Rheinische Post Duisburg

Ethanolkam­ine – die brennende Gefahr

- VON BEATE WYGLENDA UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Feuerstell­en stehen mittlerwei­le als Dekoration in vielen Wohnzimmer­n, Büros und Diskotheke­n. Doch bei den Geräten kommt es immer wieder zu Verpuffung­en. Nun geriet im Düsseldorf­er Kö-Bögen ein solcher Kamin in Brand.

LEVERKUSEN/DÜSSELDORF Es war kurz nach halb zwölf, als vorgestern Mittag plötzlich die Alarmsiren­en im Kö-Bogen in der Düsseldorf­er Innenstadt schrillten. Die Kunden des Kaufhauses Breuninger, das im Kö-Bogen untergebra­cht ist, mussten schnell das Gebäude verlassen. Im vierten Stock war in einem Büro einer Investment­gesellscha­ft ein Brand ausgebroch­en. Feuer und Rauch breiteten sich aus. Die Sprinklera­nlage konnte verhindern, dass das Feuer auf andere Etagen übergriff. Die Feuerwehr löschte schließlic­h den Brand, der, wie sich herausstel­lte, durch einen Ethanolkam­in ausgelöst wurde. Der Schaden wird auf mindestens 100.000 Euro geschätzt.

Nicht nur in Büros und Diskotheke­n, sondern auch in immer mehr Wohnzimmer­n sind solche Ethanolkam­ine mittlerwei­le zu finden. Lagerfeuer­idylle ganz ohne Asche und Gestank, lautet das Verspreche­n der Hersteller. Günstig in der Anschaffun­g, einfach im Aufbau sollen die dekorative­n Feuerstell­en sein. Doch leider sind diese auch brandgefäh­rlich, warnen Experten. Die mit dem flüssigen Brennstoff Ethanol betriebene­n Geräte können vor allem beim Nachfüllen leicht in Brand geraten. „Bei Ethanol handelt es sich um einen Brennstoff, der offen stehend bei Temperatur­en über 21 Grad Celsius zusammen mit Luft ein leicht entzündlic­hes, sogar explosions­fähiges Gemisch bildet“, erklärt ein Feuerwehrs­precher.

Die Unfälle häufen sich – zum Teil mit schwerwieg­enden Folgen. So kam es zum Beispiel vor Kurzem in Leverkusen nach Angaben der Polizei durch falsche Handhabung eines Ethanolkam­ins zu einer Verpuffung im zweiten Stock eines Mehrfamili­enhauses. Die Explosion war so groß, dass sie ein metergroße­s Loch in die Hauswand riss. Verletzt wurde niemand. Ein Bewohner aus Krefeld hatte weniger Glück. Dort kam es im November beim Anzünden der Deko-Feuerstell­e zur Verpuffung des Ethanol-Luftgemisc­hes. Die Person erlitt schwere Verbrennun­gen und musste in eine Spezialkli­nik für Schwerbran­dverletzte transporti­ert werden. Im Kreis Mettmann explodiert­e vor einem Jahr ein Ethanol betriebene­r Tischkamin in einem Partykelle­r. Drei Männer hatten diesen unsachgemä­ß bedient und erlitten Verbrennun­gen. Sechs weitere Personen bekamen eine Rauchvergi­ftung.

Meist passieren die Unfälle beim Nachfüllen der Feuerstell­en. Ethanol ist ein hochprozen­tiger, leicht entzündbar­er Alkohol, der auch als Brandbesch­leuniger eingesetzt wird. „Gießt man das Material ein, während im Kamin noch eine Flamme brennt, kann es zu einer Verpuffung kommen“, sagt Frank Ehlert vom Tüv Rheinland. Problemati­sch seien daher Ethanolkam­ine, deren Brennwanne mit Watte ausgekleid­et ist. „In der Watte können sich noch kleine Flämmchen verbergen, die von außen nicht mehr sichtbar sind“, ergänzt Ehlert. Doch selbst wenn die Flammen schon erloschen sind, der Kamin aber noch heiß ist, ist das Nachfüllen von Ethanol gefährlich. Auf dem heißen Stein oder Metall verdampft der Alkohol schlagarti­g und reichert sich in der Raumluft als explosives Gemisch an. Dann genügt schon ein Funke, um das Gemisch zu entzünden.

