Niederlande: Rutte siegt über Wilders
DEN HAAG Europa atmet auf: Die Wähler in den Niederlanden haben dem Rechtspopulisten Geert Wilders eine Abfuhr erteilt und die Volkspartei (VVD) von Ministerpräsident Mark Rutte zum dritten Mal in Folge zur stärksten politischen Kraft gemacht. Die VDD kam laut ersten Nachwahlbefragungen auf 31 Sitze (20,6 Prozent) in der Zweiten Kammer (150 Sitze insgesamt). 2012 waren es noch 41 Sitze. Rutte sprach von einem „Abend für Europa“. Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte telefonisch: „Ich freue mich weiter auf eine gute Zusammenarbeit als Freunde, Nachbarn, Europäer.“
Die „Freiheitspartei“PVV von Wilders erreichte nur 19 Sitze (12,6 Prozent). Das sind zwar vier mehr als bei der Parlamentswahl im Jahr 2012, doch lag die Partei im Wahlkampf laut Umfragen zwischenzeitlich gar bei bis zu 40 Sitzen. Über den Kurznachrichtendienst Twitter bedankte sich Wilders bei seinen Wählern, dann fügte er hinzu: „Rutte ist mich noch lange nicht los.“
Die PVV veranstaltete keine Wahlparty. Der Rechtspopulist schaute den Ausgang der Wahl in Den Haag im Parlamentsgebäude – wohl auch aus Sicherheitsgründen, wie es hieß. Wilders wird seit zwölf Jahren rund um die Uhr bewacht, da er zahlreiche Morddrohungen erhält. Er will die Niederlande aus der EU führen. Der 53-jährige Rechtsaußen bediente im Wahlkampf Sorgen vor der Zukunft und schürte Angst vor dem Verlust der nationalen Identität. Alle etablierten Parteien haben eine Zusammenarbeit mit ihm ausgeschlossen.
Die christdemokratische CDA sowie die linksliberale D66 erreichten wie die PVV nach der ersten Erhebung ebenfalls 19 Sitze.
Klarer Wahlverlierer des Abends ist Ruttes bisheriger Koalitionspartner: Die Partei für die Arbeit (PvdA) unter Lodewijk Asscher büßte 29 Sitze ein und liegt nur noch bei neun Sitzen (sechs Prozent). 2012 waren PvdA und VVD noch die großen Gewinner. Beide Parteien hatten eine große Koalition unter Ministerpräsident Rutte gebildet.
Die Partei Grün-Links unter ihrem aufstrebenden Spitzenkandidaten Jesse Klaaver erreichte einen Spitzenwert. Grün-Links vervier- fachte das Ergebnis aus dem Jahr 2012 und steht nun bei 16 Sitzen (10,6 Prozent). Die deutschen Grünen beglückwünschten ihre niederländischen Parteifreunde: „Menschlichkeit gewinnt!“, hieß es auf dem Twitter-Account der Partei.
Die Wahlbeteiligung lag bei 81 Prozent und damit deutlich höher als 2012. Damals stimmten 74,6 Prozent der Wahlberechtigten ab. 28 Parteien traten dieses Mal an – so viele wie nie zuvor.
Sitzverteilung in der Zweiten Kammer
Die rechtsliberale Regierungspartei VVD wird zum dritten Mal in Folge stärkste Kraft. Allerdings büßt sie Sitze ein. Rechtspopulist Geert Wilders kommt auf gut zwölf Prozent.
Wie geht es nun weiter? Es ist Tradition in den Niederlanden, dass die stärkste Partei einen „Informateur“stellt. Dieser ist für die Regierungsbildung verantwortlich. Er führt Sondierungsgespräche. Kann der Informateur seinen Auftrag erfolgreich erfüllen, erstattet er dem König einen Abschlussbericht, in dem er dem Staatsoberhaupt die Ernennung eines „Formateurs“zur Bildung eines Kabinetts vorschlägt. Dieser ist meist der künftige Ministerpräsident der Niederlande.
Die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments hat 150 Sitze. Eine Sperrklausel gibt es nicht. Daher haben stets auch kleine Parteien gute Chancen, ein Mandat zu erringen. So wie dieses Mal die Migrantenpartei Denk (drei Sitze) sowie die europaskeptische Partei „Forum für Demokratie“(zwei Sitze).
Aufgrund der stark zersplitterten Parteienlandschaft müssen wohl mindestens vier Parteien eine Koalition bilden, um eine Mehrheit im Parlament zu erreichen. Mögliche Partner für Ruttes VVD sind CDA und D66. Wobei eine solche Konstellation immer noch zu wenige Sitze vereinen würde. Ein möglicher weiterer Partner ist Grün-Links. Dass Ruttes bisheriger Partner (PvdA) noch mitmacht, ist nach der herben Pleite mehr als fraglich. Unwahrscheinlich, aber rechnerisch möglich: eine Mitte-Links-Regierung ohne Rutte.
In einer Pressekonferenz am Montag hatte Rutte die Wahl in den Niederlanden als Viertelfinale im Kampf gegen den Rechtspopulismus bezeichnet. Im Halbfinale stehe Frankreich. Dort entscheidet sich spätestens Anfang Mai, ob Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National Präsidentin wird. Das Finale bestreite dann Deutschland – am 24. September ist Bundestagswahl.