Die Diamanten von Nizza
Der Ausblick auf das Mittelmeer trug natürlich das Seine dazu bei, doch es war Monacos großzügige Steuergesetzgebung, die diese kleine Oase zu einem beliebten Wohnsitz für Millionäre gemacht hatte, Tennisprofis, Yachtbesitzer und zwielichtige Geschäftsleute eingeschlossen.
Monsieur Rimbaud öffnete höchstpersönlich die Tür, um sie hereinzubitten. Er war ein hochgewachsener, schlanker Mann um die sechzig mit einem Gesicht, wie man es oft in Frankreich sah: hohe Wangenknochen, markante Nase und ein Mund mit schmalen Lippen, die sich selten zu einem Lächeln verzogen. Er führte sie in sein Arbeitszimmer und deutete auf die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch.
Dann erst warf er einen flüchtigen Blick auf die Visitenkarte, die Sam ihm gereicht hatte. „Nun, Monsieur Levitt, was kann ich für Sie tun?“
„Ich hoffe, dass wir etwas für Sie tun können“, erwiderte Sam und begann mit seinen Ausführungen.
Rimbaud ließ Sam ausreden, bevor er das Wort ergriff. „Das ist ja alles sehr interessant. Doch bedauerlicherweise sind Sie damit ein bisschen spät dran; das Weißgoldcollier mit Diamantherz, das ich meiner Frau zum zweiten Hochzeitstag geschenkt hatte, erhält sie dadurch nicht zurück.“Er zuckte die Schultern und brachte die Andeutung eines Lächelns zustande. „So ist das Leben nun mal, finden Sie nicht? Hält immer wieder unangenehme Überraschungen bereit.“
„Wenn Sie uns gestatten, uns kurz in Ihrem Haus umzusehen, können wir Ihnen vermutlich helfen, sich gegen unangenehme Überraschungen dieser Art künftig abzusichern.“
Rimbaud nickte. „Einverstanden.“Er blickte Philippe an. „Ich sehe, dass Ihr Kollege eine Kamera mitgebracht hat. Ich nehme an zu Referenzzwecken, aber ich möchte unter allen Umständen vermeiden, dass Fotos von meinem Haus die Runde machen. Privatsphäre ist heutzutage ein Luxus, der als Mangelware gilt, und wir wissen das wenige zu schätzen, was wir haben. Ist das klar?“
„Ich bin ganz Ihrer Meinung“, sagte Sam in der Hoffnung, dass Philippe in der Lage war, seine Enttäuschung zu verbergen. Chez Rimbaud würde in seiner Serie über die Anwesen der Reichen und Berühmten mit Sicherheit nicht vorgestellt werden. „Und Sie hatten recht mit Ihrer Annahme. Wir brauchen Referenzaufnahmen von Ihren Sicherheitseinrichtungen, nur ein paar und völlig anonym für unsere Techniker zu Hause in den Staaten.“
Es war unverkennbar, dass Rimbaud einen Augenblick stutzte und zögerte, doch dann erklärte er sich mit einer abgespeckten Fotoserie einverstanden. Gleichwohl blieb er misstrauisch und folgte Philippe wie ein Schatten durchs Haus. Er wies auf die Außenkameras, die rund um das Haus verteilt waren, und auf die Bewegungsmelder mit Infrarotsensoren hin. Mit einem sarkastischen Lächeln führte er Sam auf den Balkon und sagte: „unser Späher.“Es handelte sich um eine Bronzefigur, die einen Mann in Lebensgröße zeigte, der mit einem Feldstecher auf den Garten und die dahinterliegenden Häuser blickte. Mit dieser unvermuteten Selbstironie hatte sich Monsieur Rimbaud, so dachte Sam, vielleicht doch seinen Familiennamen verdient, der ja nach Sternen französischer Dichtkunst griff. Schließlich zeigte er seinen Besuchern den Wandsafe, hinter einem jener großen nostalgischen Landschaftsgemälde verborgen, die allein für diesen Zwecke gemalt zu werden scheinen.
„Dieser Tresor der VDS Klasse 1 ist aber nur bis 65.000 Euro versicherbar“, sagte Sam beinahe mitleidig.
„Deswegen habe ich ja auch Sondergebühren beim Versicherungsschutz zahlen müssen“, antwortete Rimbaud gleichgültig. „Aus Schaden wird man klug: Gegenwärtig befinden sich aber auch nur – er tippte mit erstaunlicher Schnelligkeit den Geheimcode ein – diese bescheidenen Schmuckstücke, darin.“Die Tür sprang auf und man sah drei Edelsteine: 21,00 Karat., Farbe D, Reinheit IF, Brillantschliff, keine Fluoreszenz, jeder Stein hat ein nur einen Wert von 21.498 Euro, reine Anlageobjekte.
„Und der schwarze Stein dort mit Ovalschliff?“, fragte Sam neugierig.
„Bloß modische Spielerei. Der ist nicht einmal einen Tausender wert.“
„Wenn sie mal wieder mehr Schmuckstücke im Hause aufbewahren wollen, was ja doch praktisch ist, denn wer geht schon immer gern zur Bank, bevor er Schmuck anlegt, könnte ich Ihnen folgendes System empfehlen, das wir demnächst liefern können.“Sam ratterte wieder seine Ausführungen runter, inzwischen glaubte er beinahe selbst, dass es dieses neue, absolut sichere Alarmsystem gebe.
„Schönes Haus“, sagte Philippe. „Sehr elegant. Schade, dass ich die Bilder nicht verwenden kann.“
„Der Diebstahl scheint ihn völlig kalt zu lassen. Als er ihn erwähnte, klang es so, als würde es sich um ir- gendein läppisches häusliches Problem handeln, „meinte Sam. „Keinerlei Gefühlsaufwallungen wie bei den Castellacis.“
Philippe tauchte einen Zuckerwürfel in seinen Kaffee und katapultierte ihn gekonnt in den Mund. „Man müsste mal genau ausrechnen, wie hoch sein Versicherungsbeitrag war, und dann diesen Beitrag vom Schadensersatz abziehen, vielleicht hat es sich gar nicht so richtig gelohnt.“
„Glaubst du wirklich, er hat den Einbruch fingiert?“
„Du hast doch das Haus gesehen. Es gleicht einer Festung. Außerdem liegt es mitten in Monaco, wo es fast noch mehr Polizisten als Residenten gibt. Man kann hier nicht einmal in aller Abgeschiedenheit pinkeln, ohne dabei von einer Überwachungskamera erwischt zu werden. Ich würde hier einen Insider-Job nicht ausschließen.“
Der Tag nahm für beide eine Wende zum Besseren, als sie am späten Nachmittag das Hôtel du Cap erreichten. Auf Elenas Drängen hin hatten sie beschlossen, sich eine Suite mit zwei Schlafräumen zu teilen, mit einem eigenen Whirlpool auf der Terrasse. Und dort saßen sie bereits, Elena und Mimi, um die Nachwirkungen der anstrengenden letzten Stunden im hoteleigenen Wellnessbereich an sich abfließen zu lassen.
„Wie war’s?“, erkundigte sich Elena.
Sam und Philippe zuckten einmütig die Schultern.
„O nein, so schlimm? Macht euch nichts draus – es gibt immer ein Morgen. Und ihr habt zwei Damen unendlich glücklich gemacht.“
(Fortsetzung folgt)