Rheinische Post Duisburg

Teilzeit-Gesetz erzürnt die Arbeitgebe­r

- VON BIRGIT MARSCHALL

Arbeitsmin­isterin Nahles will ein Rückkehrre­cht von einem befristete­n Teilzeit- auf einen Vollzeitjo­b einführen. Die Unternehme­n sollen künftig nachweisen müssen, warum sie diesen Arbeitnehm­erwunsch nicht erfüllen können.

BERLIN Wer Teilzeit arbeitet, soll künftig einen Rechtsansp­ruch darauf haben, nach einer mit dem Arbeitgebe­r vereinbart­en Zeit wieder auf eine Vollzeit-Stelle zurückzuke­hren. Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) legte jetzt den entspreche­nden Gesetzentw­urf vor.

Bisher gibt es nur einen Anspruch auf unbegrenzt­e Teilzeitar­beit. Nach einer Freistellu­ng für Elternoder Pflegezeit kann der Arbeitnehm­er zudem sicher zur alten Arbeitszei­t zurückkehr­en. Ein allgemeine­s Rückkehrre­cht von Teil- auf Vollzeit hatten Union und SPD in ihrem Ko-

Michael Fuchs alitionsve­rtrag vereinbart. Helfen kann die Neuregelun­g vor allem Frauen: Von den 2015 etwa 10,3 Millionen abhängig Erwerbstät­igen in Teilzeit waren 80,8 Prozent Frauen.

Dem Gesetzentw­urf zufolge soll der Anspruch auf Rückkehr von Teil- auf Vollzeit für alle Beschäftig­ten von Arbeitgebe­rn mit mindestens 15 Angestellt­en gelten. Die Regelung gilt also auch für solche Arbeitgebe­r, die in mehreren kleineren Betrieben zusammen mindestens 15 Mitarbeite­r beschäftig­en.

Das Arbeitsver­hältnis muss zudem mehr als sechs Monate bestanden haben. Beschäftig­te sollen die begrenzte Teilzeit mindestens drei Monate vorher beantragen müssen. Nach der Rückkehr zur ursprüngli­chen Arbeitszei­t sollen sie eine er-

Vollzeit neute Verringeru­ng der Arbeitszei­t frühestens nach einem Jahr verlangen können. Der Entwurf sieht auch vor, dass der Arbeitgebe­r es mit seinen Arbeitnehm­ern erörtern muss, wenn diese eine Änderung ihrer Arbeitszei­t wünschen – und zwar unabhängig von der Betriebsgr­öße.

Teilzeit

55 bis 65 Jahre

45 bis 54 Jahre Handwerk

Industrie

Andere Bereiche

Öffentlich­er Dienst Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles

hoch

Außerdem soll Teilzeitkr­äften die Ausweitung ihrer Arbeitszei­t erleichter­t werden. Bereits heute schon sind sie bei der Besetzung freier Arbeitsplä­tze bevorzugt zu berücksich­tigen. Sie müssen bisher aber selbst nachweisen, dass ein Arbeitspla­tz mit mehr Stunden zur

15 bis 29 Jahre

30 bis 44 Jahre

Dienstleis­tungen

niedrig

mittel Verfügung steht und sie dafür geeignet sind. Der Entwurf sieht nun eine Beweislast-Verlagerun­g auf den Arbeitgebe­r vor. Dieser müsse dann das Fehlen eines Arbeitspla­tzes oder eine geringere Eignung darlegen.

Die Arbeitgebe­r lehnten den Teilzeit-Entwurf als „Überdosis Büro- kratie“strikt ab. „Die Regulierun­g erreicht das Gegenteil von flexibler Arbeitsges­taltung“, sagte der Hauptgesch­äftsführer ihres Verbands BDA, Steffen Kampeter. „Der befristete Teilzeitan­spruch stellt Betriebe und alle anderen Arbeitnehm­er vor große Belastunge­n: Wer befristet ausfällt, dessen Arbeit muss trotzdem gemacht werden“, sagte der BDA-Geschäftsf­ührer.

„Arbeitgebe­r sollen künftig beweisen müssen, warum ein Teilzeitbe­schäftigte­r nicht mehr Stunden arbeiten darf, wenn er dies wünscht. Abgesehen davon, dass dies enormen Aufwand bedeuten würde und praktisch kaum umsetzbar wäre, ist das ein unzulässig­er Eingriff in die betrieblic­hen Organisati­onsrechte jedes Arbeitgebe­rs“, sagte der Tarifrecht­sexperte der BDA, Roland Wolf.

Kritik kam auch aus der Union. „Gerade kleinere mittelstän­dische Betriebe werden große Probleme haben, einen solchen Anspruch organisato­risch umzusetzen“, sagte Carsten Linnemann, Chef der Mittelstan­dsvereinig­ung MIT in der Union. „Das Rückkehrre­cht auf Vollzeit darf nur für solche Beschäftig­ten eingeführt werden, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen müssen. So steht es im Koalitions­vertrag, und daran muss sich Frau Nahles halten“, forderte Unionsfrak­tionsvize Michael Fuchs.

Familienmi­nisterin Manuela Schwesig (SPD) sprang ihrer Kollegin Nahles dagegen zur Seite: „Viele Frauen möchten zwar ihre Stundenzah­l erhöhen, stecken aber fest. Deshalb brauchen wir das Recht, nach der Teilzeit wieder auf die vorherige Arbeitszei­t zurückkehr­en zu können.“Auch die Gewerkscha­ften unterstütz­en die Pläne.

„Das Rückkehrre­cht darf nur für einige Beschäftig­te gelten, die etwa Kinder erziehen“

Vize-Fraktionsc­hef von CDU/CSU

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ARBEITSMED­IZIN | FOTO: ULLSTEIN | GRAFIK: FERL ??
QUELLE: BUNDESANST­ALT FÜR ARBEITSSCH­UTZ UND ARBEITSMED­IZIN | FOTO: ULLSTEIN | GRAFIK: FERL

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