DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTEN Duisburger Schiffe in clevischen Landen
Die Börtschifffahrt belebt einst die Wirtschaft. Es gab einen pünktlichen Liniendienst zwischen Duisburg und Nimwegen. Nach dem Aufstieg folgt der Niedergang. Umbrüche bestimmen bis heute die wirtschaftliche Entwicklung Duisburgs.
Wir schreiben das Jahr 1674. Die Duisburger Wirtschaft dümpelt dahin. Ein Vertrag zwischen dem Rat der Stadt Duisburg und dem Rheinschiffer Gisbert Koch liefert die Initialzündung für den Wiederaufstieg. Koch verpflichtet sich, einen regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen Duisburg und Nimwegen einzurichten. Der entscheidende Vertragspunkt ist die Einrichtung eines Liniendienstes (Börtschifffahrt) zu festen Zeiten, sei es mit oder ohne Frachtgut. Gleichgültig zu welcher Jahreszeit, donnerstags 8 Uhr morgens wirft das Schiff künftig in Duisburg die Leinen los und treibt mit oder ohne Wind stromab, um Nimwegen noch vor dem Montagmarkt zu erreichen. Das Gegenschiff in Richtung Duisburg startet ebenso konstant am Montag in Nimwegen und trifft rechtzeitig vor dem Samstagmarkt in Duisburg ein.
Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit sind Qualitätsmerkmale, die sich schnell bei den Handelsunternehmen in der Region herumsprechen. Anfangs wird überwiegend Salz, Tran, Öl, Raps, Käse, Zucker, Wolle und Fett transportiert. Günstig wirkt sich aus, dass die Handelsgüter „ausländischer“Erzeuger Zollfreiheit genießen, welche den Duisburger Schiffen „in clevischen Landen“zusteht. Innerhalb kürzester Zeit ist die Stadt zum Umschlagplatz für Eisenmetalle aus Berg und Mark aufgestiegen, die in die Niederlande gehen. Barmen (heute Teil Wuppertals) liefert Garne, Bänder, Kordeln und Litzen. Ende des 18. Jahrhunderts kommen Wagenfuhren aus dem Siegerland, aus Hessen und selbst aus Süddeutschland, um von hier nach den Niederlanden oder der Ostsee umgeschlagen zu werden. Als einer der Duisburger Spediteure 1717 eine direkte Ver- bindung über Utrecht nach Amsterdam einrichtet, um die Seehäfen schneller zu erreichen, wird Duisburg zur Logistik- und Handelsdrehscheibe in einer früh globalisierten Welt. Die Transportlisten umfassen unter anderem Rosinen, Reis, Wein, Seide, Hanf, Papier, Glas, Seife, und Tabak.
Es geht aufwärts in Duisburg. In der Altstadt entstehen im 18. Jahrhundert Baumwollspinnereien, Tuch-, Tabak- und Seifenmanufakturen. Nebenbei profitiert die Stadt kurzzeitig vom Konflikt mit der französischen Revolutionsarmee. Seit 1795 sperren die Franzosen den Rhein zwischen Mainz und Duisburg. Der Verkehr bleibt zum Vorteil Duisburgs stromab frei. Die Stadt wird zum Umschlagplatz von Ausfuhrgütern, die auf Umwegen herangeschafft werden. Doch dann brechen die Frachtkennziffern ein. Politische Umbrüche sind die Verursacher. Die alten Zollprivilegien gehen verloren.
Dann trifft die von Napoleon über Europa verhängte Kontinentalsperre den gesamten Handel. Doch nach dem Ende Napoleons setzt sich die Spirale der Negativnachrichten fort. Diesmal sind es die Vorboten der technischen Revolution. „Es laufen Räder durch das Wasser, welche durch Feuer angetrieben werden“, beschreibt ein Matthias Mänß aus Wanheim seine Beobachtung vom 8. Juni 1816. Bald darauf erscheinen weitere Dampfschiffe auf dem Rhein. Die Angst vor dem Fortschritt und dem Verlust von Arbeitsplätzen sitzt bei den Zeitgenossen tief. Die Weiterentwicklung der Dampfschifffahrt mit eisernen Schleppkähnen ist nicht aufzuhalten. Widerstandsaktionen der Treidler und Fortschritts-Skeptiker wirken hilflos. Mitte der 1850er Jahre ist es endgültig mit der 170 Jahre bestehenden Börtschifffahrt vorüber.
Die Vernetzung der Verkehrsträger Wasser und Schiene beginnt. Den Ruhrorter Häfen gelingt es zuerst, den Strukturwandel zu nutzen. Dafür stehen im 19. Jahrhundert mutige unternehmerische Köpfe wie Haniel und Stinnes. Das ist heute nicht anders. Sorge und Vorbehalte gegenüber Veränderungen kennt jede Epoche. Es gilt, die Wachstumschancen des boomenden Außenhandels und den Anstieg der Importe zu nutzen. Duisburg kann mit Recht stolz auf die Seidenstraßenverbindung mit China sein. Denn die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass technische Revolutionen, Zollpolitik, Freihandel und politische Veränderungen zu dramatischen Umbrüchen führen können, aber auch neue Chancen bieten.
Zum Weiterlesen: Duisburg und der Rhein, Hrsg. Stadt Duisburg, 1991.