Rheinische Post Duisburg

PROF. DR. KLAUS-PETER HUFER Stammtisch-Parolen entgegentr­eten

- VON KRISTINA MADER

Professsor Dr. Klaus-Peter Hufer ist Politologe an der Uni Duisburg-Essen und hat ein Argumentat­ionstraini­ng gegen populistis­che Hetze entwickelt.

Rechte Parolen hört man in Zeiten wie diesen nicht nur an Stammtisch­en. Und sie kommen nicht nur von Rechtsradi­kalen, sondern aus der Mitte der Gesellscha­ft. Gegen verallgeme­inernde Hetze hilft nur Eines, weiß Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer: „Zivilcoura­ge“. Der Politologe lehrt an der Uni Duisburg-Essen in der Erwachsene­nbildung und hat ein Argumentat­ionstraini­ng gegen rechte Stammtisch­parolen entwickelt. Mit seinen Trainings ist er in ganz Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz unterwegs. Herr Hufer, Sie sind derzeit ein gefragter Mann... KLAUS-PETER HUFER Leider ja, zur Zeit zieht sich ein tiefer Spalt durch die Mitte der Gesellscha­ft. Die Tendenz geht nach rechts, zu Fremdenfei­ndlichkeit und einem Anti-Islamismus. Vor allem in den sozialen Netzwerken wird der Unmut frei rausgelass­en. Zu 95 Prozent sind das rechte Parolen, die sich gegen Ausländer richten. Damit einher gehen häufig auch sexistisch­e und demokratie­feindliche Aussagen. Durch die wachsende Informatio­nsflut sind viele Menschen so überforder­t, dass sie sich in ihrer Welt bedroht fühlen. Populisten nutzen das, indem sie zunächst ein Angstszena­rio, etwa die vermeintli­che Gefahr durch Geflüchtet­e, aufbauen. An wen richten sich Ihre Seminare? HUFER An alle, die daran Interesse haben. Häufig werde ich von Bil- dungseinri­chtungen, Kirchen, Jugend- und Sozialämte­rn und selbstorga­nisierten Gruppen angefragt, auch von Parteien, die sich argumentat­iv auf den Wahlkampf mit der AfD vorbereite­n wollen. Viele Ehrenamtli­che, die in der Flüchtling­shilfe arbeiten, aber auch Lehrer oder Jugendlich­e sind darunter. Sie sind verunsiche­rt, wenn sie auf Hetze stoßen und wünschen sich mehr Selbstsich­erheit im Auftreten. Um welche Parolen geht es? HUFER Zum Beispiel „Die Flüchtling­e nehmen uns die Arbeitsplä­tze weg“, „Unter den Flüchtling­en sind viele Terroriste­n“oder „Wir werden von Islamisten unterwande­rt“. Es gibt zunehmend Verschwöru­ngstheoret­iker, die an eine „Umvolkung“glauben, dass es eine globale Strategie gibt, die Deutschen zur Minderheit im eigenen Volk zu machen. Politiker und die „Lügenpress­e“sind ein Teil davon. Hinter solchen Aussagen stehen immer auch Ängste – etwa vor dem sozialen Abstieg. Problemati­sch sind sie, weil sie sich in den meisten Fällen in Aggression und in letzter Konsequenz auch in Gewalt fortsetzen. Wie sollte man sich Menschen gegenüber verhalten, die solche Parolen verbreiten? HUFER Man sollte mutig für seine Meinung einstehen. Dies gelingt am besten, wenn man sicher in der Argumentat­ion ist. In den Trainings üben wir das selbstsich­ere Auftreten in Rollenspie­len. Meist sind die Hetzer die lautesten und dominieren eine Diskussion. Das heißt aber nicht, dass alle am Tisch dieselbe Meinung haben. Also: Hinhören, selbstbewu­sst auftreten, Informatio­nen einbringen, sich Unterstütz­ung von den „Dabeisitze­rn“holen. Haben Sie schon Anfeindung­en erlebt? HUFER Ja, regelmäßig. Per E-Mail, am Telefon, aber auch bei Veranstalt­ungen. Manche Seminare gebe ich nur noch unter Polizeisch­utz. Etwa neulich in Dresden: Da waren nach einer Veranstalt­ung alle Reifen der draußen stehenden Fahrräder zerstochen. Einschücht­ern lasse ich mich davon aber nicht. Was mache ich, wenn Freunde, Vater, Mutter, Bruder, Schwester oder Oma Parolen loslassen? HUFER Semi

narteil- nehmer berichten häufig von Situatione­n, in denen sie Streitigke­iten mit ihren Liebsten fürchten, beispielsw­eise mit der Großmutter. Die ist ja per se kein böser Mensch, auch wenn sie sich fremdenfei­ndlich äußert. Da spielt ja auch das eigene biografisc­he Erleben eine Rolle. Wenn sie aber behauptet, „Die Ausländer kommen nur, um uns auszunehme­n“, hilft es, behutsam darauf zu reagieren, nachzufrag­en: „Worauf begründest du das?“oder zu sagen: „Ich habe andere Erfahrunge­n gemacht.“Also: Brücken zu bauen. Hilfreich ist auch, das kollektive „Die“aufzulösen. Es sind nicht „die Ausländer“oder „die Flüchtling­e“, sondern zuallerers­t Menschen. In Diskussion­en mit Freunden hilft es, der Hetze mit Humor zu begegnen: Wenn der Freund sagt: „Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplä­tze weg“kann man antworten: „Ich wusste gar nicht, dass du früher mal eine Dönerbude hattest.“ Was halten Sie denn von der Strategie, sich zurückzuzi­ehen, Hetzer zu ignorieren? HUFER Jede Äußerung ist besser als keine. Selbst wenn sich das Gegenüber nicht auf deine Argumente einlässt, wirkt ein Gespräch aber immer noch nach. Zudem lohnt es sich stets, die Grundwerte der Demokratie zu verteidige­n. Immerhin sitzen am Tisch oft Unentschlo­ssene, die man erreichen und mit diesem Beispiel von Zivilcoura­ge beeindruck­en

kann.

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