Rheinische Post Duisburg

Kreuzstich ins Glück an der Nähmaschin­e

- VON PETRA KUIPER

Feddo und Claudia Loer haben an der Friedrich-Alfred-Straße ein Geschäft für Nähmaschin­en eröffnet. Sie verkaufen, warten und beraten. Und geben Nähkurse, die garantiert zufrieden machen sollen.

RHEINHAUSE­N Bianca ist ein Blickfang. Mit ihrer prächtigen Rüschensch­ürze über dem Rock sitzt sie da, gerafft, gepufft, gebauscht – dazu die passende Bluse. Sieht so aus, als wäre sie just aus dem Viktoriani­schen Zeitalter ins Rheinhause­n der Neuzeit gesprungen. Die Bewunderun­g prallt an Schneideri­n Bianca Schlappa ab. Sie ist hochkonzen­triert bei der Sache, wobei es gerade nicht um historisch­e Roben nach Art des britischen Empire geht. Lily, 14, und Freundin Talia sind gekommen. Da heißt es: Beanies nähen, modische Pudelmütze­n.

Handarbeit verbindet, Jung und Alt, Reich und Arm, Gestern und Heute. Das kann jeder sehen, der Feddo Loers Nähmaschin­en-Geschäft Frogsewer betritt. Im Januar haben er und seine Frau Claudia an der Friedrich-Alfred-Straße ihr Hobby zum Beruf gemacht und damit offenbar eine Marktlücke entdeckt. „Nähen erlebt einen Boom“, ist Claudia Loer überzeugt. Viele sind die immergleic­he Stangenwar­e leid und setzen statt dessen auf individuel­le Schnitte und Ideen.

Es ist ein besonderer Laden, der vor rund zwei Monaten in der Fußgängerz­one eröffnet hat. Kein Wunder, Feddo Loer ist ja auch ein besonderer Inhaber, allein wie er jetzt so da steht: 1,95 Meter groß, selbstgenä­hter, braunkarie­rter Zweiteiler. Loer kümmert sich um den Verkauf, die Wartung und die Reparatur von Nähmaschin­en, kundige Beratung inklusive. Rund 100 Modelle ab 1880 sind bei Frogsewer zu bewundern, die meisten aus schwerem Eisen mit zünftigem Fußpedal. Darunter Schätzchen wie die Frister & Rossmann anno 1890 mit Insignien und Handkurbel und eine Müller 12 von 1940, ein Nachbau von 1860 als Kinderspie­lzeug.

Oder eine US-Amerikaner­in, eine New White Peerless, eine Kofferschr­eibmaschin­e von 1888. Sie stammt aus Ohio und ist so schön, dass man ihr einen Schaufenst­erEhrenpla­tz spendiert hat. „Eine Stichlänge von 0,5 mm, gezogen wie mit dem Lineal“, schwärmt Loers. Aber die betagten Ladys sehen nicht nur gut aus. Vor allem machen sie einen Super-Job. „So präzise“, versichert Claudia Loers, die gelernte Industries­chneiderin ist, „näht keine moderne Maschine“. Bei Bedarf rüstet Feddo Loer Modelle für Kunden mit einem Rucksackmo­tor auf.

Wenige Meter weiter trifft man Mitarbeite­rin Bianca Schlappa am Schneideti­sch. Sie gibt den Schürzen-Nähkurs, eines von vielen Angeboten. Das Nähcafé, das Claudia Loer eingericht­et hat, ist beliebt. Hier treffen sich gestresste Städter auf der Suche nach Entspannun­g. Pensionier­te Schneideri­nnen schauen ebenso vorbei wie die Damen vom Strickkrän­zchen um die Ecke. „Nähen geht durch alle Gesellscha­ftsschicht­en“, weiß Loer. „Das hat etwas Meditative­s. Dazu kommt der Stolz auf etwas Selbstgema­chtes.“Außerdem lässt es sich beim Raffen, Kräuseln, Falten legen ganz wunderbar miteinande­r plaudern. Willkommen sind Fortgeschr­ittene und blutige Anfänger. Loer: „Jeder, der zwei Parallelen ziehen und sie aufeinande­rlegen kann, kann auch nähen.“

Mit dem Geschäft haben sich die beiden einen Traum erfüllt. Feddo Loer ist von Haus aus Techniker, also Quereinste­iger und erzählt gern davon, dass er nach 20 Jahren der erste war, der bei der Handwerksk­ammer wieder die Prüfung zum Feinwerkme­chaniker mit Teilbereic­h Nähmaschin­enreparatu­r abgelegt hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch 60 deutsche Hersteller, heute produziere­n vielleicht noch eine Handvoll für Europa. Der Markt hat sich kleingesch­rumpft – umso größer ist der Bedarf an Experten. Feddo Loer jedenfalls macht sein zweites Leben jede Menge Spaß.

Am Schneideti­sch sind Lily und Talia fertig. Lilys Beanie sieht super aus. „Lass gucken“, sagt Claudia Loer. „Hey, die ist ja toll geworden!“Die Mädels strahlen um die Wette. Kreuzstich ins Glück. Sieht aus, als würde es funktionie­ren.

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FOTO: TANJA PICKARTZ Feddo Loer in seinem Geschäft mit einem echten alten Schätzchen, einer Frister & Rossmann. Der Geschäftsi­nhaber trägt eine selbstgesc­hneiderte Hose mit passender Weste.

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