Alles eine Frage des Blickwinkels
Serap Riedel gibt ihren Bildern keine Titel. Was auf den Werken in der Galerie des Bezirksrathauses Rheinhausen zu sehen ist, liegt ganz im Auge des Betrachters.
RHEINHAUSEN „Das sind aber schöne Bilder!“, schwärmte eine Duisburgerin, als sie das Plakat für Serap Riedels Ausstellung erblickte. Ein tolles Kompliment. Aber ein charmanter Irrtum! So zeigt das Plakat keinesfalls mehrere Gemälde. Sondern nur eins - aus fünf verschiedenen Perspektiven. Eine Anekdote, die am Rande der Eröffnung die Runde machte - und die für die Idee des Rundgangs spricht. 35 Gemälde der Duisburger Künstlerin sind unter dem Titel „Blickwinkel“in der Rheinhauser Rathaus-Galerie zu sehen. Eine Einladung zum genauen Hinschauen und Entschlüsseln, eine unerwartete Begegnung im öffentlichen Raum.
Serap Riedel, 1960 im türkischen Sivas an der Schwarzmeerküste geboren und Duisburgerin seit 1975, ist eine künstlerische Einzelgängerin. Sie bewege sich bewusst abseits populärer Strömungen, hieß es bei der Eröffnung der Schau. Dabei fühlt sich Riedel in vielen Bereichen zuhause. Sie malt Landschaften ebenso wie Porträts, mal bringt sie Abstraktes, dann wieder Konkretes auf die Leinwand. Und manchmal ist sie als Bildhauerin unterwegs. Eines aber haben alle Arbeiten gemeinsam. Sie kommen ohne Titel daher. Ein Titel, erklärt Riedel, gibt eine Deutung vor – die aber liege im Auge des Betrachters. Es hänge vom äußeren und inneren Blickwinkel ab, was man in den Werken entdeckt. „Geben Sie meinen Bildern Namen!“, fordert die Künstlerin deshalb ihre Gäste gern auf.
Die Gemälde, die jetzt im Bezirksrathaus zu sehen sind, entstanden 2016 und 2017. Bis auf eine Ausnahme, ein Ölbild, sind alle mit Acrylfarbe gemalt, so dass sie den Besuchern förmlich entgegenleuchten, fast so, als habe man sie just in einem Kaleidoskop zusammengeschüttelt. Erst auf den zweiten Blick sieht man inmitten bunter Flächen, Spiralen, Linien und Punkte Konturen, Gesichter, Körper. Ist das eine Hand, die sich da erhebt? Eine Be- grüßung, eine Liebkosung? Abwehr – vielleicht ein angedeuteter Schlag? Daneben fällt der Blick auf einen Zauberer mit spitzem Hut und Zauberstab. Oder ist es eher ein Artist, der viele lange bunte Bänder herumwirbelt?
Den Besuchern der Eröffnung gefielen die Arbeiten, und Riedel gefiel das Rätselraten. Ein Bild und tausend Blickwinkel? Gut so! Aber ein bisschen verriet sie dann doch über sich. Es gibt Tage, an denen malträ- tiert Serap Riedel die Leinwand, dann schichtet sie die Farbe, spachtelt, schabt und kratzt. Oder sie geht ganz sanft mit der Oberfläche um, indem sie auf die frische nasse Farbe pustet, bis sie sich selbstständig macht und immer neue Bilder zum Vorschein bringt.
Die Künstlerin bezeichnet sich selbst augenzwinkernd als „Stimmungsmalerin“: „Man sieht meinen Bildern an, wie ich mich fühle.“Manchmal passt ein Werk, an dem sie am Vortrag gearbeitet hat, nicht mehr zur aktuellen Gefühlslage. Dann kommt es vor, dass sie die Farbe herunterholt - und nochmal ganz von vorn beginnt.
Sie arbeite viel, sagt Serap Riedel, ständig gingen ihr Ideen durch den Kopf, „aber nur so kann ich mich weiterentwickeln.“Demnächst will sie wieder im türkischen Dacia ausstellen. „Und wenn ich an die Türkei denke, entstehen Olivenbäume, Weite und das Meer.“