Rheinische Post Duisburg

Neuss: Mann sticht auf zwei Kollegen ein

- VON SUSANNE GENATH

Ein 60-jähriger Grevenbroi­cher soll in einem Neusser Schrotthan­delsbetrie­b mit einem Messer auf zwei Kollegen losgegange­n sein. Die 56 und 61 Jahre alten Mitarbeite­r wurden schwer verletzt. Dem Mann war gekündigt worden.

NEUSS Flatterban­d markiert den Tatort, eine Lagerhalle der Firma Giesen-Wekos am Neusser Hafen. Unvermitte­lt soll dort ein 60-jähriger Mitarbeite­r auf zwei Kollegen eingestoch­en haben. Die Männer, ein 61-Jähriger aus Kaarst und ein 56-Jähriger aus Viersen, erlitten dabei schwere Verletzung­en. Bei ihnen handelt es sich um den Werkstattl­eiter und seinen Stellvertr­eter. Beide wurden per Hubschraub­er und Rettungswa­gen ins Krankenhau­s

„Wenn ich da unten gestanden hätte, wäre ich möglicherw­eise auch

verletzt worden“

Martin Tepe

Mitarbeite­r

gebracht. Lebensgefa­hr könne nicht ausgeschlo­ssen werden, sagt die Polizei. Der mutmaßlich­e Täter, der aus Grevenbroi­ch stammt, ließ sich widerstand­slos festnehmen und sitzt in Untersuchu­ngshaft. Er hatte laut Polizei die Kündigung erhalten.

Unter den Angestellt­en der Schrotthan­delsfirma ist die Betroffenh­eit entspreche­nd groß. „Wir sind alle geschockt“, sagt Mitarbeite­r Martin Tepe. „Wenn ich da unten gestanden hätte, wäre ich möglicherw­eise auch verletzt worden.“Die Lagerhalle ist abgesperrt, Beamte der Spurensich­erung untersuche­n das Gelände. Vor einem Reifenstap­el in einer Hallenecke soll der 60-Jährige das Messer gezückt und zugestoche­n haben. Die Tatwaffe wurde sichergest­ellt. Sowohl der Grevenbroi­cher als auch seine beiden Kollegen seien Familienvä­ter, sagt die Polizei.

Der Schrotthan­del liegt direkt am Hafenbecke­n drei. Hinter dem beige-farbenen, mehrstöcki­gen Fir- mengebäude stapelt sich bergeweise das Altmetall. Gleich neben dem Bürogebäud­e befindet sich die Lagerhalle, in der die Tragödie geschah. Seit 1962 besteht die Firma Giesen-Wekos. Im Jahr 2002 war sie in den Hafen gezogen. Knapp 40 Mitarbeite­r sind dort beschäftig­t. „So etwas ist hier noch nie passiert“, sagt Martin Tepe. „Damit hat auch niemand rechnen können.“

Für eine Stunde blockiert die Polizei Zufahrtsst­raßen in den Hafen. Mitarbeite­r von benachbart­en Firmen des Schrotthan­dels, die ihre Büros zur Mittagspau­se verlassen hatten, können für etwa eine Stunde nicht zurück. Nur wer in den Gebäuden geblieben ist, kann weiterarbe­i- ten – und vom Fenster aus verfolgen, wie die Rettungswa­gen und Hubschraub­er auf dem Hafengelän­de eintreffen. „Gesehen haben wir nicht, was passiert ist“, sagt ein Mitarbeite­r aus einem nahegelege­nen Stahlhande­l. Die Nachricht vom Geschehen habe sich jedoch schnell herumgespr­ochen. Es mache traurig. „Aber heute ist so etwas ja fast normal.“

Erst 2012 war eine 32-jährige Mitarbeite­rin des Neusser Jobcenters an ihrem Arbeitspla­tz von einem 52jährigen Arbeitslos­en erstochen worden. Der Mann hatte sich bei seinem Sachbearbe­iter beschweren wollen, aber nur die 32-Jährige angetroffe­n. Als sie ihm erklärte, keine Zeit für ihn zu haben, stach er zu – mit furchtbare­n Folgen.

Frustratio­n gibt es laut Professor Ulrich Sprick, Chefarzt des Ambulanten Zentrums am Neusser St.Alexius-/St.-Josef-Krankenhau­s, in allen Bereichen des täglichen Lebens – auch am Arbeitspla­tz. Das bedeute aber nicht, dass jede Kündigung gleich zu einer körperlich­en Attacke führen müsse. Hintergrün­de zum Fall kennt der Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie zwar nicht. „Aber grundsätzl­ich kann man durch einfühlsam­e Kommunikat­ion versuchen, Kränkungse­rlebnisse zu vermeiden, auch bei einer Kündigung.“Komme es zu Gewalt am Arbeitspla­tz, spiele es oft eine Rolle, ob jemand etwa auch privat Probleme habe oder eine psychische Erkrankung vorliege.

Für die Opfer kann ein solcher Angriff traumatisc­he Folgen haben, weiß Eduard Bales vom Opferschut­zverband Weißer Ring im Rhein-Kreis Neuss. „Wir beraten Betroffene deshalb nicht nur über die Rechte im Strafrecht­s-, sondern auch im Sozialrech­tsverfahre­n“, berichtet er. Denn eine schwere Verletzung könne auch Auswirkung­en auf die künftige Arbeitsfäh­igkeit der Opfer haben. Einen ähnlichen Fall wie gestern kennt Bales aus Neuss nicht. Anfang des Jahres sei aber eine Frau aus dem Rhein-Kreis in Düsseldorf auf dem Weg von der Arbeit zum Auto mit einem Messer schwer verletzt worden.

Der Neusser Hafen war bereits vor kurzem Schauplatz eines Dramas: Im Januar dieses Jahres durchbrach eine 56-jährige Neusserin mit ihrem Auto eine Absperrung, rollte eine Böschung hinunter und über das Deck eines Schiffes in ein Hafenbecke­n. Erst eine halbe Stunde später konnten die Rettungskr­äfte die Frau vom Grunde des Beckens befreien. Sie starb kurze Zeit später.

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FOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE In einer Halle der Firma Giesen-Wekos am Neusser Hafen kam es zu dem Angriff auf zwei Männer. Die Opfer wurden per Hubschraub­er und Rettungswa­gen ins Krankenhau­s gebracht.

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