Was steht in der Wortschlange am Kirchplatz?
(hdf) Ja, da stehen Worte. Ja, sie bilden sogar ein Gedicht. Und ja, in der gesamten Station „Kirchplatz“sind es sogar vier Gedichte. Künstlerin Enne Haehnle will mit ihren Wortschlangen die Oberfläche mit der Untergrundbahn verbinden. In den drei Zugängen beginnen deshalb die Gedichte „im osten“, im westen“und „im süden“, durch den Lichtschacht laufen die Verse von „dazwischen“. Einerseits passen die Titel zu den Himmelsrichtungen, in die die Treppen führen, sie sind aber auch mit der Biografie der Künstlerin verknüpft. Sie stammt aus dem Süden, hat im Westen studiert und gearbeitet, heute lebt sie im Osten.
Die Besucher können die Gedichte von oben nach unten lesen, müssen es aber nicht. Enne Haehnle erzählt bewusst keine Geschichte von Anfang bis Ende, sondern hat ihre Texte so geschrieben, dass sich die U-Bahn-Nutzer auch kleine Ausschnitte wie bei einem japanischen Haiku rauspicken können. Dazu passt, dass die Schrift kritzelig ist und an den Wänden bisweilen Salti schlägt. Der Text soll wie eine zufällige menschliche Begegnung im UBahnhof sein: Es gibt einen kurzen Blickkontakt, schon nach wenigen Metern verliert sich das Gesicht. Ebenso ist die Schrift kurz lesbar und nach einigen Schritten verschwimmt sie wieder. Als Beispiel
das Gedicht aus dem Lichtschacht:
dazwischen gedehnter raum zeit erdichtet weiße zwerge schwarze löcher resonanzen in dir in mir
rauschen
wir suchen nichts finden viele stimmen tiefe schärfe in zwischen füllt sich leere leert sich fülle