Rheinische Post Duisburg

Tolles „Lausch“-Konzert litt unter den Zelt-Bedingunge­n

- VON ALFONS WINTERSEEL

Wenn man es so eben noch positiv darstellen wollte, dann war der Abend im Akzente-Zelt mit den schlagende­n Zeltwänden bei jeder Windböe am Sonntag Teil der – ungewollte­n – Inszenieru­ng. Denn das Duo Christian Zehnder und Barbara Schirmer stammt aus der Schweiz und es ging textlich und musikalisc­h bei ihrem Akzente-Beitrag „Lausch“viel um die Berge. Doch was den Künstlern zugemutet wurde, war schon extrem.

Barbara Schirmer spielt auf einem „Hackbrett“, das über zahlreiche Saiten verfügt. Immer wieder verzog sich das Instrument, einmal war es zu warm, durch die GebläseHei­zung, dann wieder zu kalt, wenn sie aus war. Am Ende saßen Künstler wie Publikum in dicken Jacken da und wünschten sich wohl heimlich, dass demjenigen, der auf die Idee kam, Anfang März ein Festival im Zelt zu planen, jahrelang die Heizung im Büro ausfällt und die Tinte im Kugelschre­iber einfriert. Auf der musikalisc­hen Ebene gaben Christian Zehnder und Barbara Schirmer aber selbst unter diesen widrigen Umständen alles und das Publikum dankte ihnen mit viel Applaus.

Christian Zehnder hat sich dem Jodeln verschrieb­en, was allerdings nichts mit den unter vielen Schweiz-Touristen beliebten Trachten-Jodlern zu tun. Er sei eben ein „linker“Jodler und deshalb der Schrecken des Schweizer Jodelverba­ndes. Er vollführt eine unglaublic­he Stimmakrob­atik, vom tiefsten bis zum höchsten „C“in der Kopfstimme, erzählt kleine Geschichte­n über die „Mysterien der Schweizer Denkweise“, die er mit Barbara Schirmer vertont hat. So hören die rund 50 Zuschauer etwas über die Sehnsucht des Schweizer Bergbewohn­ers, die Alpen zu verlassen, um „Einmal ein Mongole zu sein“, die pfiffige Bäuerin, die mit ihrem nach einem Streit mit ihrem Mann darüber, wer zu einer Hochzeit ins Dorf darf und wer die Kühe auf der Alp hüten muss, das Echo der Berge befragt. Am Ende ist sie es, die im Dorf „eine ganze Nacht mit einem Fremden tanzt“.

Andere Geschichte­n handeln von den Migrations­problemen der Schweiz („nach den Wölfen, gibt es immer mehr Bären“), von der Melancholi­e des Schweizers zwischen Alpenglühe­n und Industrie-Kulisse („Gespalten zwischen Penicillin und PitzBuin“) und der Entstehung des Jodelns (wenn man als Sechs- jähriger auf die Berge muss, beginnen die Kinder ganz von alleine alleine an zu jodeln.)

Barbara Schirmer schafft es mit den Tönen ihres Hackbretts, die Besucher in die Atmosphäre eines ruhigen Abends zu versetzen, an dem man dem Geräusch eines Nachtfalte­rs lauscht, der sich in einem Lampenschi­rm verfangen hat.

Was beide gemeinsame­n musikalisc­h mit Hackbrett, Stimme – und manchmal mit einem „halbierten“Knopf-Akkordeon – produziere­n, würde jedem Elektropop-Musiker zur Ehre gereichen, und man würde sich vor ihm verneigen, weil er so „tolle Sounds“programmie­ren kann. Weitere Informatio­nen: „http:// www.zehndermus­ic.ch/“und „http:// www.hackbrett.com/“

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FOTO: ALFONS WINTERSEEL Das Schweizer Duo Barbara Schirmer und Christian Zehnder musste gegen die Tücken des Veranstalt­ungsortes kämpfen.

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