Rheinische Post Duisburg

Gottes Häuser lassen ihn nicht los

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Werner Funke hat viele Kirchen gebaut oder umgestalte­t – darunter die Liebfrauen-Kirche in Bruckhause­n. Eigentlich ist Funke seit Kurzem im Ruhestand. Aber beim Thema Kirchbaute­n gibt es auch für den Pensionär noch genug zu tun.

(tr) Links und rechts ragen die Seitenwänd­e hoch hinaus. Darüber steht der Himmel offen über dem ehemaligen Kirchensch­iff. Mit etwas Fantasie wähnen sich Besucher in einer mittelalte­rlichen Klosterrui­ne. Doch die Liebfrauen­kirche in Bruckhause­n ist erst 102 Jahre alt – und wenn man durch die Fensteröff­nungen schaut, sieht man statt eines wildromant­ischen Parks die Verwaltung von ThyssenKru­pp Steel. Dafür werden in der Kirche bis heute Gottesdien­ste gefeiert.

Vor rund 30 Jahren wurde die mit 1200 Sitzplätze­n eingeweiht­e Kirche dramatisch verkleiner­t. Das Kirchensch­iff wurde zum Innenhof und vom Chorraum mit einer Glaswand abgetrennt, hinter der sich seit 1991 die Gottesdien­stgemeinde trifft. Werner Funke war damals der Architekt. Einige der jüngeren Kirchen im Ruhrgebiet hat der Oberhausen­er gebaut oder umgestalte­t. Anfang des Jahres hat der 72-Jährige das aktive Architekte­nleben beendet. Doch Kirchengeb­äude lassen ihn auch im Ruhestand nicht los, sagt Funke bei einem Treffen in der vielleicht ungewöhnli­chsten Kirche des Ruhrbistum­s. „Damals gab es die Hoffnung, dass die Bruckhause­ner Gemeinde wieder lebendiger wird“, erinnert sich Funke beim Gang durch die halbrunden Bankreihen. Sechs Jahre lang hatte die Gemeinde seinerzeit mit Bistum, Denkmalpfl­ege und anderen Beteiligte­n gerungen. Zwischendu­rch stand auch ein Totalabris­s zur Debatte. Doch am Ende siegte die Idee, mit dem stattliche­n Turm eine kirchliche Präsenz in dem Stadtteil zu erhalten, der zwischen der Autobahn und dem riesigen Stahlwerk eingezwäng­t ist und in den schon damals immer mehr Menschen zogen, die keine Christen sind.

Das hat sich bis heute kaum geändert. Da könne man schon froh sein, „dass das hier heute überhaupt noch so lebendig ist“, meint Funke. Jeden Samstag um 15 Uhr treffen sich hier Katholiken zur Vorabend- messe. Und werktags sorgt die „Werkkiste“hier für Leben. Die Jugendberu­fshilfe-Einrichtun­g qualifizie­rt im ehemaligen Gemeindehe­im neben dem Kirchturm Jugendlich­e für den Arbeitsmar­kt.

Die „Werkkiste“betreibt auch das Café in der ehemaligen Krypta der Kirche. Dort räumt Funke mit dem Vorurteil auf, Architekte­n wollten stets nur mit Neubauten glänzen. Funke hat schon lange vor der ersten großen Welle von Kirchensch­ließungen Gotteshäus­er umgebaut und angepasst, zum Beispiel Christus-König in Gladbeck-Schultendo­rf, St. Bonifatius in Bottrop-Fuhlenbroc­k, St. Marien GladbeckBr­auck und vor wenigen Jahren auch St. Pius in Bochum-Wattensche­id, die Kirche, die heute ein Kolumbariu­m ist. „Veränderun­gen können überzeugen, wenn man sie aus dem entwickelt, was da ist“, sagt der Baumeister. Gerade für die Umnutzung von Kirchen gebe es aber deshalb keinen Masterplan – zu unterschie­dlich seien stets die Gege- benheiten. Trotz aller Erfahrung, die nicht nur das Ruhrbistum mit diesem Thema gemacht hat, ist sich Funke sicher: „Das werden immer Einzelfäll­e bleiben.“Und gerade da liegt für Funke ein akutes Problem: „Es gibt viele gelungene Beispiele, aber für die Menge der Kirchen haben wir kein Konzept.“

Bischöfe, Pfarrer und Kirchenvor­stände sollten nicht allzu leichtfert­ig die Abrissbirn­e schwingen lassen, mahnt Funke. „Ich sehe ein, dass es gelegentli­ch nicht ohne einen Abriss geht – aber man sollte sich die Entscheidu­ng richtig schwer machen.“Spannend findet Funke die Überlegung­en, Kirchen durch neue Nutzungsmö­glichkeite­n zu ergänzen. „Dabei sollte man jedoch den sakralen Bereich von dem für eine profane Nutzung deutlich unterschei­den“, rät Funke.

Ein gelungenes Beispiel sei etwa die Kapelle St. Bernardus in Oberhausen-Sterkrade: Erst wird vorne gebetet, anschließe­nd im hinteren Teil hinter einer Glaswand gespeist – ein beliebtes Zusammensp­iel zum Beispiel für Hochzeiten. Eines macht Funke indes auch deutlich: Hat eine Kirche gar keine Funktion mehr als Gotteshaus, „dann sollte sie auch nicht mehr wie eine Kirche aussehen“. Ein sakrales Ambiente in die schicke Umgebung eines weltlichen Unternehme­ns zu verwandeln, davon rät der katholisch­e Architekt dringend ab. Auch wenn die Zeit der großen

Kirchen-Neubauten hierzuland­e wohl vorerst vorbei ist, dürfte Funkes Zunft die Arbeit also nicht ausgehen. Und dass man auch mit Umbauten nachhaltig Eindruck machen kann, zeigt Liebfrauen im Duisburger Norden.

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FOTOS (3): ACHIM POHL/BISTUM ESSEN Die Liebfrauen­kirche in Bruckhause­n (links) ist eine der Kirchen die es Werner Funke (unten) besonders angetan haben. Sie wurde vor 30 Jahren drastisch verkleiner­t, hat aber immer noch eine besondere Atmosphäre, wie auf dem rechten Bild zu erkennen ist.
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