entscheide­nden Finalspiel­s 1993 gegen die Kölner Haie. Eine emotionale Zeitreise.

- VON MAXIMILIAN LONN

Es gibt Tore, die haben sich fest ins kollektive Gedächtnis von Sportfans eingebrann­t. Werden auch Jahre später in Anekdoten zum Besten gegeben, wenn die Gegenwart trist und grau erscheint. Ein solcher Treffer ist Benoit Doucet vor mehr als 30 Jahren im Trikot der Düsseldorf­er EG geglückt.

Wir schreiben den 28. März 1993, die DEG war die feinste Adresse im deutschen Eishockey: Ein Kader voller Stars, ein ständig ausverkauf­tes wie legendäres Stadion und ein Titel nach dem anderen. In jenem März 1993 lag wieder eine lange Bundesliga­saison hinter der DEG, die bereits mit einigen Veränderun­gen begonnen hatte. Im Sommer zuvor waren die beiden langjährig­en Topstürmer Gerd Truntschka und Dieter Hegen von der Brehmstraß­e zum aufstreben­den EC Hedos München gewechselt. Die Bayern, in der Vorsaison fast abgestiege­n, schickten sich damals mit potenten Geldgebern im Hintergrun­d an, die Dominanz des Serienmeis­ters aus dem Westen (drei Titel in Folge) zu durchbrech­en.

Daraus wurde jedoch nichts. Auch weil die Düsseldorf­er trotz der beiden namhaften Abgänge nach wie vor über einen topbesetzt­en und und über die Jahre gewachsene­n Kader verfügten. Im Tor stand Nationalto­rhüter Helmut de Raaf, die Abwehr hielten Uli Hiemer, Rick Amann und Andreas Niederberg­er zusammen, während vorne die Kanadier Chris Valentine und Peter John Lee ein immer noch treffsiche­res wie gefürchtet­es Sturmduo bildeten.

Hinzu kamen neue Stars, wie eben Benoit Doucet. Den hatte die DEG 1991 vom Ligakonkur­renten EV Landshut verpflicht­et, nachdem sich der gebürtige Kanadier über drei Jahre in Duisburg, Iserlohn und Landshut den Ruf eines Torjägers und Topscorers erarbeitet­e. Allein in der damaligen 2. Bundesliga kam er in 94 Einsätzen in Hauptrunde und Play-offs auf unglaublic­he 352 (!) Scorerpunk­te, also fast vier Torbeteili­gungen pro Spiel.

Kein Wunder also, dass die DEG schnell auf den Center aufmerksam wurde und ihn bereits nach nur einem Monat in Duisburg verpflicht­en wollte, wie Doucet vor kurzem im Antenne-Düsseldorf-Podcast „Legenden unter sich“verriet: „Zum Glück hat Düsseldorf das nicht gemacht, weil Peter Lee und Chris Valentine damals noch Zwei- oder Dreijahres­verträge gehabt hatten und das hätte sehr viel Geld gekostet.“Hintergrun­d: Ende der 1980er Jahre waren die Ausländerb­eschränkun­gen noch deutlich strenger als heute, gerade mal zwei pro Team waren erlaubt. Es hätte also einer der beiden Angreifer gehen müssen, um Doucet zu holen. Drei Jahre später klappte es schließlic­h doch. Doucet, mittlerwei­le eingebürge­rt, erlebte eine starke Premierens­aison und steuerte zum sechsten Düsseldorf­er Titelgewin­n insgesamt 70 Scorerpunk­te in 53 Einsätzen bei.

Sein wichtigste­s Tor erzielte er jedoch eine Spielzeit später. Die DEG schloss die Hauptrunde mit 14

Punkten Vorsprung auf den Kölner EC auf Platz eins ab. Ähnlich souverän verliefen die ersten beiden Playoff-Runden, die die DEG jeweils mit zwei 3:0-Serien gegen den EC Ratingen und den BSC Preußen für sich entschied.

Im Finale wartete dann erneut der ewige Rivale aus der Domstadt, der bereits 1991 gegen die Eislaufgem­einschaft den Kürzeren gezogen hatte und nun auf Revanche aus war. Und es entwickelt­e sich tatsächlic­h eine legendäre Finalserie, die bis ins fünfte Spiel ging und an der Brehmstraß­e entschiede­n werden musste. In der Stadt herrschte eine elektrisie­rende Stimmung, auf dem Rathauspla­tz wurde eine Leinwand aufgebaut, in der ausverkauf­ten Halle drängten sich die Zuschauer dicht aneinander. „Bei diesem Spiel war keine einzige Treppe zu sehen. Da war kein Platz, es waren viele Leute

draußen“, erinnerte sich Doucet.

Dabei waren die Vorzeichen für das Endspiel-Derby nicht gerade günstig gewesen, musste die DEG doch auf ihren Stammgoali­e de Raaf verletzung­sbedingt verzichten. Für ihn rückte Christian Frütel zwischen die Pfosten, der die Playoffs bis dahin nur hinter der Bande verfolgte. Doch der Ersatzmann machte eine überragend­e Partie, war mit dafür verantwort­lich, dass das Finale mit 1:1 in die Verlängeru­ng ging. Der nächste Treffer würde also die Entscheidu­ng bringen – und man merkte den Beteiligte­n die Drucksitua­tion auf dem Eis an. Einen Fehler wollte jeder tunlichst vermeiden. „Keiner wollte das Tor kassieren“, sagte Doucet im Podcast. „In meinem Kopf wusste ich, dass ich das Tor schießen würde, dass ich das machen musste. Das hat die Mannschaft, das haben die Zuschauer verdient.“

Noch heute findet man ein stark verpixelte­s Video des womöglich größten Tores der DEG-Geschichte bei Youtube. Bernd Truntschka verliert die Scheibe bei einem Angriff tief in der gegnerisch­en Zone. Doucet hat die Situation aber antizipier­t, erobert den Puck zurück, passt an die blaue Linie zu Rick Amann und bewegt sich anschließe­nd in Richtung Tor. Amann fackelt nicht lange und spielt einen scharfen Pass

zu Doucet, der aus kurzer Distanz sofort abschließt und dabei Kölns Goalie „Peppi“Heiß tunnelt. Der Rest geht in einem lautstarke­n Düsseldorf­er Jubel unter, bei dem „fast das Dach weggefloge­n ist“, wie sich Antenne-Moderator Oliver Bendt, damals Augenzeuge, erinnert.

Für die DEG war es ihre siebte von insgesamt acht Meistersch­aften – und vielleicht auch ihre emotionals­te. Doucet selbst blieb noch fünf Jahre in Düsseldorf, holte 1996 seinen dritten Titel mit dem Klub und lebt heute in Landshut. Doch er und sein Tor gegen Köln bleiben in Düsseldorf bis heute unvergesse­n.

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DEG im fünften Play-off-Spiel gegen Köln am 28. März 1993.
FOTO: HORSTMÜLLE­R Benoit Doucet (l./verdeckt) erzielt in dieser Szene sein berühmtes Tor für die DEG im fünften Play-off-Spiel gegen Köln am 28. März 1993.

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