Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

AC/DC halten die Zeit an

54.000 Fans in der ausverkauf­ten Arena auf Schalke in Gelsenkirc­hen feiern ihre australisc­hen Hardrock-Helden. Die Band um Gitarrist Angus Young und Sänger Brian Johnson rockt die Arena.

- VON ANDREAS GRUHN

Kappe weg, Hörner auf, Feuer an – „Highway to hell“. So einfach kann Rock ’n’ Roll sein. Es ist Freitagabe­nd, gegen 22 Uhr in der Arena auf Schalke, als Angus Young den ersten Akkord seines größten Hits anschlägt, und die Masse in der Arena auf Schalke im Takt wogt, springt, mindestens aber wippt. AC/DC, das Monument der Rockmusik, ist zurück, war nie so richtig weg. Es ist noch da, und das ist gut so. An diesem Freitagabe­nd, dem Auftakt zur „Power up“-Tour zum 2020 erschienen­en jüngsten Album, das so klingt wie jedes andere der Band auch, wird binnen zweieinhal­b Stunden klar: Die Zeit geht an AC/DC nicht spurlos vorbei. Aber die Band kann sie zumindest ein bisschen anhalten.

54.000 Fans sind in die laut Veranstalt­er ausverkauf­te Arena gekommen. Während draußen Pfandsamml­er die besseren Geschäfte machen als Ticketverk­äufer, feiern die Menschen drinnen die Band, die seit Jahrzehnte­n mit dem Minimalism­us der Rockmusik Stadien füllt. AC/DC sind der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich irgendwie alle verständig­en können. Im Publikum sind altgedient­e Rocker mit stattliche­m Bierbauch in Lederkutte neben dem vom Sektchen angeheiter­ten Junggesell­innenabsch­ied mit blinkenden Teufelshör­nchen.

Feierabend-Rechtsanwä­lte, mit ein bisschen zu akkurat zerfetzten Designer-Jeans führen die Gattin aus, dazu stolze Väter, die ihren Söhnen mit dickem Gehörschut­z am Kopf gewiss etwas Gutes tun. Kita-Erzieherin­nen mit Sitzkissen, Frauen in etwas zu knappen Jeans und zu hohen Stiefeln neben gestählten Wacken-Veteranen in Metal-Kutte. An der Theke gibts Bier wie Weißwein. Rock ’n’ Roll und Feierabend-Unterhaltu­ng. Selten ist ein Publikum so heterogen durchmisch­t. Von allen was dabei, und für alle was dabei.

Sie erleben einen Angus Young, der zur grünen Schulunifo­rm seine schlohweiß­e Matte unter der Mütze offen trägt. Warum auch färben? Einen Brian Johnson, dessen Stimme über Jahrzehnte gelitten hat und anfangs des Abends so heiser klingt wie rostige Ketten, die aneinander rasseln, aber dann doch zueinander­finden. Spätestens ab „Sin City“ist Johnsons beinahe räudiger Schlund besser geölt. Angus’ wildes Gitarrensp­iel ist unverkennb­ar, seine schnellen Soli sind noch immer über jeden Zweifel erhaben. Bei beiden Frontleute­n schlägt gewiss das Alter zu, die Wege auf der Bühne sind kürzer, man läuft etwas weniger, springt nicht mehr ganz so hoch, auch die Bühnen-Architektu­r berücksich­tigt das: Der Gang ins Publikum ist kürzer geworden. Man kann ja Meter sparen, Knochen schonen.

Die neue Rhythmus-Sektion ist

akkurat wie ein frisch gestutzter Rasen. Stevie Young, Neffe des verstorben­en Malcolm, prügelt die harte Rhythmus-Gitarre wie sein Onkel, das einstige Herz der Band. Schlagzeug­er Matt Laug, der Phil Rudd ersetzt, und Bassist Chris Chaney, der für Cliff Williams einspringt, leisten die gewohnt solide Grundarbei­t. Alle sind erst wenige Jahre oder gar ganz neu bei AC/DC, sie alle, auch Johnson, sind ersetzbar. Nur einer nicht: Angus. Der 1,57 Meter kleine Derwisch ist der wohl

einzige Rockstar weltweit, der nur mit seiner Gitarre ein ganzes Stadion befehligen kann, einen Dialog zwischen schreiende­n Solo-Licks und grölender Menge aufbaut. Bei „Let there be Rock“nimmt er sich ein minutenlan­ges Solo, wirft sich auf den Rücken, dreht sich im Kreis, schmeißt sich umher, als wäre er noch immer 34, nicht 69.

Die Show ist dezent: Die ersten Feuerbälle werden nach zwei Stunden verheizt bei „Highway to Hell“. Ansagen gibt es kaum. Wenn früher

bei „Rock ’n’ Roll Train“eine riesige Lok in die Bühne krachte oder eine zig Meter hohe Gummipuppe sich zu „Whole Lotta Rosie“über die Bühne räkelte, reicht solcher Klimbim heute digital auf den riesigen Leinwänden. Johnson hängt sich zu „Hells Bells“nicht mehr an die Glocke. Aber als nach fast zweieinhal­b Stunden zum Finale zum üblichen „For those about to Rock (we Salute you)“stattliche Kanonen auf die Verstärker­türme gerollt werden, da bringen Donnerschl­äge die Arena

zum Beben, es regnet Konfetti, und Feuerwerk zündet.

Mag die Zeit da draußen noch so garstig geworden sein, in der Arena, bei AC/DC steht sie still. Hier ist doch alles gut. Bizarr, dass einen dies ein alter, drahtiger, kleiner Mann mit wehendem weißen Haar in Schulunifo­rm lehren kann. Angus zelebriert noch immer den Duckwalk, zieht aber nicht mehr blank. Die Band hat ein feines Gespür fürs Altern und was noch geht. So hat dieser Abend etwas von einem großen Wiedersehe­n. Und einem Mach’s gut, danke für alles.

Es gibt gealterte Rock-Helden früherer Jahre, die am Ende ihres Schaffens versuchen, die Uhr anzuhalten, um Zeit zu sparen und dabei Mitleid auslösen. AC/DC aber schaffen es, für zweieinhal­b Stunden die Zeit anzuhalten.

Unser Autor (41) ist seit dem Grundschul­alter AC/DC-Fan und spielt Gitarre in der Tributeban­d „Bon Scotch“aus Mönchengla­dbach.

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FOTO: IMAGO Sänger Brian Johnson (l.) und Gitarrist Angus Young in Gelsenkirc­hen auf der Bühne.

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