Kreuzstich ins Glück an der Nähmaschine
Feddo und Claudia Loer haben an der Friedrich-Alfred-Straße ein Geschäft für Nähmaschinen eröffnet. Sie verkaufen, warten und beraten. Und geben Nähkurse, die garantiert zufrieden machen sollen.
RHEINHAUSEN Bianca ist ein Blickfang. Mit ihrer prächtigen Rüschenschürze über dem Rock sitzt sie da, gerafft, gepufft, gebauscht – dazu die passende Bluse. Sieht so aus, als wäre sie just aus dem Viktorianischen Zeitalter ins Rheinhausen der Neuzeit gesprungen. Die Bewunderung prallt an Schneiderin Bianca Schlappa ab. Sie ist hochkonzentriert bei der Sache, wobei es gerade nicht um historische Roben nach Art des britischen Empire geht. Lily, 14, und Freundin Talia sind gekommen. Da heißt es: Beanies nähen, modische Pudelmützen.
Handarbeit verbindet, Jung und Alt, Reich und Arm, Gestern und Heute. Das kann jeder sehen, der Feddo Loers Nähmaschinen-Geschäft Frogsewer betritt. Im Januar haben er und seine Frau Claudia an der Friedrich-Alfred-Straße ihr Hobby zum Beruf gemacht und damit offenbar eine Marktlücke entdeckt. „Nähen erlebt einen Boom“, ist Claudia Loer überzeugt. Viele sind die immergleiche Stangenware leid und setzen statt dessen auf individuelle Schnitte und Ideen.
Es ist ein besonderer Laden, der vor rund zwei Monaten in der Fußgängerzone eröffnet hat. Kein Wunder, Feddo Loer ist ja auch ein besonderer Inhaber, allein wie er jetzt so da steht: 1,95 Meter groß, selbstgenähter, braunkarierter Zweiteiler. Loer kümmert sich um den Verkauf, die Wartung und die Reparatur von Nähmaschinen, kundige Beratung inklusive. Rund 100 Modelle ab 1880 sind bei Frogsewer zu bewundern, die meisten aus schwerem Eisen mit zünftigem Fußpedal. Darunter Schätzchen wie die Frister & Rossmann anno 1890 mit Insignien und Handkurbel und eine Müller 12 von 1940, ein Nachbau von 1860 als Kinderspielzeug.
Oder eine US-Amerikanerin, eine New White Peerless, eine Kofferschreibmaschine von 1888. Sie stammt aus Ohio und ist so schön, dass man ihr einen SchaufensterEhrenplatz spendiert hat. „Eine Stichlänge von 0,5 mm, gezogen wie mit dem Lineal“, schwärmt Loers. Aber die betagten Ladys sehen nicht nur gut aus. Vor allem machen sie einen Super-Job. „So präzise“, versichert Claudia Loers, die gelernte Industrieschneiderin ist, „näht keine moderne Maschine“. Bei Bedarf rüstet Feddo Loer Modelle für Kunden mit einem Rucksackmotor auf.
Wenige Meter weiter trifft man Mitarbeiterin Bianca Schlappa am Schneidetisch. Sie gibt den Schürzen-Nähkurs, eines von vielen Angeboten. Das Nähcafé, das Claudia Loer eingerichtet hat, ist beliebt. Hier treffen sich gestresste Städter auf der Suche nach Entspannung. Pensionierte Schneiderinnen schauen ebenso vorbei wie die Damen vom Strickkränzchen um die Ecke. „Nähen geht durch alle Gesellschaftsschichten“, weiß Loer. „Das hat etwas Meditatives. Dazu kommt der Stolz auf etwas Selbstgemachtes.“Außerdem lässt es sich beim Raffen, Kräuseln, Falten legen ganz wunderbar miteinander plaudern. Willkommen sind Fortgeschrittene und blutige Anfänger. Loer: „Jeder, der zwei Parallelen ziehen und sie aufeinanderlegen kann, kann auch nähen.“
Mit dem Geschäft haben sich die beiden einen Traum erfüllt. Feddo Loer ist von Haus aus Techniker, also Quereinsteiger und erzählt gern davon, dass er nach 20 Jahren der erste war, der bei der Handwerkskammer wieder die Prüfung zum Feinwerkmechaniker mit Teilbereich Nähmaschinenreparatur abgelegt hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch 60 deutsche Hersteller, heute produzieren vielleicht noch eine Handvoll für Europa. Der Markt hat sich kleingeschrumpft – umso größer ist der Bedarf an Experten. Feddo Loer jedenfalls macht sein zweites Leben jede Menge Spaß.
Am Schneidetisch sind Lily und Talia fertig. Lilys Beanie sieht super aus. „Lass gucken“, sagt Claudia Loer. „Hey, die ist ja toll geworden!“Die Mädels strahlen um die Wette. Kreuzstich ins Glück. Sieht aus, als würde es funktionieren.