Rheinische Post Duisburg

Zwei Minuten Zeit für einen Patienten

- VON CAROLIN SKIBA

Damit Ärzte mehr Zeit für „echte“Notfälle haben, sollen sie künftig in kürzester Zeit darüber entscheide­n, wer bleiben und wer die Notaufnahm­e wieder verlassen muss. Ärzte bemängeln nun, dass das Risiken berge.

Um lange Wartezeite­n beim Hausarzt zu umgehen, schlagen viele Patienten den direkten Weg in die Notaufnahm­e eines Krankenhau­ses ein. Auch wenn es sich bei vielen Beschwerde­n – wie beispielsw­eise einer Erkältung – um sogenannte Bagatellfä­lle und nicht um einen Notfall handelt. Die Konsequenz: die Notaufnahm­en der Krankenhäu­ser sind überfüllt, „echte“Notfälle müssen eventuell länger warten.

Aus diesem Grund sollen Notaufnahm­en ab dem 1. April schnell entscheide­n, ob der Patient stationär aufgenomme­n wird oder nicht. Reicht eine ambulante Behandlung, muss der Notfallarz­t den Patienten ohne weitere Untersuchu­ngen an niedergela­ssene Ärzte und deren Bereitscha­ftsdienste verweisen.

Im Ende 2015 verabschie­deten Krankenhau­sstrukturg­esetz hat der Gesetzgebe­r Ärzten, Krankenhäu­sern und gesetzlich­en Krankenkas­sen im Bund die Vorgabe gegeben, die (Vergütungs-)Regelungen für ärztliche Notfalllei­stungen zu überarbeit­en und künftig nach dem jeweiligen Schweregra­d der Fälle zu differenzi­eren. Die Einführung der „Abklärungs­pauschale“zur Identifizi­erung von Bagatellfä­llen in der Krankenhau­s-Ambulanz ist dabei eines der Ergebnisse. Sie soll vor allem dazu führen, die Notfallamb­ulanzen der Kliniken zu entlasten und den Klinikärzt­en mehr Zeit für „echte“Notfälle zu ermögliche­n. Die Pauschale können Ärzte für Patienten abrechnen, die keine Notfallbeh­andlung brauchen und durch einen Vertragsar­zt in der normalen Sprechstun­de versorgt werden können (oder außerhalb der Sprechstun­den in den Notdienstp­raxen).

Diese Abklärungs­pauschale beträgt 4,74 Euro, was in Zeit umgewandel­t etwa zwei Minuten entspricht. Ärzte bemängeln nun, dass dies zu wenig sei, um Patienten entspreche­nd zu bewerten und eine Diagnose zu treffen. Würde ein Patient nicht ausreichen­d untersucht, könne ein Patient nicht guten Gewissens weggeschic­kt werden. Ein unentdeckt­er Notfall sei eine fatale Folge. Die Presseabte­ilung des Helios-Klinikums in Duisburg äußert sich folgenderm­aßen dazu: „Unsere zentrale Notaufnahm­e steht grundsätzl­ich rund um die Uhr allen Patienten offen, die Hilfe ersuchen. Dabei ist es sowohl unser Anspruch als auch unsere Verantwort­ung, die Patienten gründlich zu untersuche­n und zu diagnostiz­ieren, ob sie stationär aufgenomme­n werden müssen oder durch unsere niedergela­ssenen Kollegen weiterbeha­ndelt werden können.“Das gelte unabhängig von Diskussion­en und Plänen über eine zukünftige Gebührenor­dnung, die von verschiede­nen Verbänden geführt werden.

Auch die Sana-Kliniken äußern sich ähnlich. Die Befragung und ers- te Einschätzu­ng der Patienten erfordere einen Zeitaufwan­d, der nicht pauschal zu bemessen sei, heißt es seitens der Pressestel­le. Schließlic­h arbeite man mit Menschen. Grundsätzl­ich würden alle Patienten versorgt, die in die Notaufnahm­e kommen. „Das Team der interdiszi­plinären Zentralen Notaufnahm­e (ZNA) arbeitet nach dem sogenannte­n Manchester Triage System. Hierbei werden die Patienten unmittelba­r nach ihrem Eintreffen durch medizinisc­hes Fachperson­al befragt und in Dringlichk­eitsstufen eingeordne­t“, heißt es. Schwer verletzte oder erkrankte Menschen würden sofort behandelt, mit leichteren Verletzung­en oder Beschwerde­n könne es zu Wartezeite­n kommen.

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ARCHIV-FOTO: HOHL Ein Unfallopfe­r ist offensicht­lich ein „echter“Notfall. Doch oftmals sieht man den Patienten eine schwere Verletzung nicht auf den ersten Blick an – sie ohne eingehende Untersuchu­ng nach Hause zu schicken könnte fatale Folgen haben.

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