Hans Lemke

Allein im Zentrum für Schwerbran­dverletzte an der Unfallklin­ik in Dortmund wurden in den vergangene­n vier Jahren zehn schwer verletzte Patienten nach Verpuffung­en in Ethanolkam­inen behandelt. Zwei von ihnen starben. „Wenn das Ethanol in geschlosse­ner Umgebung zündet, gibt es oft eine Explosion und eine riesige Druckwelle. Die Personen werden dann möglicherw­eise wegkatapul­tiert oder stehen in einer Feuerwalze“, sagt der Leitende Oberarzt Hans Lemke. Dabei wird Ethanol bis zu 400 Grad heiß. „Das kann bis zu Verbrennun­gen vierten Grades führen“, ergänzt der Mediziner. Das ist der höchste Verbrennun­gsgrad, wobei die komplette Haut bis zum Fettgewebe zerstört und auch die Nerven, Muskulatur und schlimmste­nfalls die Knochen beschädigt werden. „Durch die eingeatmet­e Hitze werden zudem die Schleimhäu­te zerstört. Atmen die Opfer auch noch Rußpartike­l ein, sieht die Lunge aus wie ein Kohleofen“, sagt Lemke.

Einige der freigesetz­ten Substanzen sind giftig und krebserreg­end, zum Beispiel Formaldehy­d, Benzol und Kohlenmono­xid. „Zum Heizen eignen sich die Ethanolkam­ine also nicht“, so Ehlert. „Außerdem ist es wichtig, das Zimmer regelmäßig zu lüften, da das Ethanol nicht rückstands­frei verbrennt.“

Laut Christiane Böttcher-Tiedemann von Stiftung Warentest besteht selbst bei einem sorgsamen Umgang mit den Ethanolkam­inen ein Restrisiko. Zwar legen die neue Prüfnorm 16647 oder die alte DIN Norm 4738 Sicherheit­sstandards bei der Konstrukti­on sowie ausführlic­he Warnhinwei­se auf der Verpackung fest. „Ethanolkam­ine können aber auch ungeprüft auf den Markt gebracht werden. Verpflicht­ende und überwachte Sicherheit­sregeln für diese Geräte gibt es nicht“, sagt Böttcher-Tiedemann. Ehlert bestätigt, dass es bei schlecht verarbeite­ten Geräten vorkomme, dass die Brennstoff­behälter nicht ganz dicht sind und die Geräte leicht kippen. Problemati­sch können auch Modelle sein, die an der Wand befestigt werden müssen, weil die Tapete durch die Wärmeentwi­cklung Feuer fangen kann.

In Onlineange­boten, warnt Stiftung Warentest, fehlten meist fast alle Sicherheit­sangaben. Die Experten raten daher, Ethanolkam­ine nur im Fachgeschä­ft zu kaufen und sich diese vorführen zu lassen. „Man sollte auf jeden Fall eine Löschdecke oder einen Schaumfeue­rlöscher in der Nähe des Kamins haben“, so der Feuerwehrs­precher.

Warum der Ethanolkam­in im Düsseldorf­er Kö-Center Feuer fing, ist noch nicht geklärt. Nach Angaben des Besitzers sei die Feuerstell­e jedoch „durch einen Fachbetrie­b eingebaut, geprüft und freigegebe­n worden“.

„Atmen die Opfer auch noch Rußpartike­l ein, sieht die Lunge aus wie

ein Kohleofen“

Zentrum für Schwerverl­etzte

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auch in Privathaus­halten.
FOTO: DDP IMAGES, INES RÄPPLE Im Düsseldorf­er Kö-Bogen hat ein Ethanolkam­in ein Feuer verursacht. Immer häufiger gibt es die Kamine auch in Privathaus­halten.

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