Forscher entdecken unbekanntes Organ
Das sogenannte Gekröse befestigt Magen und Darm an der Bauchwand. Das eröffnet neue Diagnose- und Therapiewege.
DÜSSELDORF Kaum ein Forschungsgebiet wird so vorangetrieben wie die Medizin. Vor allem im vergangenen Jahrzehnt konnten Wissenschaftler deshalb bahnbrechende Neuerungen beispielsweise in der Krebstherapie auf den Markt bringen. Um so unwahrscheinlicher scheint es da, dass Wissenschaftler ein noch unbekanntes Organ im menschlichen Körper entdecken könnten.
Calvin Coffey, Forscher am Universitäts-Krankenhaus Limerick in Irland, und seine Kollegen, haben jedoch genau das getan. Mittels zahlreicher mikroskopischer Beobachtungen von Verdauungstrakt und Bauchraum über die vergangenen vier Jahre konnten die Forscher ein neues Organ ausmachen.
Dabei handelt es sich um das sogenannte Gekröse (Mesenterium), eine Doppelbauchfalte, welche die inneren Organe wie Magen und Darm an der Bauchwand befestigt. Zwar war das Gewebe bereits bekannt – unter anderem hatte Leonardo da Vinci bereits 1508 das Gekröse als zusammenhängende Struktur beschrieben – allerdings gingen Wissenschaftler in den vergangenen 100 Jahren davon aus, dass es sich dabei um einzelne von- einander unabhängige Fragmente handelt.
Wie die irischen Forscher zeigen konnten, handelt es sich dabei jedoch um ein zusammenhängendes Gewebe, das spezialisiert ist und eine eigenständige Funktionseinheit im menschlichen Körper ausmacht. Somit erfüllt das Gekröse doch die Definition eines Organs. Seine Erkenntnisse veröffentlichte Coffey in dem medizinischen Fachblatt „The Lancet Gastroenterology & Hepatology“.
„Wir kennen jetzt die Anatomie und die Struktur. Nun müssen wir die Funktion des Organs herausfinden. Wenn wir diese verstehen, wis- sen wir auch, wann das Organ nicht normal arbeitet – und können somit neue Krankheiten des Verdauungstraktes erkennen“, schreibt der Forscher. Coffey vermutet deshalb, dass sich aus dieser Erkenntnis ein völlig neuer Wissenschaftszweig entwickelt. So sollen neue Krankheitsbilder, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Erkrankungen des Verdauungstraktes entstehen. Das berühmteste medizinische Lexikon, „Gray’s Anatomy“, wurde demnach bereits entsprechend abgeändert. Erste Universitäten sollen die Neuerungen bereits in den medizinischen Lehrplan aufgenommen haben.