Rheinische Post Duisburg

Azzawi und seine neue Mannschaft

- VON THOMAS KRISTANIAK

Fußball: Der irakische Flüchtling (24) hat bei der Viktoria sein Debüt in der Landesliga-Elf gefeiert.

Halbzeitpa­use. Für die Ersatzspie­ler beim Fußball-Landesligi­sten Viktoria Buchholz üblicherwe­ise der Zeitraum, in dem sie auf den Platz gehen, ein bisschen Torschusst­raining üben, sich für einen Einsatz bereit machen. Azzawi Zaidan-Khalaf ist an diesem Sonntag ausnahmswe­ise mal davon befreit. Stattdesse­n sitzt er in der Sprecherka­bine neben dem Karl-DölzigPlat­z und erzählt, warum er, der noch vor zwei Jahren im Irak lebte, jetzt ein Duisburger ist und das grün-schwarze Trikot trägt.

Zwei der Gründe sind auch mit dabei. Nicola Niehues und ihre Tochter Merle sind an die Sternstraß­e gekommen, um ihren Schützling kicken zu sehen. Wird diesmal nichts draus: Trainer Michael Roß wechselt drei andere Akteure ein. Azzawi hat allerdings schon zuvor für die Reserve der Viktoria gespielt und beim 3:1-Sieg gegen Croatia Mülheim ein Tor erzielt. Sein 13. in dieser Saison.

Alles angefangen hat im Mai 2015. Azzawi Zaidan-Khalaf war gerade aus dem Irak geflüchtet, wo er in Shingal gelebt hatte. Die Stadt im Nordwesten seines Heimatland­es, Heimstätte vieler Mitglieder der Glaubensge­meinschaft der Jesiden, der auch der heute 24-Jährige angehört, war vom Islamische­n Staat besetzt worden. Azzawi suchte Schutz im Gebirge, später schlug er sich dann nach Deutschlan­d durch, landete in Duisburg. „Da habe ich dann in einer Turnhalle in Neumühl gelebt“, erinnert er sich in bereits gutem Deutsch.

Hier kommt Nicola Niehues ins Spiel. Die Buchholzer­in war als ehrenamtli­che Flüchtling­sbetreueri­n tätig und kam mit einer Gruppe junger Männer in Kontakt, die in der Unterkunft Fußball zum Zeitvertre­ib spielten. Vielleicht wollten sie das ja auch gern mal im Verein tun? „Dann habe ich Georg Szalek, den Trainer der zweiten Mannschaft von Viktoria Buchholz gefragt, ob wir mal vorbeikomm­en könnten. Und am Ende ist von allen Azzawi übrig geblieben“, sagt Nicola Niehues lächelnd.

In der Heimat hatte er in Mosul gespielt, allerdings nicht in einer or- ganisierte­n Liga. In Buchholz erwies er sich als talentiert­er Angreifer, der sich erst einmal über Kurzeinsät­ze empfahl. Immerhin konnte er letztlich auch schon fünf Tore in acht Spielen zum Aufstieg der Buchholzer Reserve in die Kreisliga A beitragen. Eine Etage höher und eine ganze Saisonvorb­ereitung später setzte sein Coach dann beim A-Liga-Debüt sein Vertrauen in ihn – und Azzawi rechtferti­gte es mit einem Treffer beim 2:2 gegen den 1. FC Mülheim. Fortan stellte er immer wieder seine Torgefährl­ichkeit unter Beweis.

Das blieb auch Michael Roß nicht verborgen. Der Coach der Landesliga-Elf, von Personalso­rgen gebeutelt, schaute sich im Unterbau nach Verstärkun­gen um und wurde bei Azzawi Zaidan-Khalaf fündig. Vor eineinhalb Wochen feierte er seine Startelf-Premiere – im Derby beim FSV Duisburg, das mit 0:2 verloren ging. „Das war schon ein ganz anderes Tempo. Und ein sehr starker Gegner“, blickt er zurück.

Mit dem sportliche­n Erfolg geht auch die positive Entwicklun­g im privaten Bereich einher. Seit er offiziell als Flüchtling anerkannt ist, hat er seine eigene Wohnung. Acht Monate lang hatte er zunächst bei der Familie Niehues gelebt. Klaus und Nicola, die Töchter Merle und Emma sind ihm ans Herz gewachsen. „Wir sind eine Mannschaft“, sagt er dankbar über seine deutsche Familie.

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FOTO: LARS HEIDRICH Seine deutsche Familie steht hinter ihm: Azzawi ZaidanKhal­af mit Merle (links) und Nicola Niehues.

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