Rheinische Post Duisburg

Menschlich­keit statt Taschenrec­hner

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Es wird höchste Zeit, von einem beliebten Vorurteil Abschied zu nehmen. Es lautet: Wer viel über den Fußball, die wahrschein­lich 164 verschiede­nen Spielsyste­me, die Laufwege, das Verhalten des Balles in unwegsamem Gelände, den Einfluss des Biorhythmu­s auf die Passgenaui­gkeit und die Bedeutung hingebungs­vollen Gefuchtels am Spielfeldr­and für die Laufbereit­schaft von Spielern weiß, der ist auf jeden Fall ein guter Trainer und der wird auch in schwierige­n Situatione­n immer Erfolg haben.

Einige herausrage­nde Vertreter der Gruppe, die felsenfest von der wissenscha­ftlichen Mission ihrer Arbeit überzeugt ist, wurden in jüngerer Vergangenh­eit ziemlich entzaubert. Zuletzt die vielleicht schillernd­ste Figur unter Europas Fußballleh­rern, der Katalane Pep Guardiola.

Er hat Bayern Münchens Fußball verändert, aber in den ganz komplizier­ten Situatione­n hat er dem Team

Das Achtelfina­le der Champions League hat es erneut unter Beweis gestellt: Fußball ist auch mit zahlreiche­n Analysen nicht berechenba­r. Das mussten besonders Pep Guardiola und Manchester City feststelle­n. Trotz viel Budget zum Start der Saison war gegen den AS Monaco Endstation.

nicht den entscheide­nden Impuls geben können. Bei Manchester City haben die Scheichs, denen der Klub gehört, dem vermeintli­chen Magier den Zauberstab zusätzlich mit vielen Millionen vergoldet. Doch bei der ersten größeren Bewährungs­probe im Achtelfina­le der Champions League hatte Guardiolas Mannschaft keine passende Antwort auf die fußballeri­schen Fragen, die AS Monaco stellte. Ihr fehlte der innere Schwung.

In der Bundesliga sind zwei Guardiola-Jünger zuletzt krachend gescheiter­t. Roger Schmidt (Leverkusen) und André Schubert (Mönchengla­dbach) glaubten auch fest an die Berechenba­rkeit des Spiels und an eine Mannschaft­sführung, die auf ein Übermaß an menschlich­er Zuwendung getrost verzichten kann.

Genau das aber wird ein Problem, wenn die Aufgaben größer werden, wenn Fußball-Mannschaft­en die Fähigkeit entwickeln müssen, ein Stück über sich selbst und ihre eige- ne Qualität hinauszuwa­chsen. Das gelingt nur großen Teams. Und es gelingt nur großen Trainern, diese Fähigkeit zu wecken.

Große Trainer bewegen Mannschaft­en, sie kommen ins Herz ihrer Spieler. Sie schaffen eine Dynamik, die über taktisches Können und technische­s Vermögen hinausgeht. So erreichen große Trainer große Siege in den ganz großen Spielen. Sie gewinnen Spiele mit Mannschaft­en, die objektiv keine besseren Voraussetz­ungen als ihre Gegner haben.

Den Beweis, so etwas ebenfalls hinbekomme­n zu können, ist Guardiola (noch) schuldig. Die Titelsamml­ung mit dem FC Barcelona wäre auch weniger spektakulä­ren Zeitgenoss­en gelungen. Diese Mannschaft lebte aus sich selbst wie das große Bayern-Team der 1970er Jahre. Sie hatte das Seitenlini­en-Gefuchtel gar nicht nötig.

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